• Valerius Wilhelm Neubeck to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Steinau, Oder · Place of Destination: Jena · Date: 16.01.1798
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Valerius Wilhelm Neubeck
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Steinau, Oder
  • Place of Destination: Jena
  • Date: 16.01.1798
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-35010
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.17,Nr.7
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,5 x 11,4 cm
  • Incipit: „[1] Steinau d. 16 Januar 1798.
    Daß Sie sich meiner gar nicht mehr erinnern sollten, kann ich mir kaum vorstellen. Ich [...]“
  • Editors: Bamberg, Claudia · Varwig, Olivia
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[1] Steinau d. 16 Januar 1798.
Daß Sie sich meiner gar nicht mehr erinnern sollten, kann ich mir kaum vorstellen. Ich würde meinen Najaden nicht mehr so gut sein, wie vorhin, wenn sie nicht im Stande wären, mich in gutem Andenken bei Ihnen zu erhalten.. Sie sind doch gesund? Oder ist Ihr Wunsch, Akensideʼs Hymn mitzuschicken, schuld an dem Aufschub? Oder etwas anderes?
Verzeihen Sie diese Menge von Fragen einem Manne, dem durch Ihre vorigen zutraulichen Briefe, und durch gemeinschaftliche Kunstliebe das Bedürfniß, sich Ihnen mitzutheilen, zu lebhaft unterhalten wird, als daß er es länger aufzuschieben vermöchte, Ihnen in diesen Zeilen für das Vergnügen und den Genuß zu danken, den mir Ihr philosophisches Gedicht in Schillers Almanach gewährte. Ich bewundere die Leichtigkeit, mit der sich Ihre terze rime bewegen, noch mehr Ihren kühnen Vorausdenker, der metus omnes et inexorabile fatum subjecit pedibus strepitumque Acherontis avari.
Daß die Herren Veith u. Schumann in Dresden den artistischen Theil meines Gedichts bearbeiten, hat Ihnen wohl [2] schon Ihr Freund Göschen gemeldet. Ich glaube es mir selbst schuldig zu sein, jeden, auch den geringfügigsten Gegenstand meines Gedichts eben so genau zu erwägen, als die wesentlichen Theile desselben. Dieß geschah auch noch seit der Absendung des Mnspts, und, wie ich Sie versichern kann, mit ernsthafter Prüfung, nicht ohne die Ueberzeugung, daß bei einem Gedicht von einigem Umfang der bescheidene Gebrauch der Feile bis zum Abdruck des letzten Bogens anwendbar wäre. Vielleicht ist es Ihnen nicht unangenehm, wenn ich Ihnen die Stelle mittheile, die die Erörterung des Gesundbr. bei Bilin enhält, welcher noch in mein Quellenverzeichniß aufgenommen ward. Vielleicht billigen Sie auch die Art der Darstellung, der ich durch die Anspielung auf die alte lateinische Inschrift: Huius Nympha loci sacri custodia fontis etc. durch den Ton selbst, und durch die sorgfältigste Messung des Hexameters, das Gepräge des Antiken, wenn der Versuch nicht mißglückte, zu geben trachtete.
[3] Wem doch schweiget der Hain hochfeierlich? Ist der Bezirk hier
Heilig dem örtlichen Gott? ist hier ein Tempel der Nymfen?
Schlummert in moosiger Grotte vielleicht, dort selber Bilina?
O du, welcher den Hallen sich naht der weißen Najade,
Tritt sanft über die Schwellʼ, und erquicke dich! Lege zum Dank ihr
Auf den Felsenaltar des Frühlinges helleste Blumen,
Schweigend, und fleh die Nymf um Gedeihn in festlicher Stille die Göttin! in festlicher Stille!
Noch eine kleine Bemerkung erlauben Sie mir. Den Ausdruck: weiße Najade, der nur dieses einzige mal in meinem Gedichte k vorkommt, habe ich mit Bedacht, weil sich das Alterthum die Najaden u. Nereiden, wie Voß in seinen mythol. Briefen bezeugt, als vorzüglich weiß dachte. Dem Virgil ist seine Galatea [4] candidior cygnis; eine andere Wassergöttin heißt ihm candida Naïs; dem Ovid ist seine Lotis Nympha nivea. Hier schien mir dieses malerische Beiwort um so bezeichnender, weil der Gesundbr bei Bilin ungemein hell u. lauter quillt, und an dem Gemäuer der Einfassung ein zartes schneeweißes Salz absetzet.
Am passendsten wird, dünkt mich, dieses diese Stelle pag. 28 nach den 2 Worten: die Qual des erwachten Gewissens? eingeschaltet, wenn wo mithin die Erörterung Bilinens zwischen die ihrer beiden böhmischen Schwestern zu stehen kommt.
Mein lebhaftes Verlangen nach einer gütigen Antwort verbürge Ihnen die innige Verehrung mit der ich unausgesetzt bin
Ihr
ganz ergebner
Neubeck.
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[1] Steinau d. 16 Januar 1798.
Daß Sie sich meiner gar nicht mehr erinnern sollten, kann ich mir kaum vorstellen. Ich würde meinen Najaden nicht mehr so gut sein, wie vorhin, wenn sie nicht im Stande wären, mich in gutem Andenken bei Ihnen zu erhalten.. Sie sind doch gesund? Oder ist Ihr Wunsch, Akensideʼs Hymn mitzuschicken, schuld an dem Aufschub? Oder etwas anderes?
Verzeihen Sie diese Menge von Fragen einem Manne, dem durch Ihre vorigen zutraulichen Briefe, und durch gemeinschaftliche Kunstliebe das Bedürfniß, sich Ihnen mitzutheilen, zu lebhaft unterhalten wird, als daß er es länger aufzuschieben vermöchte, Ihnen in diesen Zeilen für das Vergnügen und den Genuß zu danken, den mir Ihr philosophisches Gedicht in Schillers Almanach gewährte. Ich bewundere die Leichtigkeit, mit der sich Ihre terze rime bewegen, noch mehr Ihren kühnen Vorausdenker, der metus omnes et inexorabile fatum subjecit pedibus strepitumque Acherontis avari.
Daß die Herren Veith u. Schumann in Dresden den artistischen Theil meines Gedichts bearbeiten, hat Ihnen wohl [2] schon Ihr Freund Göschen gemeldet. Ich glaube es mir selbst schuldig zu sein, jeden, auch den geringfügigsten Gegenstand meines Gedichts eben so genau zu erwägen, als die wesentlichen Theile desselben. Dieß geschah auch noch seit der Absendung des Mnspts, und, wie ich Sie versichern kann, mit ernsthafter Prüfung, nicht ohne die Ueberzeugung, daß bei einem Gedicht von einigem Umfang der bescheidene Gebrauch der Feile bis zum Abdruck des letzten Bogens anwendbar wäre. Vielleicht ist es Ihnen nicht unangenehm, wenn ich Ihnen die Stelle mittheile, die die Erörterung des Gesundbr. bei Bilin enhält, welcher noch in mein Quellenverzeichniß aufgenommen ward. Vielleicht billigen Sie auch die Art der Darstellung, der ich durch die Anspielung auf die alte lateinische Inschrift: Huius Nympha loci sacri custodia fontis etc. durch den Ton selbst, und durch die sorgfältigste Messung des Hexameters, das Gepräge des Antiken, wenn der Versuch nicht mißglückte, zu geben trachtete.
[3] Wem doch schweiget der Hain hochfeierlich? Ist der Bezirk hier
Heilig dem örtlichen Gott? ist hier ein Tempel der Nymfen?
Schlummert in moosiger Grotte vielleicht, dort selber Bilina?
O du, welcher den Hallen sich naht der weißen Najade,
Tritt sanft über die Schwellʼ, und erquicke dich! Lege zum Dank ihr
Auf den Felsenaltar des Frühlinges helleste Blumen,
Schweigend, und fleh die Nymf um Gedeihn in festlicher Stille die Göttin! in festlicher Stille!
Noch eine kleine Bemerkung erlauben Sie mir. Den Ausdruck: weiße Najade, der nur dieses einzige mal in meinem Gedichte k vorkommt, habe ich mit Bedacht, weil sich das Alterthum die Najaden u. Nereiden, wie Voß in seinen mythol. Briefen bezeugt, als vorzüglich weiß dachte. Dem Virgil ist seine Galatea [4] candidior cygnis; eine andere Wassergöttin heißt ihm candida Naïs; dem Ovid ist seine Lotis Nympha nivea. Hier schien mir dieses malerische Beiwort um so bezeichnender, weil der Gesundbr bei Bilin ungemein hell u. lauter quillt, und an dem Gemäuer der Einfassung ein zartes schneeweißes Salz absetzet.
Am passendsten wird, dünkt mich, dieses diese Stelle pag. 28 nach den 2 Worten: die Qual des erwachten Gewissens? eingeschaltet, wenn wo mithin die Erörterung Bilinens zwischen die ihrer beiden böhmischen Schwestern zu stehen kommt.
Mein lebhaftes Verlangen nach einer gütigen Antwort verbürge Ihnen die innige Verehrung mit der ich unausgesetzt bin
Ihr
ganz ergebner
Neubeck.
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