• August Wilhelm von Schlegel to Georg Joachim Göschen

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Leipzig · Date: 01.12.1796
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Georg Joachim Göschen
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Leipzig
  • Date: 01.12.1796
  • Notations: Da der Brief im Druck nur teilweise wiedergegeben ist, wurde er neu transkribiert. – Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Walzel, Oskar: Wilhelm Schlegel und Georg Joachim Göschen. In: Prager Deutsche Studien 9 (1908), S. 135‒136.
  • Incipit: „[1] Jena d. 1 Dec. 96
    Werthester Freund!
    Ich habe sogleich das Nöthige aus Ihrer Antwort Schillern mitgetheilt, der vollkommen zufrieden damit ist. [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-37113
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XX,Bd.3,Nr.23(10)
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl. u. 2 S., hs. m. U.
  • Format: 18,9 x 11,4 cm
  • Editors: Bamberg, Claudia · Varwig, Olivia
[1] Jena d. 1 Dec. 96
Werthester Freund!
Ich habe sogleich das Nöthige aus Ihrer Antwort Schillern mitgetheilt, der vollkommen zufrieden damit ist. Er kann es nicht übel nehmen, daß Sie zu einer gemeinschaftlichen Unternehmung mit Cotta nicht geneigt sind; er ist weit entfernt darauf zu dringen, weil er wohl einsieht, daß vollkommne Harmonie zwischen den Theilhabern ein wesentliches Erforderniß dazu ist. – Daß Sie den Don Carlos, der in der Reihe der Schauspiele den zweyten Band ausmachen wird, noch außerdem mit typographischer Pracht drucken wollen, ist er sehr gern zufrieden, wenn Sie selbst Ihre Rechnung dabey finden. Haben Sie etwa schon Zeichnungen dazu? Mich däucht ich hätte gehört, Ramberg habe eine Anzahl verfertigt.
Wenn Sie einmahl solchen Aufwand für die Erscheinung eines seiner Werke [2] machen wollen, so thut Ihnen Sch. folgenden Vorschlag. Durch das Trauerspiel Wallenstein, welches in Ansehung des Geistes der Zeit eine ganz historische Darstellung seyn soll, ist er zur Geschichte des 30jährigen Krieges zurückgeführt worden, und hat seit einer beträchtlichen Zeit die Quellen derselben gelesen: ein Studium, womit er wohl noch ein halb Jahr fortfahren wird. Da er sich nun, was die Kenntnisse betrifft, so sehr vorgearbeitet hat, so könnte er sich leicht entschließen, seine Gesch. des 30jährigen Krieges wieder vorzunehmen, ganz zu verändern und zu einem vollendeten historischen Gemählde auszuführen. Das neue Werk würde nicht länger, sondern eher in einen kürzern Raum zusammengedrängt werden als das alte: Sch. meynt, es würde alsdann nicht viel länger seyn als der Don Carlos. Wenn er gesund bliebe, könnte er etwa im Sommer 98 an diese Arbeit kommen. – In so fern die Gesch. des 30jähr. Krieges [3] ein Nationalwerk ist, würde es vielleicht noch eher verdienen, als solches auch den Ausländern auf eine imposante Art bekannt gemacht zu werden. Vielleicht ließe sich dabey vortheilhaft auf Frankreich und England spekuliren, da unsre Literatur sich immer mehr in diesen Ländern verbreitet, und Sch. besonders in England einen großen Nahmen hat. – Kupferstiche fielen weg, als ein Zierrath, der für ein historisches Werk nicht paßt: die Schönheit der Ausgabe würde also auf das eigentlich Typographische ganz konzentrirt. – Was meynen Sie dazu, liebster Göschen?
Ich weiß nicht, ob ich Ihnen letzthin meldete, daß Sch. bey einer neuen Ausgabe des Geistersehers, auch das Fragment aus dem zweyten Theil, das in der Thalia gestanden, hinzufügen wollte. Gestern sagte er mir, er dächte es in den ersten Theil einzuflechten, an die Stelle, wohin er es zuerst bestimmt hatte. – Die Fortsetzung [4] müssen wir seiner guten Laune und irgend einem günstigen Anstoße überlassen.
Ich glaube mit Ihnen, daß Sch. besser gethan hätte, sich gleich damahls gegen Sie zu erklären, und Ihnen die Gründe zu sagen, warum er sein Versprechen in Ansehung der Schauspiele für aufgehoben hielt. – Indessen die Sache ist ja nun wieder so weit zurecht gerückt, und ich hoffe Sie beyde noch einmahl in einem freundlichen Verständnisse, bey mir oder sonst wo, beysammen zu sehen.
Hier theile ich Ihnen einen lumpigen Brief von Michaelis oder vielmehr nur von seinem Diener mit. Mir däucht es ist daraus klar, daß er nur bloß durch leere Ausflüchte Zeit zu gewinnen sucht. Vielleicht ist er gar nicht einmahl in Hamburg und giebt es nur vor. Doch wenn auch: entschuldigt dieß sein Stillschweigen auf die vorhergehenden Briefe, die ich vor, [5] in, und kurz nach der Messe an ihn geschrieben habe? Hätte er, da ich ihn darin auf die Absendung des Manuskripts vorbereitete, nicht Order zur Zahlung zu Hause lassen können?
Ich hoffe, Sie werden den Brief an Unger schon abgeschickt haben. Dafür, daß Sie bey Wieland den Vorschlag mit der Geßnerschen Buchhandlung betrieben haben, bin ich Ihnen sehr verbunden: indessen habe ich doch meine großen Zweifel, daß sie auf meine Bedingungen, die ich Böttigern kurz aufgezeichnet, eingehen wird, und möchte deswegen die Unterhandlung mit Unger nicht gern aufschieben, der in Leipzig sehr artig gegen mich war und viele Lust zum Sh. bezeugte, aber um Michaelis nicht zu verdrängen, sich nicht eher einlassen wollte, bis dieser gar keine Hoffnung mehr gäbe. – Wenn der Brief noch nicht nach Berlin abgegangen ist, so vergessen sie ihn doch ja nicht mit nächster Post.
[6] Mein eignes Urtheil über Halemʼs neugriechische Dichtungen kann ich Ihnen nicht geben: ich habe noch nicht dazu kommen können, sie zu lesen. Caroline aber und mein Bruder, welche die in den Horen befindlichen gelesen haben, waren nicht sehr erbaut davon, u sagten mir, sie wären nicht neugriechisch, sondern neudeutsch. – Ich habe Halem auch sonst nicht als einen ganz schlechten, aber doch nur eben über das mittelmäßige sich erhebenden Dichter gekannt. – Indessen muß Sie das nicht schlechthin vom Verlage abschrecken: ob es Leser finden wird, können Sie selbst weit besser beurtheilen.
Leben Sie recht wohl. Tausend Grüße an Sie und Ihre Gattin, auch von meiner Familie. Adieu, bester Freund.
AWSchlegel
[4] Jena d. 1: Dec. 1796.
Schlegel
empf. d. 6:
Dec.
[1] Jena d. 1 Dec. 96
Werthester Freund!
Ich habe sogleich das Nöthige aus Ihrer Antwort Schillern mitgetheilt, der vollkommen zufrieden damit ist. Er kann es nicht übel nehmen, daß Sie zu einer gemeinschaftlichen Unternehmung mit Cotta nicht geneigt sind; er ist weit entfernt darauf zu dringen, weil er wohl einsieht, daß vollkommne Harmonie zwischen den Theilhabern ein wesentliches Erforderniß dazu ist. – Daß Sie den Don Carlos, der in der Reihe der Schauspiele den zweyten Band ausmachen wird, noch außerdem mit typographischer Pracht drucken wollen, ist er sehr gern zufrieden, wenn Sie selbst Ihre Rechnung dabey finden. Haben Sie etwa schon Zeichnungen dazu? Mich däucht ich hätte gehört, Ramberg habe eine Anzahl verfertigt.
Wenn Sie einmahl solchen Aufwand für die Erscheinung eines seiner Werke [2] machen wollen, so thut Ihnen Sch. folgenden Vorschlag. Durch das Trauerspiel Wallenstein, welches in Ansehung des Geistes der Zeit eine ganz historische Darstellung seyn soll, ist er zur Geschichte des 30jährigen Krieges zurückgeführt worden, und hat seit einer beträchtlichen Zeit die Quellen derselben gelesen: ein Studium, womit er wohl noch ein halb Jahr fortfahren wird. Da er sich nun, was die Kenntnisse betrifft, so sehr vorgearbeitet hat, so könnte er sich leicht entschließen, seine Gesch. des 30jährigen Krieges wieder vorzunehmen, ganz zu verändern und zu einem vollendeten historischen Gemählde auszuführen. Das neue Werk würde nicht länger, sondern eher in einen kürzern Raum zusammengedrängt werden als das alte: Sch. meynt, es würde alsdann nicht viel länger seyn als der Don Carlos. Wenn er gesund bliebe, könnte er etwa im Sommer 98 an diese Arbeit kommen. – In so fern die Gesch. des 30jähr. Krieges [3] ein Nationalwerk ist, würde es vielleicht noch eher verdienen, als solches auch den Ausländern auf eine imposante Art bekannt gemacht zu werden. Vielleicht ließe sich dabey vortheilhaft auf Frankreich und England spekuliren, da unsre Literatur sich immer mehr in diesen Ländern verbreitet, und Sch. besonders in England einen großen Nahmen hat. – Kupferstiche fielen weg, als ein Zierrath, der für ein historisches Werk nicht paßt: die Schönheit der Ausgabe würde also auf das eigentlich Typographische ganz konzentrirt. – Was meynen Sie dazu, liebster Göschen?
Ich weiß nicht, ob ich Ihnen letzthin meldete, daß Sch. bey einer neuen Ausgabe des Geistersehers, auch das Fragment aus dem zweyten Theil, das in der Thalia gestanden, hinzufügen wollte. Gestern sagte er mir, er dächte es in den ersten Theil einzuflechten, an die Stelle, wohin er es zuerst bestimmt hatte. – Die Fortsetzung [4] müssen wir seiner guten Laune und irgend einem günstigen Anstoße überlassen.
Ich glaube mit Ihnen, daß Sch. besser gethan hätte, sich gleich damahls gegen Sie zu erklären, und Ihnen die Gründe zu sagen, warum er sein Versprechen in Ansehung der Schauspiele für aufgehoben hielt. – Indessen die Sache ist ja nun wieder so weit zurecht gerückt, und ich hoffe Sie beyde noch einmahl in einem freundlichen Verständnisse, bey mir oder sonst wo, beysammen zu sehen.
Hier theile ich Ihnen einen lumpigen Brief von Michaelis oder vielmehr nur von seinem Diener mit. Mir däucht es ist daraus klar, daß er nur bloß durch leere Ausflüchte Zeit zu gewinnen sucht. Vielleicht ist er gar nicht einmahl in Hamburg und giebt es nur vor. Doch wenn auch: entschuldigt dieß sein Stillschweigen auf die vorhergehenden Briefe, die ich vor, [5] in, und kurz nach der Messe an ihn geschrieben habe? Hätte er, da ich ihn darin auf die Absendung des Manuskripts vorbereitete, nicht Order zur Zahlung zu Hause lassen können?
Ich hoffe, Sie werden den Brief an Unger schon abgeschickt haben. Dafür, daß Sie bey Wieland den Vorschlag mit der Geßnerschen Buchhandlung betrieben haben, bin ich Ihnen sehr verbunden: indessen habe ich doch meine großen Zweifel, daß sie auf meine Bedingungen, die ich Böttigern kurz aufgezeichnet, eingehen wird, und möchte deswegen die Unterhandlung mit Unger nicht gern aufschieben, der in Leipzig sehr artig gegen mich war und viele Lust zum Sh. bezeugte, aber um Michaelis nicht zu verdrängen, sich nicht eher einlassen wollte, bis dieser gar keine Hoffnung mehr gäbe. – Wenn der Brief noch nicht nach Berlin abgegangen ist, so vergessen sie ihn doch ja nicht mit nächster Post.
[6] Mein eignes Urtheil über Halemʼs neugriechische Dichtungen kann ich Ihnen nicht geben: ich habe noch nicht dazu kommen können, sie zu lesen. Caroline aber und mein Bruder, welche die in den Horen befindlichen gelesen haben, waren nicht sehr erbaut davon, u sagten mir, sie wären nicht neugriechisch, sondern neudeutsch. – Ich habe Halem auch sonst nicht als einen ganz schlechten, aber doch nur eben über das mittelmäßige sich erhebenden Dichter gekannt. – Indessen muß Sie das nicht schlechthin vom Verlage abschrecken: ob es Leser finden wird, können Sie selbst weit besser beurtheilen.
Leben Sie recht wohl. Tausend Grüße an Sie und Ihre Gattin, auch von meiner Familie. Adieu, bester Freund.
AWSchlegel
[4] Jena d. 1: Dec. 1796.
Schlegel
empf. d. 6:
Dec.
· Abschrift , 01.12.1796
· Deutsche Nationalbibliothek
· 1886/Bö-GS C. Schlegel, A. W. Br. 8
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