• Caroline von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Braunschweig · Place of Destination: Berlin · Date: [24. Februar 1801]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Caroline von Schelling
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Braunschweig
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: [24. Februar 1801]
  • Notations: Datum sowie Absende- und Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 370516575
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 43‒47 u. S. 604 (Kommentar).
  • Incipit: „[Braunschweig] Dienstag Nachmittag [24. Februar 1801].
    Alles hab ich besorgt, was auf dem Zettel stand und nicht stand, jedem ist das seine [...]“
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[Braunschweig] Dienstag Nachmittag [24. Februar 1801].
Alles hab ich besorgt, was auf dem Zettel stand und nicht stand, jedem ist das seine hingetragen, und Dir das Deine eingepackt, ich hoffe, ich hab es gut gemacht. Was hätte ich auch wohl für eine andre Erheiterung gehabt seit Sonnabend früh? Anfangs ergötzte ich mich an dem blauen Reisewetter, aber in der Nacht kam der gewaltige Thauwind und wüthete so gegen meine Fenster, daß ich Rosen aufstehen und alle Bücher weg nehmen lassen muste, die schon naß geworden waren. Dieß wird Dich nun sehr ängstigen, fast so sehr wie mich der Sturm für Deine Reise, aber sorge nicht, sie sind alle wieder trocken, und Du ‒ heute, denk ich ‒ nach einiger Langeweile glücklich in Berlin angelangt. Ich habe an Deine Mutter geschrieben, an Tischbeins, denen ich das Bild und Kleid geschickt; ich habe die ganze ALZ. durchgelesen ‒ Du wirst die Früchte davon sehn. Eins thut mir nur leid ‒ daß keine stärkere Ausbeute von Fragmenten bey Dir aufzutreiben war. Das Gute und Witzige geht allineins fort vermuthlich, es sind keine Stellen herauszuschneiden. Du kannst Dich auch auf mich verlassen, und die Mühe Dir ersparen etwa nochmals zu suchen, was ich nicht gefunden habe.
Ich bin recht müde und matt (auch vom Packen; das Bild diesen Morgen machte mir viel Mühe), ich stehe mit Kopfweh auf und habe Nasenbluten, aber das schlimmste ist, was ich nicht mehr habe ‒ Du weißt es, Wilhelm.
Eine kleine Kurzweil muß ich Dir mittheilen. Madame de Sierstorf ließ uns sämmtlich auf gestern zum dejeuner einladen und ihren Wagen anbieten. Luise und ich warfen uns also in Hoftrauer, und wie der Wagen kam, saß eine Unbekannte drin, die sich aber schleunigst bekannt zu machen suchte. Entsinnst Du Dich wohl unter allerley kleinen Verschen den Namen Susanne Bandemer geb. Franklin gesehn zu haben? Mir fiel es gleich ein, wie sie sagte: ich bin Frau von Bandemer, komme von Offenbach und gehe nach Berlin usw. Nun war geschwind die la Roche bey der Hand und ein halb Dutzend andre ehrwürdige und vortreffliche Personen. Ich wollte doch auch vortreflich thun und ließ mich also verlauten, ich glaubte fast, ihr Namen sey mir nicht fremd. ‒ O mein Gott ja, das glaub ich wohl, da ich doch so verschiedne Kleinigkeiten der Welt ‒ nicht habe entziehn können ‒ Wir kamen denn bey der Sierstorf an (die bis zur Innigkeit höflich gegen mich war ‒ im Vorbeygehn), und nun ging das Schauspiel an. Die S. sagte der Bandemer: Frau von Haugwitz (die Frau des preußischen Ministers) wäre hier, hätte gehört, daß sie durchreißte, und würde kommen um sie zu sprechen. Hierüber gerieth die Dichterin ganz außer sich, und nun kam denn die Frau von Haugwitz und nun gab es Fadität und Subalternität, und Importanz und Empfindsamkeit, ich amüsirte mich wie bey dem besten französischen kleinen Lustspiel. Die Haugwitz schien mir aber doch etwas klüger und mehr so versessen auf die berühmte Dame zu seyn, weil sie ihre Familie, ihre Abenteuer und Gott weiß was kannte. Die Bandemer zog bald ein Pack heraus von Scripturen und las uns erst einen Brief von Wieland vor, an die la Roche, über den Tod von Sophie Brentano. Der Schmerz selber hatte ihm nur Gemeinplätze ablocken können, es war nicht ein individuelles Wort zu hören. Nun kam sie an ihr eigen Machwerk ‒ eine Säkulumsfeyer des preußischen Throns ‒ ein Verschen auf einen Clavierspieler, der im blauen Engel mit ihr ißt, und dergl. Kleine Intermezzos machten die Sache noch bunter, eine unschuldige kleine Pastorentochter aus der Stadt kam auf Erlaubniß der Sierstorf um auch die Susanne kennen zu lernen; ach sie hatte so viel von ihr gehört, denn ihr Onkel äße auch mit ihr im blauen Engel, und da brächten sie ja so herrliche Abende zu, da wären Mlle. Kirchgeßner und die Harmonie der Sphären und da sollten sie ja alle überselig seyn. Denk Dir das verfluchte Zeug. Die Sierstorf sprach eigentlich nur mit Luise und mir. Ich kont es natürlich nicht lassen mich etwas trocken und bescheiden dazwischen zu mokiren. Erkundige Dich doch nach der Haugwitz. Die S. erzählte mir, sie würde sich von ihrem Gemahl trennen aller Wahrscheinlichkeit nach.
Da ich dies gegen die Bandemer beym Nachhausfahren erwähnte, wurde sie sehr bestürzt ‒ dann verlöre die Haugwitz ja allen Einfluß ‒ kurz es wurde ganz klar, was die Poetin suchte, Unterstützung, Subscription und niederträchtiglich vornehme Bekantschaften. Sie lallete etwas von Dir, aber ich will verlohren seyn, wenn sie mehr wie läuten gehört hat, das wußte sie, eurer wären zwey. Vielleicht trifst Du sie, übrigens ist sie schon Grosmama.
Sie scheint sich über Halberstadt und Magdeburg hinrekommandiren zu lassen, und allenthalben so lange zu bleiben, als man sie einladet. ‒
Ich habe unten einige Stunden enge Luft genossen. Die Wiedemannischen waren da, gestern Nachmittag besuchte mich die Roosen und die artigen Krausens waren bey Luise. Die Fauche ist auch unten und läßt Dich grüßen. Madame de N[uys] hat sich von Anetti mahlen lassen, man weiß nicht, wo das Bild hingekommen ist, und vermuthet, Du hättest es mitbekommen. Ist es wahr? Bekam es mein lieber Schlegel? Aber wenn Du Dich in Berlin mahlen lässest, dann ist sie es nicht, die das Bild bekomt.
Hr. von Bodé kam auch noch Dich zu besuchen.
Gern hätte ich Dir über Cottas Taschenbuch etwas mitgeschickt, aber mein Kopf war so schwer; ich will es nicht vergessen.
Der Kasten, in welchem ich Dir Deine Sachen schicke, ist der nehmliche, den Wiedemann in Jena machen ließ, wir bezahlen ihn nun auf eigne Rechnung, und ich denke, er dient Dir allenfals auch von Berlin nach Jena. Emma hat alle Packete mit mir gemacht und oft die Treppe hinauf gewollt.
–––––
nach Tisch.
Ich bekomme in diesem Augenblick noch zwey Briefe für Dich, aber der Kasten ist zugenagelt; ich kann mir nicht anders helfen als von beyden die Couverte herunter machen, da ich am Pettschaft sehe, sie sind von Fiorillo ‒ gut, ich habe mir das Herz genommen und wohl gethan. Das eine ist die Schrift des jungen Fiorillo ‒ das andre einliegender Brief von ihm ‒ vielleicht beantworte ich ihn vors erste mit ein paar Zeilen um den jungen Mann aufzumuntern, daß er nur thun soll, was er sich vorsetzt, und Du vorschlagen wolltest. Hast Du noch viel Manusscript mit? ‒ Das Buch kann ja füglich hier liegen bleiben.
Schelling schreibt mir auch mancherley und hat mir das Lied geschickt; ich schreib es Dir nächstens ab, heute kann ich nicht mehr.
Er schreibt mir von Fichtens Ankündigung ‒ Du wirst sie nun bekommen können und ich möchte wohl etwas von Dir darüber hören.
Überhaupt ich lebe der Zuversicht, Du wirst mir viel interressantes schreiben, mehr als ich jetzt erwiedern kann. Meine Briefe werden zuweilen nur die reine Form seyn, wenn ich nicht so tief schöpfen will, daß ich Dich betrübe. Adieu, schlafe recht wohl. Du freust Dich doch ein wenig Deines neuen Aufenthalts? Mir ist weh und bange hier, aber doch ohne die mindeste Lust mich herauszureißen. Schreib nur oft.
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[Braunschweig] Dienstag Nachmittag [24. Februar 1801].
Alles hab ich besorgt, was auf dem Zettel stand und nicht stand, jedem ist das seine hingetragen, und Dir das Deine eingepackt, ich hoffe, ich hab es gut gemacht. Was hätte ich auch wohl für eine andre Erheiterung gehabt seit Sonnabend früh? Anfangs ergötzte ich mich an dem blauen Reisewetter, aber in der Nacht kam der gewaltige Thauwind und wüthete so gegen meine Fenster, daß ich Rosen aufstehen und alle Bücher weg nehmen lassen muste, die schon naß geworden waren. Dieß wird Dich nun sehr ängstigen, fast so sehr wie mich der Sturm für Deine Reise, aber sorge nicht, sie sind alle wieder trocken, und Du ‒ heute, denk ich ‒ nach einiger Langeweile glücklich in Berlin angelangt. Ich habe an Deine Mutter geschrieben, an Tischbeins, denen ich das Bild und Kleid geschickt; ich habe die ganze ALZ. durchgelesen ‒ Du wirst die Früchte davon sehn. Eins thut mir nur leid ‒ daß keine stärkere Ausbeute von Fragmenten bey Dir aufzutreiben war. Das Gute und Witzige geht allineins fort vermuthlich, es sind keine Stellen herauszuschneiden. Du kannst Dich auch auf mich verlassen, und die Mühe Dir ersparen etwa nochmals zu suchen, was ich nicht gefunden habe.
Ich bin recht müde und matt (auch vom Packen; das Bild diesen Morgen machte mir viel Mühe), ich stehe mit Kopfweh auf und habe Nasenbluten, aber das schlimmste ist, was ich nicht mehr habe ‒ Du weißt es, Wilhelm.
Eine kleine Kurzweil muß ich Dir mittheilen. Madame de Sierstorf ließ uns sämmtlich auf gestern zum dejeuner einladen und ihren Wagen anbieten. Luise und ich warfen uns also in Hoftrauer, und wie der Wagen kam, saß eine Unbekannte drin, die sich aber schleunigst bekannt zu machen suchte. Entsinnst Du Dich wohl unter allerley kleinen Verschen den Namen Susanne Bandemer geb. Franklin gesehn zu haben? Mir fiel es gleich ein, wie sie sagte: ich bin Frau von Bandemer, komme von Offenbach und gehe nach Berlin usw. Nun war geschwind die la Roche bey der Hand und ein halb Dutzend andre ehrwürdige und vortreffliche Personen. Ich wollte doch auch vortreflich thun und ließ mich also verlauten, ich glaubte fast, ihr Namen sey mir nicht fremd. ‒ O mein Gott ja, das glaub ich wohl, da ich doch so verschiedne Kleinigkeiten der Welt ‒ nicht habe entziehn können ‒ Wir kamen denn bey der Sierstorf an (die bis zur Innigkeit höflich gegen mich war ‒ im Vorbeygehn), und nun ging das Schauspiel an. Die S. sagte der Bandemer: Frau von Haugwitz (die Frau des preußischen Ministers) wäre hier, hätte gehört, daß sie durchreißte, und würde kommen um sie zu sprechen. Hierüber gerieth die Dichterin ganz außer sich, und nun kam denn die Frau von Haugwitz und nun gab es Fadität und Subalternität, und Importanz und Empfindsamkeit, ich amüsirte mich wie bey dem besten französischen kleinen Lustspiel. Die Haugwitz schien mir aber doch etwas klüger und mehr so versessen auf die berühmte Dame zu seyn, weil sie ihre Familie, ihre Abenteuer und Gott weiß was kannte. Die Bandemer zog bald ein Pack heraus von Scripturen und las uns erst einen Brief von Wieland vor, an die la Roche, über den Tod von Sophie Brentano. Der Schmerz selber hatte ihm nur Gemeinplätze ablocken können, es war nicht ein individuelles Wort zu hören. Nun kam sie an ihr eigen Machwerk ‒ eine Säkulumsfeyer des preußischen Throns ‒ ein Verschen auf einen Clavierspieler, der im blauen Engel mit ihr ißt, und dergl. Kleine Intermezzos machten die Sache noch bunter, eine unschuldige kleine Pastorentochter aus der Stadt kam auf Erlaubniß der Sierstorf um auch die Susanne kennen zu lernen; ach sie hatte so viel von ihr gehört, denn ihr Onkel äße auch mit ihr im blauen Engel, und da brächten sie ja so herrliche Abende zu, da wären Mlle. Kirchgeßner und die Harmonie der Sphären und da sollten sie ja alle überselig seyn. Denk Dir das verfluchte Zeug. Die Sierstorf sprach eigentlich nur mit Luise und mir. Ich kont es natürlich nicht lassen mich etwas trocken und bescheiden dazwischen zu mokiren. Erkundige Dich doch nach der Haugwitz. Die S. erzählte mir, sie würde sich von ihrem Gemahl trennen aller Wahrscheinlichkeit nach.
Da ich dies gegen die Bandemer beym Nachhausfahren erwähnte, wurde sie sehr bestürzt ‒ dann verlöre die Haugwitz ja allen Einfluß ‒ kurz es wurde ganz klar, was die Poetin suchte, Unterstützung, Subscription und niederträchtiglich vornehme Bekantschaften. Sie lallete etwas von Dir, aber ich will verlohren seyn, wenn sie mehr wie läuten gehört hat, das wußte sie, eurer wären zwey. Vielleicht trifst Du sie, übrigens ist sie schon Grosmama.
Sie scheint sich über Halberstadt und Magdeburg hinrekommandiren zu lassen, und allenthalben so lange zu bleiben, als man sie einladet. ‒
Ich habe unten einige Stunden enge Luft genossen. Die Wiedemannischen waren da, gestern Nachmittag besuchte mich die Roosen und die artigen Krausens waren bey Luise. Die Fauche ist auch unten und läßt Dich grüßen. Madame de N[uys] hat sich von Anetti mahlen lassen, man weiß nicht, wo das Bild hingekommen ist, und vermuthet, Du hättest es mitbekommen. Ist es wahr? Bekam es mein lieber Schlegel? Aber wenn Du Dich in Berlin mahlen lässest, dann ist sie es nicht, die das Bild bekomt.
Hr. von Bodé kam auch noch Dich zu besuchen.
Gern hätte ich Dir über Cottas Taschenbuch etwas mitgeschickt, aber mein Kopf war so schwer; ich will es nicht vergessen.
Der Kasten, in welchem ich Dir Deine Sachen schicke, ist der nehmliche, den Wiedemann in Jena machen ließ, wir bezahlen ihn nun auf eigne Rechnung, und ich denke, er dient Dir allenfals auch von Berlin nach Jena. Emma hat alle Packete mit mir gemacht und oft die Treppe hinauf gewollt.
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nach Tisch.
Ich bekomme in diesem Augenblick noch zwey Briefe für Dich, aber der Kasten ist zugenagelt; ich kann mir nicht anders helfen als von beyden die Couverte herunter machen, da ich am Pettschaft sehe, sie sind von Fiorillo ‒ gut, ich habe mir das Herz genommen und wohl gethan. Das eine ist die Schrift des jungen Fiorillo ‒ das andre einliegender Brief von ihm ‒ vielleicht beantworte ich ihn vors erste mit ein paar Zeilen um den jungen Mann aufzumuntern, daß er nur thun soll, was er sich vorsetzt, und Du vorschlagen wolltest. Hast Du noch viel Manusscript mit? ‒ Das Buch kann ja füglich hier liegen bleiben.
Schelling schreibt mir auch mancherley und hat mir das Lied geschickt; ich schreib es Dir nächstens ab, heute kann ich nicht mehr.
Er schreibt mir von Fichtens Ankündigung ‒ Du wirst sie nun bekommen können und ich möchte wohl etwas von Dir darüber hören.
Überhaupt ich lebe der Zuversicht, Du wirst mir viel interressantes schreiben, mehr als ich jetzt erwiedern kann. Meine Briefe werden zuweilen nur die reine Form seyn, wenn ich nicht so tief schöpfen will, daß ich Dich betrübe. Adieu, schlafe recht wohl. Du freust Dich doch ein wenig Deines neuen Aufenthalts? Mir ist weh und bange hier, aber doch ohne die mindeste Lust mich herauszureißen. Schreib nur oft.
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