• August Wilhelm von Schlegel to Sophie Bernhardi

  • Place of Dispatch: Genf · Place of Destination: Unknown · Date: 06.09.1804 bis 07.09.1804
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Sophie Bernhardi
  • Place of Dispatch: Genf
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 06.09.1804 bis 07.09.1804
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 147‒149.
  • Incipit: „Genf d. 6 Sept. [180]4.
    Ich bin beschämt, geliebte Freundin, Ihnen so lange nicht geschrieben zu haben. Entschuldigen Sie es zum Theil [...]“
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Genf d. 6 Sept. [180]4.
Ich bin beschämt, geliebte Freundin, Ihnen so lange nicht geschrieben zu haben. Entschuldigen Sie es zum Theil mit dem Mistrauen das ich hegte, ob es meinen Briefen gelingen würde, Sie in Böhmen aufzufinden, und ob Sie nicht schon wieder Töplitz würden verlassen haben, wann ein Blatt von mir würde dahin gelangt seyn. Sie haben mir weder die Dauer ihres Aufenthalts gemeldet, noch eine Addresse für diese Zeit gegeben. Indessen habe ich versucht einen Brief an Marie Alberti zu schicken, hoffentlich haben Sie ihn erhalten. Diese Zeilen werden Sie wohl schon wieder in W.[eimar] treffen. Am 9ten August müssen Sie, nach Ihres Bruders Nachrichten abgereist seyn, in Töplitz selbst brachten Sie vermuthlich nur 3 Wochen zu, aber ich weiß nichts davon, wie lange Sie auf der Hin- und Rückreise in Dr.[esden] zu verweilen gedachten. Ihr Bruder hat mir unterdessen treulich geschrieben, am 6ten und 17ten August, mich verlangt aber herzlich nach einem Gruß und Nachrichten von Ihrer Hand. Gestern ist mein Geburtstag gewesen: ob Sie wohl an mich gedacht haben?
Die wichtigste und nächste Neuigkeit, die ich aber schon dem Bildhauer letzthin gemeldet, ist die daß ich meinen Bruder in 3 Wochen spätestens unfehlbar hier erwarte. Er wollte am 17ten September von Cöln abreisen und wußte nur nicht genau, ob er 7, 8 oder 10 Tage unterwegs würde seyn müssen. Er wird noch einige Tage mit uns hier seyn, dann gehen wir im October nach Coppet zurück, und wenn der Herbst so schön bleibt wie er sich jetzt anläßt, so werden wir auf alle Weise das Landleben in der herrlichen Gegend recht genießen. Jetzt spüre ich erst recht den Unterschied des südlicheren Clima, seit mehren Wochen ist es ununterbrochen schönes Wetter, und eine so milde heitre Wärme weiß ich mir um diese Jahrszeit in Deutschland durchaus nicht zu erinnern. Das frühere Reifen der Früchte ist auch sehr angenehm, schon giebt es Weintrauben und Nüsse in Menge. Kommen Sie nur erst nach Süden, Ihnen wird es doppelt süß ankommen, und die kleinen Engel werden sichs auch gefallen lassen.
Wie sehr ich mich darauf freue, Friedrich wieder zu sehen, brauche ich Ihnen nicht zu sagen, auch ist es mir keine geringe Befriedigung, daß ihn so sehnlichst darnach verlangt. Er hat die Zeit her mehr studiert als gedichtet, doch fühlt er wieder das Bedürfniß eine größere Composition zu unternehmen.
Mit dem Italiänischen Reiseplan steht es immer noch so, daß ich die Ausführung als ziemlich gewiß ansehen kann. Die Spannung zwischen Frankreich und Rußland scheint kein Hinderniß machen zu können, höchstens wird sie uns bestimmen, die Reise nach Neapel zu beschleunigen, weil dort am ersten im Falle eines wirklichen Bruchs kriegerische Auftritte vorfallen dürften. Ein Umstand aber, der für jetzt den gänzlichen Aufschub der Reise verursachen würde, wäre es, wenn sich noch vor dem Winter für Fr.[au] v. St.[aël] die Möglichkeit aufthäte nach Paris zurück zu kehren, welche aus vielen Gründen dann sogleich benutzt werden müßte. Nach den Berichten aus Paris ist Aussicht dazu da, es interessiren sich wie es scheint verschiedne Personen von der ersten Bedeutung für die Aufhebung des Exils, doch läßt sich vor der Rückkehr des Kaisers nichts darüber sagen. – Wenn dieß wäre, so sehe ich noch nicht, wie es für jetzt mit unserm Wiedersehen werden soll. Überhaupt habe ich deshalb noch viele Ängstigungen, auch in dem wahrscheinlichern Fall, daß wir nach Italien gehen, weil ich weiß, wie Tiecks Arbeiten von der Art sind, daß sich nicht genau der Zeitpunkt ihrer Fertigung angeben läßt. Doch er wird gewiß mir zu Liebe beschleunigen so sehr er kann.
Die schon aufgegebne Reise in die Savoyischen Alpen ist zufällig noch zu Stande gekommen, ich habe sie nämlich allein ohne die Knaben gemacht. Zwey Holländer, die geübte Alpenbereiser sind, und Blacon den ich Ihnen schon einmal als Freund des Hauses genannt habe, luden mich dringend ein, den noch übrigen 4ten Platz in ihrem Wagen anzunehmen. Es war ein rascher Ausflug nur von 3 Tagen da man sonst gewöhnlich 6 darauf zubringt, freylich haben wir auch nur den betretnen Weg der Reisenden besucht; das wunderschöne Chamounix Thal längs der reißenden Arve hin, von da erstiegen wir den Montanvert, der die Übersicht des sogenannten Eismeers hat, betraten dieses, stiegen herunter zur Quelle des Arveyron, der unten aus diesem Gletscher hervorströmt, aber dießmal keine Eisgrotte hatte, und den nächsten Tag von Chamounix hieher zurück, das ganze Thal durch auf Maulthieren, von Sallanches hieher zu Wagen. Alles dieses hat Knorring vermuthlich gesehen, und wird es Ihnen besser als ich mündlich beschreiben können. An den Montblanc ist dabey noch gar nicht zu denken, so viel man sich mit seinem Steigen einbildet, kriecht man immer nur wie Ameisen an seinem Fuße herum, und wir sahen ihn bey dem heitern Wetter seine unvergleichliche sonnengeröthete Kuppe, als es im Thal schon lange dunkel war, dem Himmel entgegenstrecken. Am meisten aufgefallen sind mir die nackten Granitspitzen die man um den Montanvert herum sieht, und die man Nadeln nennt. Auf dem Reisewege sahen wir ein paar unendlich anmuthige Szenen, die Cascade und den aus einem Bache gebildeten Lac de Chède. – Was Sie bey Dresden die Deutsche Schweiz nennen fällt denn doch gewaltig gegen diese Natur ab.
Mit der näheren Gegend um Genf werde ich auch allmählich vertrauter. Neulich hatten wir bey einer Fahrt aufs Land einen Unfall, der für uns noch so leidlich ablief. Wir fuhren eben rasch mit 4 Pferden als die Achse des Hinterrades brach, und der Kutscher vom Bocke stürzte und sich einen Armknochen zerbrach. Nach dem ersten Schrecken faßte Fr.[au] v. St.[aël] geschwind ihren Entschluß, es war schon spät, die Thore von Genf werden um 10 unwiederruflich geschlossen, da der Kutscher sich nur die Hand verstaucht zu haben glaubte und keiner Hülfe bedurfte, so ließen wir ihn samt dem Postillon der vordern Pferde bey dem Wagen und liefen beynah eine Meile bis zur Stadt, wo wir auch noch glücklich zu rechter Zeit ankamen, da das ganze Haus sonst in großer Unruhe über das Ausbleiben würde gewesen seyn. – Ich hoffe, daß Sie ihre folgenden Reisen mehr ohne Anstoß werden zurückgelegt haben als die erste von Berlin nach Weimar.
d. 7ten Sept. Heute warte ich sehnlich auf einen Brief, den ich aber erst mit einem Boten von Coppet erhalten kann, da dieß hier frühzeitig auf die Post gegeben werden muß. Leben Sie recht wohl, meine theure schwesterliche Freundin, ich umarme die vielgereisten Herzenskinder, die sich ohne Zweifel in Dr.[esden] und Töplitz trefflich werden ergötzt haben. Tausend Grüße an den getreuen Bildhauer. Viele Empfehlungen an Vo[i]gts. Für heute muß ich schließen, wiewohl ich eigentlich noch manches zu schreiben hatte.
Geben Sie mir doch Nachricht von Henriettens Heirath. Es ist mir nicht lieb, daß Sie ein andres Mädchen annehmen müssen. Es wird schwer seyn, zugleich ein so feines und zuverläßiges wieder zu finden.
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Genf d. 6 Sept. [180]4.
Ich bin beschämt, geliebte Freundin, Ihnen so lange nicht geschrieben zu haben. Entschuldigen Sie es zum Theil mit dem Mistrauen das ich hegte, ob es meinen Briefen gelingen würde, Sie in Böhmen aufzufinden, und ob Sie nicht schon wieder Töplitz würden verlassen haben, wann ein Blatt von mir würde dahin gelangt seyn. Sie haben mir weder die Dauer ihres Aufenthalts gemeldet, noch eine Addresse für diese Zeit gegeben. Indessen habe ich versucht einen Brief an Marie Alberti zu schicken, hoffentlich haben Sie ihn erhalten. Diese Zeilen werden Sie wohl schon wieder in W.[eimar] treffen. Am 9ten August müssen Sie, nach Ihres Bruders Nachrichten abgereist seyn, in Töplitz selbst brachten Sie vermuthlich nur 3 Wochen zu, aber ich weiß nichts davon, wie lange Sie auf der Hin- und Rückreise in Dr.[esden] zu verweilen gedachten. Ihr Bruder hat mir unterdessen treulich geschrieben, am 6ten und 17ten August, mich verlangt aber herzlich nach einem Gruß und Nachrichten von Ihrer Hand. Gestern ist mein Geburtstag gewesen: ob Sie wohl an mich gedacht haben?
Die wichtigste und nächste Neuigkeit, die ich aber schon dem Bildhauer letzthin gemeldet, ist die daß ich meinen Bruder in 3 Wochen spätestens unfehlbar hier erwarte. Er wollte am 17ten September von Cöln abreisen und wußte nur nicht genau, ob er 7, 8 oder 10 Tage unterwegs würde seyn müssen. Er wird noch einige Tage mit uns hier seyn, dann gehen wir im October nach Coppet zurück, und wenn der Herbst so schön bleibt wie er sich jetzt anläßt, so werden wir auf alle Weise das Landleben in der herrlichen Gegend recht genießen. Jetzt spüre ich erst recht den Unterschied des südlicheren Clima, seit mehren Wochen ist es ununterbrochen schönes Wetter, und eine so milde heitre Wärme weiß ich mir um diese Jahrszeit in Deutschland durchaus nicht zu erinnern. Das frühere Reifen der Früchte ist auch sehr angenehm, schon giebt es Weintrauben und Nüsse in Menge. Kommen Sie nur erst nach Süden, Ihnen wird es doppelt süß ankommen, und die kleinen Engel werden sichs auch gefallen lassen.
Wie sehr ich mich darauf freue, Friedrich wieder zu sehen, brauche ich Ihnen nicht zu sagen, auch ist es mir keine geringe Befriedigung, daß ihn so sehnlichst darnach verlangt. Er hat die Zeit her mehr studiert als gedichtet, doch fühlt er wieder das Bedürfniß eine größere Composition zu unternehmen.
Mit dem Italiänischen Reiseplan steht es immer noch so, daß ich die Ausführung als ziemlich gewiß ansehen kann. Die Spannung zwischen Frankreich und Rußland scheint kein Hinderniß machen zu können, höchstens wird sie uns bestimmen, die Reise nach Neapel zu beschleunigen, weil dort am ersten im Falle eines wirklichen Bruchs kriegerische Auftritte vorfallen dürften. Ein Umstand aber, der für jetzt den gänzlichen Aufschub der Reise verursachen würde, wäre es, wenn sich noch vor dem Winter für Fr.[au] v. St.[aël] die Möglichkeit aufthäte nach Paris zurück zu kehren, welche aus vielen Gründen dann sogleich benutzt werden müßte. Nach den Berichten aus Paris ist Aussicht dazu da, es interessiren sich wie es scheint verschiedne Personen von der ersten Bedeutung für die Aufhebung des Exils, doch läßt sich vor der Rückkehr des Kaisers nichts darüber sagen. – Wenn dieß wäre, so sehe ich noch nicht, wie es für jetzt mit unserm Wiedersehen werden soll. Überhaupt habe ich deshalb noch viele Ängstigungen, auch in dem wahrscheinlichern Fall, daß wir nach Italien gehen, weil ich weiß, wie Tiecks Arbeiten von der Art sind, daß sich nicht genau der Zeitpunkt ihrer Fertigung angeben läßt. Doch er wird gewiß mir zu Liebe beschleunigen so sehr er kann.
Die schon aufgegebne Reise in die Savoyischen Alpen ist zufällig noch zu Stande gekommen, ich habe sie nämlich allein ohne die Knaben gemacht. Zwey Holländer, die geübte Alpenbereiser sind, und Blacon den ich Ihnen schon einmal als Freund des Hauses genannt habe, luden mich dringend ein, den noch übrigen 4ten Platz in ihrem Wagen anzunehmen. Es war ein rascher Ausflug nur von 3 Tagen da man sonst gewöhnlich 6 darauf zubringt, freylich haben wir auch nur den betretnen Weg der Reisenden besucht; das wunderschöne Chamounix Thal längs der reißenden Arve hin, von da erstiegen wir den Montanvert, der die Übersicht des sogenannten Eismeers hat, betraten dieses, stiegen herunter zur Quelle des Arveyron, der unten aus diesem Gletscher hervorströmt, aber dießmal keine Eisgrotte hatte, und den nächsten Tag von Chamounix hieher zurück, das ganze Thal durch auf Maulthieren, von Sallanches hieher zu Wagen. Alles dieses hat Knorring vermuthlich gesehen, und wird es Ihnen besser als ich mündlich beschreiben können. An den Montblanc ist dabey noch gar nicht zu denken, so viel man sich mit seinem Steigen einbildet, kriecht man immer nur wie Ameisen an seinem Fuße herum, und wir sahen ihn bey dem heitern Wetter seine unvergleichliche sonnengeröthete Kuppe, als es im Thal schon lange dunkel war, dem Himmel entgegenstrecken. Am meisten aufgefallen sind mir die nackten Granitspitzen die man um den Montanvert herum sieht, und die man Nadeln nennt. Auf dem Reisewege sahen wir ein paar unendlich anmuthige Szenen, die Cascade und den aus einem Bache gebildeten Lac de Chède. – Was Sie bey Dresden die Deutsche Schweiz nennen fällt denn doch gewaltig gegen diese Natur ab.
Mit der näheren Gegend um Genf werde ich auch allmählich vertrauter. Neulich hatten wir bey einer Fahrt aufs Land einen Unfall, der für uns noch so leidlich ablief. Wir fuhren eben rasch mit 4 Pferden als die Achse des Hinterrades brach, und der Kutscher vom Bocke stürzte und sich einen Armknochen zerbrach. Nach dem ersten Schrecken faßte Fr.[au] v. St.[aël] geschwind ihren Entschluß, es war schon spät, die Thore von Genf werden um 10 unwiederruflich geschlossen, da der Kutscher sich nur die Hand verstaucht zu haben glaubte und keiner Hülfe bedurfte, so ließen wir ihn samt dem Postillon der vordern Pferde bey dem Wagen und liefen beynah eine Meile bis zur Stadt, wo wir auch noch glücklich zu rechter Zeit ankamen, da das ganze Haus sonst in großer Unruhe über das Ausbleiben würde gewesen seyn. – Ich hoffe, daß Sie ihre folgenden Reisen mehr ohne Anstoß werden zurückgelegt haben als die erste von Berlin nach Weimar.
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Geben Sie mir doch Nachricht von Henriettens Heirath. Es ist mir nicht lieb, daß Sie ein andres Mädchen annehmen müssen. Es wird schwer seyn, zugleich ein so feines und zuverläßiges wieder zu finden.
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