• August Wilhelm von Schlegel to Sophie Bernhardi

  • Place of Dispatch: Genf · Place of Destination: Unknown · Date: 25. September [1804]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Sophie Bernhardi
  • Place of Dispatch: Genf
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 25. September [1804]
  • Notations: Datum (Jahr) erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 157‒159.
  • Incipit: „Genf d. 25sten Sept. [1804]
    Denken Sie sich meinen Verdruß, geliebte Freundin, da ich mich plötzlich außer Stand sehe die in meinem [...]“
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Genf d. 25sten Sept. [1804]
Denken Sie sich meinen Verdruß, geliebte Freundin, da ich mich plötzlich außer Stand sehe die in meinem vorigen Briefe geäusserte Hoffnung wirklich zu machen. Ich hatte mir eine Summe Geldes verschafft, und kaum einiges davon für ganz nothwendige Ausgaben bezahlt, als mir ganz unvermuthet eine Assignation von Fischer auf 150 rth von Sander endossirt, aus einem hiesigen Handelshause präsentirt wurde. Sie nicht anzuerkennen und zu bezahlen war durchaus unmöglich, außer dem Briefe der in W.[eimar] liegt, habe ich seit meiner Abreise von B.[erlin] nicht an Fischer geschrieben, und die Weigerung in Absicht auf eine Summe, die er schon Ostern wieder erhalten sollte, würde das Ansehen gehabt haben, als wollte ich wirklich damit durchgehen. Überdieß ging das Geschäft durch Sanders Hände, und dieser würde nicht ermangelt haben, das nachtheiligste darüber in Berlin zu verbreiten. Fischer muß wohl durch mein Stillschweigen und Nichtzahlen sehr beleidigt gewesen seyn, sonst würde er diesen Weg nicht eingeschlagen haben; ich bin verlegen wie ich ihm schreiben soll, und kann es doch nicht wohl unterlassen.
Die Ängstigung über diese Sache und der Verdruß, der mir heftige Kopfschmerzen zuzog, setzte mich vorigen Posttag außer Stand zu schreiben. Ich weiß nicht nur durchaus kein Mittel Ihren Wunsch zu erfüllen, sondern ich bin auch selbst, da ich so bald nichts wieder zu erwarten habe, in einer sehr beschränkten Lage. Der Himmel gebe, daß Hufeland durch Unger bezahlt worden, worüber ich noch gar keine Nachricht habe, wenn es ihm einfiele denselben Weg einzuschlagen so wäre ich in Todesängsten. Meiner Mutter muß ich nothwendig vor der Abreise nach Italien noch eine kleine Summe schicken, und weiß es kaum zu bewerkstelligen. Auch die Rechnungen vom Schneider und Schuster in B.[erlin] können schwerlich länger warten.
Verzeihen Sie, daß ich Sie so mit meinen Sorgen behellige. Nichts geringeres als die gänzliche Unmöglichkeit kann mich entschuldigen wenn ich in Ihrer gegenwärtigen Lage, die mich mit tausend Sorgen erfüllt, nicht alles zur Erfüllung Ihrer Aufträge herbeyschaffe. Gern will ich es in Zukunft reichlich ersetzen, meine Schulden werden bald abgetragen seyn, und dann kann ich ungetheilt dem theuersten Geschäft angehören, das ich habe, Ihnen das Leben sorgloser und angenehmer zu machen. Seyen Sie nicht böse auf mich, beste Freundin, und melden Sie mir ja unverzüglich, ob die Hülfsquellen der nähern Freunde nicht hinreichen, diese Einbuße für den Augenblick zu ersetzen. Könnten Sie eine Summe aufnehmen, so dürften Sie mich nur als den Schuldner deßhalb ansehn.
Lassen Sie mich nicht vergeblich nach Briefen aussehen, die Antwort auf diesen trifft mich noch zuverläßig in Coppet. Vielleicht bleiben wir sogar länger als bis Ende Octobers dort weil der Geschäfte in Paris wegen die Zurückkunft des Kaisers abgewartet werden muß.
Von meinem Bruder habe ich kurzens einen Brief gehabt, er muß den größten Theil seiner Reise hieher schon zurückgelegt haben, denn er wollte am 16ten abreisen, ich erwarte ihn morgen oder spätestens am Freytage. Wie würde ich mich unsers Wiedersehns freuen, wenn ich nicht Ihrethalb bekümmert wäre.
Die Jahrszeit ist bis jetzt hier unglaublich schön gewesen, erst vorgestern hat sich das Wetter plötzlich zur Kälte umgesetzt. Noch nie habe ich eine so liebliche Temperatur der Luft empfunden, man konnte spät Abends im Mondschein auf der Terrasse spazieren gehn, ohne die mindeste unangenehme Kühle zu spüren. Ich habe diesen Anhauch südlicher Luft in dem Gedanken genossen, wie wohlthätig Ihnen ein wärmerer Himmelstrich seyn wird. Wenn Ihnen nur der bevorstehende Winter erspart werden könnte, an den mich die rauhere Witterung ebenfalls für Sie erinnert.
Zu Ende dieser Woche gehen wir wieder nach Coppet zurück, wo ich das Gespräch meines Bruders in Ruhe zu genießen hoffe. Hier war den gesellschaftlichen Zerstreuungen nicht aus dem Wege zu gehen, besonders da seit einiger Zeit die Herzogin von Curland mit der Herzogin v. Acerenza und dem Gefolge des Prinzen von Belmonte und seiner Brüder hier ist. Fr[au] v. St[aël] mußte ihr die Aufnahme in Berlin erwiedern, sie hat sie also einigemal bey sich in großer Gesellschaft empfangen, und auch andre Größen dazu veranlaßt. Sie können denken, daß mich dieß wenig ergötzt, indessen ist die Herzogin unendlich artig gegen mich, so daß es mir billig schon einige Besuche kostet. Die angenehmste Partie für mich war eine Fahrt auf dem See mit Musik bey dem herrlichsten Wetter, die der Prefet gab. – Wenn Sie in die hiesige Gegend gekommen wären, so hätte ich dieß gewiß für Sie veranstaltet, da ich Ihren Geschmack kenne.
Wenn ich doch Nachricht von Ihrer glücklichen Zurückkunft und Ihrem und der Herzenskinder Wohlbefinden hätte!
Sie haben mir von Henriettens Verheirathung geschrieben; melden Sie mir doch, wann sie weggeht und wie Sie sie ersetzen. Ich wünschte ihr etwas zu schenken, aber ich darf wohl jetzt keinen Auftrag dazu geben. Vielleicht übernimmt es Knorring, wenn er wieder bey Gelde ist; ich bin so noch für eine Kleinigkeit in seiner Schuld.
Wann ist die Herdersche Auction? Es würde mir sehr leid thun, wenn ich nicht einige Spanische Bücher daraus bekommen könnte.
Ich habe noch in aller Eil etwas an Ihren Bruder zu schreiben, das Ihnen nicht unangenehm seyn wird.
Leben Sie tausendmal wohl, ich herze und küsse die lieben Kinder in Gedanken.
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Genf d. 25sten Sept. [1804]
Denken Sie sich meinen Verdruß, geliebte Freundin, da ich mich plötzlich außer Stand sehe die in meinem vorigen Briefe geäusserte Hoffnung wirklich zu machen. Ich hatte mir eine Summe Geldes verschafft, und kaum einiges davon für ganz nothwendige Ausgaben bezahlt, als mir ganz unvermuthet eine Assignation von Fischer auf 150 rth von Sander endossirt, aus einem hiesigen Handelshause präsentirt wurde. Sie nicht anzuerkennen und zu bezahlen war durchaus unmöglich, außer dem Briefe der in W.[eimar] liegt, habe ich seit meiner Abreise von B.[erlin] nicht an Fischer geschrieben, und die Weigerung in Absicht auf eine Summe, die er schon Ostern wieder erhalten sollte, würde das Ansehen gehabt haben, als wollte ich wirklich damit durchgehen. Überdieß ging das Geschäft durch Sanders Hände, und dieser würde nicht ermangelt haben, das nachtheiligste darüber in Berlin zu verbreiten. Fischer muß wohl durch mein Stillschweigen und Nichtzahlen sehr beleidigt gewesen seyn, sonst würde er diesen Weg nicht eingeschlagen haben; ich bin verlegen wie ich ihm schreiben soll, und kann es doch nicht wohl unterlassen.
Die Ängstigung über diese Sache und der Verdruß, der mir heftige Kopfschmerzen zuzog, setzte mich vorigen Posttag außer Stand zu schreiben. Ich weiß nicht nur durchaus kein Mittel Ihren Wunsch zu erfüllen, sondern ich bin auch selbst, da ich so bald nichts wieder zu erwarten habe, in einer sehr beschränkten Lage. Der Himmel gebe, daß Hufeland durch Unger bezahlt worden, worüber ich noch gar keine Nachricht habe, wenn es ihm einfiele denselben Weg einzuschlagen so wäre ich in Todesängsten. Meiner Mutter muß ich nothwendig vor der Abreise nach Italien noch eine kleine Summe schicken, und weiß es kaum zu bewerkstelligen. Auch die Rechnungen vom Schneider und Schuster in B.[erlin] können schwerlich länger warten.
Verzeihen Sie, daß ich Sie so mit meinen Sorgen behellige. Nichts geringeres als die gänzliche Unmöglichkeit kann mich entschuldigen wenn ich in Ihrer gegenwärtigen Lage, die mich mit tausend Sorgen erfüllt, nicht alles zur Erfüllung Ihrer Aufträge herbeyschaffe. Gern will ich es in Zukunft reichlich ersetzen, meine Schulden werden bald abgetragen seyn, und dann kann ich ungetheilt dem theuersten Geschäft angehören, das ich habe, Ihnen das Leben sorgloser und angenehmer zu machen. Seyen Sie nicht böse auf mich, beste Freundin, und melden Sie mir ja unverzüglich, ob die Hülfsquellen der nähern Freunde nicht hinreichen, diese Einbuße für den Augenblick zu ersetzen. Könnten Sie eine Summe aufnehmen, so dürften Sie mich nur als den Schuldner deßhalb ansehn.
Lassen Sie mich nicht vergeblich nach Briefen aussehen, die Antwort auf diesen trifft mich noch zuverläßig in Coppet. Vielleicht bleiben wir sogar länger als bis Ende Octobers dort weil der Geschäfte in Paris wegen die Zurückkunft des Kaisers abgewartet werden muß.
Von meinem Bruder habe ich kurzens einen Brief gehabt, er muß den größten Theil seiner Reise hieher schon zurückgelegt haben, denn er wollte am 16ten abreisen, ich erwarte ihn morgen oder spätestens am Freytage. Wie würde ich mich unsers Wiedersehns freuen, wenn ich nicht Ihrethalb bekümmert wäre.
Die Jahrszeit ist bis jetzt hier unglaublich schön gewesen, erst vorgestern hat sich das Wetter plötzlich zur Kälte umgesetzt. Noch nie habe ich eine so liebliche Temperatur der Luft empfunden, man konnte spät Abends im Mondschein auf der Terrasse spazieren gehn, ohne die mindeste unangenehme Kühle zu spüren. Ich habe diesen Anhauch südlicher Luft in dem Gedanken genossen, wie wohlthätig Ihnen ein wärmerer Himmelstrich seyn wird. Wenn Ihnen nur der bevorstehende Winter erspart werden könnte, an den mich die rauhere Witterung ebenfalls für Sie erinnert.
Zu Ende dieser Woche gehen wir wieder nach Coppet zurück, wo ich das Gespräch meines Bruders in Ruhe zu genießen hoffe. Hier war den gesellschaftlichen Zerstreuungen nicht aus dem Wege zu gehen, besonders da seit einiger Zeit die Herzogin von Curland mit der Herzogin v. Acerenza und dem Gefolge des Prinzen von Belmonte und seiner Brüder hier ist. Fr[au] v. St[aël] mußte ihr die Aufnahme in Berlin erwiedern, sie hat sie also einigemal bey sich in großer Gesellschaft empfangen, und auch andre Größen dazu veranlaßt. Sie können denken, daß mich dieß wenig ergötzt, indessen ist die Herzogin unendlich artig gegen mich, so daß es mir billig schon einige Besuche kostet. Die angenehmste Partie für mich war eine Fahrt auf dem See mit Musik bey dem herrlichsten Wetter, die der Prefet gab. – Wenn Sie in die hiesige Gegend gekommen wären, so hätte ich dieß gewiß für Sie veranstaltet, da ich Ihren Geschmack kenne.
Wenn ich doch Nachricht von Ihrer glücklichen Zurückkunft und Ihrem und der Herzenskinder Wohlbefinden hätte!
Sie haben mir von Henriettens Verheirathung geschrieben; melden Sie mir doch, wann sie weggeht und wie Sie sie ersetzen. Ich wünschte ihr etwas zu schenken, aber ich darf wohl jetzt keinen Auftrag dazu geben. Vielleicht übernimmt es Knorring, wenn er wieder bey Gelde ist; ich bin so noch für eine Kleinigkeit in seiner Schuld.
Wann ist die Herdersche Auction? Es würde mir sehr leid thun, wenn ich nicht einige Spanische Bücher daraus bekommen könnte.
Ich habe noch in aller Eil etwas an Ihren Bruder zu schreiben, das Ihnen nicht unangenehm seyn wird.
Leben Sie tausendmal wohl, ich herze und küsse die lieben Kinder in Gedanken.
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