• Dorothea von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Frankfurt am Main · Place of Destination: Unknown · Date: 30.10.1833
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Dorothea von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Frankfurt am Main
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 30.10.1833
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 362647739
  • Bibliography: Geiger, Ludwig: Dichter und Frauen. Neue Sammlung. Berlin 1899, S. 159‒161.
  • Incipit: „[1] Frankfurth a./M., 30. Oct. 33.
    Mein verehrter Bruder Wilhelm!
    Meine jetzige Unterhandlungen mit Freund Windischmann gewähren mir die ersehnte Veranlassung mich Ihnen [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34097
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.23,Nr.48
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 22,6 x 13,5 cm
[1] Frankfurth a./M., 30. Oct. 33.
Mein verehrter Bruder Wilhelm!
Meine jetzige Unterhandlungen mit Freund Windischmann gewähren mir die ersehnte Veranlassung mich Ihnen wenigstens schriftlich zu nähern, da mirs auf der Rheinreise im August nicht vergönnt war Sie zu besuchen, welches mir doch in mehr als einer Hinsicht so sehr wichtig gewesen wäre. Ich war auf dieser ganzen Reise sehr abhängig von meiner Gesellschaft, in deren Plan ein Aufenthalt in Bonn nicht lag; wenn ich nun mich nicht trennen, und die herrschende Mißstimmung nicht vergrößern wollte, so mußte ich meine Absichten unterordnen. Schriftlich läßt sich diese Verkettung von unangenehmen Dingen nicht leicht auseinandersetzen: sollte ich aber noch die Freude haben Sie wieder zu sehen wovon ich mich im künftigen Frühjahr nicht werde zurückhalten lassen, so Gott will, dann werde ich Ihnen diese Reise-Schicksale erzählen; sie werden Ihnen einen neuen Beweiß abgeben, wie wir uns zu trösten suchen müssen wann es im Leben in der Welt nicht nach unsern Wünschen gehen will da wir diese nicht einmal [2] auf einer Lustreise immer erfüllt sehen. Nicht wenig wurde mein Verdruß Sie nicht besucht zu haben, durch die Erzählung meiner Freundin Marianne Saaling erhöht, die bey Ihnen war zu derselben Zeit, die mir von Ihrer liebenswürdigen Aufnahme, und von den angenehmen Stunden in Ihrem Hause verlebt, so viel erzählte, daß mein ganzer Neid davon erregt wurde.
Jene oben erwähnten Verhandlungen mit Freund Windischmann betreffen ein Unternehmen, wozu ich in Ihrer Nähe vielleicht den Muth gefunden hätte Sie mündlich einzuladen: Dies war mir nicht beschieden, und so besuchte ich Windischmann in Wiesbaden, der mir nun mit seinem freundlichen Erbieten zu Hülfe kam, vorläufig erst Ihre Stimmung darüber zu erfahren, um keine Fehlbitte bei Ihnen zu thun, die Sie und mich unangenehm berührt haben würde. Windischmann hat mir nun darüber die ermunterndsten Berichte ertheilt, indem er Ihre liebenswürdige Bereitwilligkeit zur Theilnahme an die Herausgabe des Nachlasses Ihres lieben Bruders mich versichern ließ, und so darf ich es nun um so sicherer wagen, Sie um diese Theilnahme zu bitten. Sie werden gewiß bereits durch Windischmann erfahren haben, worin eigentlich dieser Nachlaß besteht, daß es theils früher gehaltene philosophische Vorlesungen, theils Fragmente verschiedenen Inhalts sind. [3] Was sonst noch zerstreut, bey verschiedenen Anlässen oder Zeitblättern bereits in früherer Zeit gedruckt ist, was sich eignen möchte wieder aufgenommen zu werden, das weiß Niemand so gut als Sie, der Sie ja früher mit allen seinen Arbeiten bekannt waren. Es sind leider Jahre darüber hingegangen, bevor die Umstände sich günstig zu diesem Unternehmen gestalten wollten, was aber gerade jetzt etwas mehr der Fall ist, bey der neu sich regenden Theilnahme für spekulative Gegenstände.
Windischmann wird ferner Ihnen mitgetheilt haben, zu welchem Antheil an der Anordnung er sich erbietet. Aber wie kann je nur irgend etwas geordnetes, gediegenes zu Stande kommen damit, wenn Sie theurer Bruder nicht Ihre Mitwirkung schenken? und diese ist es nun, um welche ich Sie bitte ‒ und schon habe ich die Aussicht, daß Ihre alles Vergängliche überlebende, und besiegende Bruder Liebe, mir sie versagt. Daß Ihre eigene Arbeiten, Ihre vielfach in Anspruch genommene Thätigkeit ein Hinderniß sein möchte, fürchte ich nicht sehr; weiß ich es doch, wie gern und zugleich mit welcher Gewandtheit und Leichtigkeit (wie nicht leicht ein anderer Deutscher), Sie mit den verschiedensten, fernliegendsten Ideen und Gegenständen sich beschäftigen mögen. Alle Theologische und Philosoph: Hefte und Papiere sind in Windischmanns Händen, [4] was von Historischen, Litterarischen und poetischen Fragmenten und Heften da ist hat Prof. Steingaß hier (ein früherer Schüler Friedrichs) der seine Mitwirkung zum historischen Theil verheißen hat, so wie Prof. Book in Marburg (oder Kassel, ich weiß nicht mehr recht) den philologischen Theil.
Alles dieses theurer Wilhelm sind aber nur vorläufige Besprechungen gewesen. Wenn Sie mit Ihrer Sorge, Ihrer Theilnahme die Sache unternehmen, in Vereinigung mit Freund Windischmann, so ist Ihnen alles übergeben, mit ehrfurchtsvollem Vertrauen.
Welch eine Last wird meiner Seele abgenommen seyn, wenn ich diese Sache in Ihre Hände gelegt habe! und welch einen Glanz wird durch Ihre Mitwirkung und Ihren Namen das Werk gewinnen. Es wird ein Monument der brüderlichen Liebe und Vereinigung für alle Zeiten! ‒ Mit dieser tröstenden Hoffnung, und in Erwartung einer zustimmenden Beantwortung und Erfüllung meiner Bitte verharre ich mit wahrhafter schwesterlichen Anhänglichkeit
Ihre Dorothea v. Schlegel.
[1] Frankfurth a./M., 30. Oct. 33.
Mein verehrter Bruder Wilhelm!
Meine jetzige Unterhandlungen mit Freund Windischmann gewähren mir die ersehnte Veranlassung mich Ihnen wenigstens schriftlich zu nähern, da mirs auf der Rheinreise im August nicht vergönnt war Sie zu besuchen, welches mir doch in mehr als einer Hinsicht so sehr wichtig gewesen wäre. Ich war auf dieser ganzen Reise sehr abhängig von meiner Gesellschaft, in deren Plan ein Aufenthalt in Bonn nicht lag; wenn ich nun mich nicht trennen, und die herrschende Mißstimmung nicht vergrößern wollte, so mußte ich meine Absichten unterordnen. Schriftlich läßt sich diese Verkettung von unangenehmen Dingen nicht leicht auseinandersetzen: sollte ich aber noch die Freude haben Sie wieder zu sehen wovon ich mich im künftigen Frühjahr nicht werde zurückhalten lassen, so Gott will, dann werde ich Ihnen diese Reise-Schicksale erzählen; sie werden Ihnen einen neuen Beweiß abgeben, wie wir uns zu trösten suchen müssen wann es im Leben in der Welt nicht nach unsern Wünschen gehen will da wir diese nicht einmal [2] auf einer Lustreise immer erfüllt sehen. Nicht wenig wurde mein Verdruß Sie nicht besucht zu haben, durch die Erzählung meiner Freundin Marianne Saaling erhöht, die bey Ihnen war zu derselben Zeit, die mir von Ihrer liebenswürdigen Aufnahme, und von den angenehmen Stunden in Ihrem Hause verlebt, so viel erzählte, daß mein ganzer Neid davon erregt wurde.
Jene oben erwähnten Verhandlungen mit Freund Windischmann betreffen ein Unternehmen, wozu ich in Ihrer Nähe vielleicht den Muth gefunden hätte Sie mündlich einzuladen: Dies war mir nicht beschieden, und so besuchte ich Windischmann in Wiesbaden, der mir nun mit seinem freundlichen Erbieten zu Hülfe kam, vorläufig erst Ihre Stimmung darüber zu erfahren, um keine Fehlbitte bei Ihnen zu thun, die Sie und mich unangenehm berührt haben würde. Windischmann hat mir nun darüber die ermunterndsten Berichte ertheilt, indem er Ihre liebenswürdige Bereitwilligkeit zur Theilnahme an die Herausgabe des Nachlasses Ihres lieben Bruders mich versichern ließ, und so darf ich es nun um so sicherer wagen, Sie um diese Theilnahme zu bitten. Sie werden gewiß bereits durch Windischmann erfahren haben, worin eigentlich dieser Nachlaß besteht, daß es theils früher gehaltene philosophische Vorlesungen, theils Fragmente verschiedenen Inhalts sind. [3] Was sonst noch zerstreut, bey verschiedenen Anlässen oder Zeitblättern bereits in früherer Zeit gedruckt ist, was sich eignen möchte wieder aufgenommen zu werden, das weiß Niemand so gut als Sie, der Sie ja früher mit allen seinen Arbeiten bekannt waren. Es sind leider Jahre darüber hingegangen, bevor die Umstände sich günstig zu diesem Unternehmen gestalten wollten, was aber gerade jetzt etwas mehr der Fall ist, bey der neu sich regenden Theilnahme für spekulative Gegenstände.
Windischmann wird ferner Ihnen mitgetheilt haben, zu welchem Antheil an der Anordnung er sich erbietet. Aber wie kann je nur irgend etwas geordnetes, gediegenes zu Stande kommen damit, wenn Sie theurer Bruder nicht Ihre Mitwirkung schenken? und diese ist es nun, um welche ich Sie bitte ‒ und schon habe ich die Aussicht, daß Ihre alles Vergängliche überlebende, und besiegende Bruder Liebe, mir sie versagt. Daß Ihre eigene Arbeiten, Ihre vielfach in Anspruch genommene Thätigkeit ein Hinderniß sein möchte, fürchte ich nicht sehr; weiß ich es doch, wie gern und zugleich mit welcher Gewandtheit und Leichtigkeit (wie nicht leicht ein anderer Deutscher), Sie mit den verschiedensten, fernliegendsten Ideen und Gegenständen sich beschäftigen mögen. Alle Theologische und Philosoph: Hefte und Papiere sind in Windischmanns Händen, [4] was von Historischen, Litterarischen und poetischen Fragmenten und Heften da ist hat Prof. Steingaß hier (ein früherer Schüler Friedrichs) der seine Mitwirkung zum historischen Theil verheißen hat, so wie Prof. Book in Marburg (oder Kassel, ich weiß nicht mehr recht) den philologischen Theil.
Alles dieses theurer Wilhelm sind aber nur vorläufige Besprechungen gewesen. Wenn Sie mit Ihrer Sorge, Ihrer Theilnahme die Sache unternehmen, in Vereinigung mit Freund Windischmann, so ist Ihnen alles übergeben, mit ehrfurchtsvollem Vertrauen.
Welch eine Last wird meiner Seele abgenommen seyn, wenn ich diese Sache in Ihre Hände gelegt habe! und welch einen Glanz wird durch Ihre Mitwirkung und Ihren Namen das Werk gewinnen. Es wird ein Monument der brüderlichen Liebe und Vereinigung für alle Zeiten! ‒ Mit dieser tröstenden Hoffnung, und in Erwartung einer zustimmenden Beantwortung und Erfüllung meiner Bitte verharre ich mit wahrhafter schwesterlichen Anhänglichkeit
Ihre Dorothea v. Schlegel.
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