• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Köln · Place of Destination: Coppet · Date: 19.08.1804
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Köln
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 19.08.1804
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 143‒145.
  • Weitere Drucke: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 26. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Pariser und Kölner Lebensjahre (1802‒1808). Erster Teil Juni 1802 ‒ Dezember 1805). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hans Dierkes. Paderborn 2018, S. 235‒237.
  • Incipit: „[1] Kölln den 19ten August 1804.
    Herzlich geliebter Bruder, ich hoffe Du wirst nun meinen lezten Brief vom 3ten August erhalten [haben] [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,I,17
  • Number of Pages: 7 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20 x 11,8 cm
[1] Kölln den 19ten August 1804.
Herzlich geliebter Bruder, ich hoffe Du wirst nun meinen lezten Brief vom 3ten August erhalten [haben] und eile Dir zu antworten. Ich erwarte nur Deinen nächsten Brief um den Tag meiner Abreise zu bestimmen. Ich duplire schon seit einer Woche mein Collegium und werde schon am 16ten oder 17ten September reisen, wenn die versprochne Assignation nämlich schon so früh hier ankommt. Bis Straßburg habe ich vier Tage von hier, von da bis Basel nur einen; also könnte ich schon in sieben Tagen bei Dir sein, nach der Entfernung allein zu rechnen. Da aber Deine Briefe bis jezt alle regelmäßig zehn Tage unterwegs gewesen und am eilften in meine Hände gekommen, so vermuthe ich daß ich wohl eben so lange Zeit brauchen werde, und daß die Diligençen irgendwo nicht zusammentreffen oder einen Tag liegen bleiben.
Da ich wohl sehr ermüdet in Genf [2] ankommen werde, so denke ich dort eine Nacht auszuruhen, und erst dann des folgenden Tags zu Euch zu fahren. Vielleicht erlaubt Dir Deine Zeit mich abzuhohlen und in diesem [Falle] meldest Du mir etwa durch ein billet (a poste restante) in welchem Gasthof ich einkehren soll, damit wir uns nicht verfehlen.
Ich bitte Dich, Deiner Freundin auf das wärmste und angelegentlichste zu danken, daß Sie so freundschaftlich für unser Wiedersehen sich interessirt. Wie sehr ich mich darauf freue, welch dringendes Bedürfniß es mir ist, kann ich Dir gar nicht sagen. Was den herrlichen und verführerischen Vorschlag der italiänischen Reise betrift, so hast [Du] nun schon meine Antwort darauf; Du erbietest Dich zwar sehr freundschaftlich, mir die Mittel dazu [3] zu erleichtern; aber Du wirst aus meinem Briefe gesehen haben, wie groß die Schwierigkeiten sind; und überdem kann ich doch Dein Anerbieten jezt nicht anders als ein gemeinschaftliches ansehen, das ich also nur in dem Falle annehmen könnte, wenn sich mir bei persönlicher Bekanntschaft eine Aussicht eröffnete, Deiner Freundin und ihren Söhnen wenigstens in der Folge auf eine bedeutende Art nützlich werden zu können.
Doch dem sei wie ihm wolle, das hoffe ich mit Gewißheit, daß wir bei dem jetzigen kurzen Wiedersehen ein längeres Beisammensein bestimmt verabreden werden; und in dieser Hoffnung werde ich mich wohl bescheiden können, der schönen italiänischen Reise zu entsagen.
Meine physikalischen Papiere sind in der That gar nicht lesbar und bestehen fast ganz aus Chiffern. Alles übrige steht in Beziehung mit meinen orientalischen Studien, außerdem habʼ ich nichts bedeutendes aufgeschrieben. – Von allen Gedichten die ich habe will ich Dir gern [4] eine saubre Abschrift mitbringen; neues ist gar nicht darunter als ein paar Kleinigkeiten. Ideen habʼ ich genug aber es ist mir manchmal so trocken zu Muthe als könntʼ ich nichts mehr machen. Deine Gegenwart muß mich von neuem beleben. Ich werde aber sehr geizig auf jeden Deiner Augenblicke sein, ich werde mich wohl hüten Dir etwas zu lesen mitzubringen, denn ich habe ein solches Bedürfniß mit Dir zu sprechen, daß ich glaube wenn ich einmal angefangen habe, wird eben nicht viel Zeit zu andern Dingen übrig bleiben.
Ein Packet mit Büchern wird mir eben angekündigt; vermuthlich sind es die Novitäten, die Du mir besorgt hast.
Daß der herrliche Steffens in das Preußische Kothnest geht, ist eine Calamität und ein Scandal. Noch mehr aber ärgerts mich daß Schleiermacher nicht nach Würzburg [5] gegangen ist; dann hätte er ganz werden müssen, was er doch eigentlich ist, Philosoph. Zank hättʼ es wohl gegeben, aber das hätte nichts geschadet; Schelling würde sich gemein dabei genommen haben, aber an dem ist doch wohl nicht viel mehr zu verderben, und Schleiermacher wäre dann gezwungen worden, sich recht herauszuarbeiten.
An die Mutter habʼ ich mich endlich überwunden, ausführlich zu schreiben. Da ich wirklich und wahrhaftig in Rücksicht des Geldes sowohl von den sogenannten Sternen als auch den Menschen ziemlich lausig behandelt werde, so war es nicht schwer, ihr zu zeigen warum ich bei dem besten Willen nichts für sie gethan habe; die Schwierigkeit war, dieß auf eine solche Art zu thun, daß sie sich nun doch auch [nicht] meinetwegen weiter mehr als billig ängstet.
Tieck ist nach den lezten Briefen die ich aus Deutschland habe, ruhig bei Burgsdorf und wird an keine Reise gedacht. [6] Sein Oktavian ist vor einiger Zeit hier angekommen. Die Poesie im zweiten Theile ist schöner und orientalischer als Tieck noch etwas gemacht. Aber allgemach glaubʼ ich ist es Zeit daß er lieber mystische Romane als Dramen schreibt; da könntʼ er sich nach Herzenslust ausbreiten, was hier doch oft ein Mißverhältniß macht.
Es wäre mir sehr sehr lieb, wenn Du meinem Vorschlag wegen der Europa Gehör gäbest, und dieser wenigstens für jezt den Vorzug gäbest; die physikalischen Ideen will ich aber Deinem Wunsch gemäß auf jeden Fall für das Athenäum zurück legen.
Meine Frau grüßt Dich bestens. Ich umarme Dich von Herzensgrund.
Friedrich.

Auf einen Umstand scheint Ihr bei Eurem Plan wenig Rücksicht zu nehmen; auf den Krieg der doch gewiß im künftigen Frühjahr allgemein ist und zwar zuerst in Italien.
[7] Unger hat mir geschrieben und sich gewissermaßen entschuldigt; er nennt mir mehre Berliner denen er Briefe an mich nach Paris mitgegeben, die ich aber alle nicht erhalten habe. – Da ich nun also auch nicht darauf antworten können, ist er natürlich etwas ungeduldig geworden. Ich muß aber doch nun allmählig darauf denken, mich mit ihm abzufinden.
In Berlin scheint man jezt nach Deiner Abreise aus verdoppelten Leibeskräften auf uns beide zu schimpfen.
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[1] Kölln den 19ten August 1804.
Herzlich geliebter Bruder, ich hoffe Du wirst nun meinen lezten Brief vom 3ten August erhalten [haben] und eile Dir zu antworten. Ich erwarte nur Deinen nächsten Brief um den Tag meiner Abreise zu bestimmen. Ich duplire schon seit einer Woche mein Collegium und werde schon am 16ten oder 17ten September reisen, wenn die versprochne Assignation nämlich schon so früh hier ankommt. Bis Straßburg habe ich vier Tage von hier, von da bis Basel nur einen; also könnte ich schon in sieben Tagen bei Dir sein, nach der Entfernung allein zu rechnen. Da aber Deine Briefe bis jezt alle regelmäßig zehn Tage unterwegs gewesen und am eilften in meine Hände gekommen, so vermuthe ich daß ich wohl eben so lange Zeit brauchen werde, und daß die Diligençen irgendwo nicht zusammentreffen oder einen Tag liegen bleiben.
Da ich wohl sehr ermüdet in Genf [2] ankommen werde, so denke ich dort eine Nacht auszuruhen, und erst dann des folgenden Tags zu Euch zu fahren. Vielleicht erlaubt Dir Deine Zeit mich abzuhohlen und in diesem [Falle] meldest Du mir etwa durch ein billet (a poste restante) in welchem Gasthof ich einkehren soll, damit wir uns nicht verfehlen.
Ich bitte Dich, Deiner Freundin auf das wärmste und angelegentlichste zu danken, daß Sie so freundschaftlich für unser Wiedersehen sich interessirt. Wie sehr ich mich darauf freue, welch dringendes Bedürfniß es mir ist, kann ich Dir gar nicht sagen. Was den herrlichen und verführerischen Vorschlag der italiänischen Reise betrift, so hast [Du] nun schon meine Antwort darauf; Du erbietest Dich zwar sehr freundschaftlich, mir die Mittel dazu [3] zu erleichtern; aber Du wirst aus meinem Briefe gesehen haben, wie groß die Schwierigkeiten sind; und überdem kann ich doch Dein Anerbieten jezt nicht anders als ein gemeinschaftliches ansehen, das ich also nur in dem Falle annehmen könnte, wenn sich mir bei persönlicher Bekanntschaft eine Aussicht eröffnete, Deiner Freundin und ihren Söhnen wenigstens in der Folge auf eine bedeutende Art nützlich werden zu können.
Doch dem sei wie ihm wolle, das hoffe ich mit Gewißheit, daß wir bei dem jetzigen kurzen Wiedersehen ein längeres Beisammensein bestimmt verabreden werden; und in dieser Hoffnung werde ich mich wohl bescheiden können, der schönen italiänischen Reise zu entsagen.
Meine physikalischen Papiere sind in der That gar nicht lesbar und bestehen fast ganz aus Chiffern. Alles übrige steht in Beziehung mit meinen orientalischen Studien, außerdem habʼ ich nichts bedeutendes aufgeschrieben. – Von allen Gedichten die ich habe will ich Dir gern [4] eine saubre Abschrift mitbringen; neues ist gar nicht darunter als ein paar Kleinigkeiten. Ideen habʼ ich genug aber es ist mir manchmal so trocken zu Muthe als könntʼ ich nichts mehr machen. Deine Gegenwart muß mich von neuem beleben. Ich werde aber sehr geizig auf jeden Deiner Augenblicke sein, ich werde mich wohl hüten Dir etwas zu lesen mitzubringen, denn ich habe ein solches Bedürfniß mit Dir zu sprechen, daß ich glaube wenn ich einmal angefangen habe, wird eben nicht viel Zeit zu andern Dingen übrig bleiben.
Ein Packet mit Büchern wird mir eben angekündigt; vermuthlich sind es die Novitäten, die Du mir besorgt hast.
Daß der herrliche Steffens in das Preußische Kothnest geht, ist eine Calamität und ein Scandal. Noch mehr aber ärgerts mich daß Schleiermacher nicht nach Würzburg [5] gegangen ist; dann hätte er ganz werden müssen, was er doch eigentlich ist, Philosoph. Zank hättʼ es wohl gegeben, aber das hätte nichts geschadet; Schelling würde sich gemein dabei genommen haben, aber an dem ist doch wohl nicht viel mehr zu verderben, und Schleiermacher wäre dann gezwungen worden, sich recht herauszuarbeiten.
An die Mutter habʼ ich mich endlich überwunden, ausführlich zu schreiben. Da ich wirklich und wahrhaftig in Rücksicht des Geldes sowohl von den sogenannten Sternen als auch den Menschen ziemlich lausig behandelt werde, so war es nicht schwer, ihr zu zeigen warum ich bei dem besten Willen nichts für sie gethan habe; die Schwierigkeit war, dieß auf eine solche Art zu thun, daß sie sich nun doch auch [nicht] meinetwegen weiter mehr als billig ängstet.
Tieck ist nach den lezten Briefen die ich aus Deutschland habe, ruhig bei Burgsdorf und wird an keine Reise gedacht. [6] Sein Oktavian ist vor einiger Zeit hier angekommen. Die Poesie im zweiten Theile ist schöner und orientalischer als Tieck noch etwas gemacht. Aber allgemach glaubʼ ich ist es Zeit daß er lieber mystische Romane als Dramen schreibt; da könntʼ er sich nach Herzenslust ausbreiten, was hier doch oft ein Mißverhältniß macht.
Es wäre mir sehr sehr lieb, wenn Du meinem Vorschlag wegen der Europa Gehör gäbest, und dieser wenigstens für jezt den Vorzug gäbest; die physikalischen Ideen will ich aber Deinem Wunsch gemäß auf jeden Fall für das Athenäum zurück legen.
Meine Frau grüßt Dich bestens. Ich umarme Dich von Herzensgrund.
Friedrich.

Auf einen Umstand scheint Ihr bei Eurem Plan wenig Rücksicht zu nehmen; auf den Krieg der doch gewiß im künftigen Frühjahr allgemein ist und zwar zuerst in Italien.
[7] Unger hat mir geschrieben und sich gewissermaßen entschuldigt; er nennt mir mehre Berliner denen er Briefe an mich nach Paris mitgegeben, die ich aber alle nicht erhalten habe. – Da ich nun also auch nicht darauf antworten können, ist er natürlich etwas ungeduldig geworden. Ich muß aber doch nun allmählig darauf denken, mich mit ihm abzufinden.
In Berlin scheint man jezt nach Deiner Abreise aus verdoppelten Leibeskräften auf uns beide zu schimpfen.
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