• August Wilhelm von Schlegel to Sophie Bernhardi

  • Place of Dispatch: Coppet · Place of Destination: Unknown · Date: 16.10.1804
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Sophie Bernhardi
  • Place of Dispatch: Coppet
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 16.10.1804
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 166‒168.
  • Incipit: „Coppet d. 16 Oct. [180]4.
    Ihr langer Brief aus Dresden, meine geliebte Freundin, ist ziemlich lange unterwegs gewesen, und dann haben sich [...]“
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Coppet d. 16 Oct. [180]4.
Ihr langer Brief aus Dresden, meine geliebte Freundin, ist ziemlich lange unterwegs gewesen, und dann haben sich verschiedne Umstände verschworen, mich mit der Antwort und Besorgung Ihres Auftrags an den ältesten Bruder zu schreiben, einige Posttage versäumen zu lassen. Wir sind unterdessen von Genf wieder aufs Land gezogen, was mir viele Abschiedsbesuche gekostet, und Unruhe verursacht hat; dann war ich ängstlich wegen der verzögerten Ankunft meines Bruders, und nach derselben natürlich die ersten Tage sehr mit ihm beschäftigt, viel Gesellschaft ist diese Zeit auch hier gewesen, da die Herzogin von Curland immer noch in Genf ist; ein Paar Tage habe ich einen Rheumatismus gehabt, der mich am Schreiben hinderte, und am vorigen Posttage wurde ich mit dem inliegenden Briefe an Ihren Bruder nur um eine Viertelstunde zu spät fertig. Ich glaubte es wäre Ihnen lieber, ihn etwas später zu erhalten als wenn ich ihn übereilte, und so habe ich ihn mit aller möglichen Besonnenheit geschrieben, und hoffe Sie werden damit zufrieden seyn. Es hätte sich noch weit mehr sagen lassen, aber ich denke das gegenwärtige ist mehr als hinreichend, und wo fände man ein Ende, wenn man Bernh.[ardi]s Schlechtigkeiten ganz erschöpfen wollte? Ich sende Ihnen den Brief offen damit Sie nach Belieben Gebrauch davon machen, oder ihn zurückbehalten können.
Von Ihrem Bruder aus Weimar habe ich einen Brief vom 24 September gehabt, aber ohne Nachricht von Ihnen, ich sehe nun mit Verlangen der von Ihrer Rückkehr nach Weimar entgegen. Nach dem was Sie mir von B.[ernhardi]s Lebensart melden, glaube ich schwerlich, daß er Sie dort heimsuchen wird, er scheint ganz versunken, und ist wahrscheinlich auch beständig in oekonomischen Verlegenheiten.
Die wiederhohlte Erwähnung des Auftrags, den ich zu erfüllen, durch die an Fischer bezahlte Schuld von 150 rth außer Stand gesetzt wurde, hat mich von neuem bekümmert. Ich wäre untröstlich, wenn Sie mich des geringsten Nachlassens in meinem Eifer auch nur auf kurze Zeit verdächtig hielten; denn für die Folge hoffe ich dieß freylich genugsam zu wiederlegen. Ich habe jetzt einige Hoffnung, vor der Abreise nach Italien noch wieder in besseren Umständen zu seyn, und dann schicke ich, soviel ich nur irgend erübrigen kann. Etwas werde ich leider noch für die Schulden in Berlin thun müssen. Wenn ich erst damit in Ordnung bin, dann habe ich ganz freye Hand, und Sie sollen gewiß mit der ununterbrochnen Fortdauer meiner Sorge auch in der weitesten Entfernung zufrieden seyn.
Pflegen Sie mir Ihre Gesundheit recht, und entschlagen Sie sich der ängstlichen Gedanken. Was Ihre Verhältnisse mit B.[ernhardi] betrifft, so stehen ja alle Ihre Freunde für Einen Mann, und die Festigkeit Ihrer eignen Entschlüsse muß Ihnen zur größten Beruhigung dienen. Bald wird die Freude an dem schönen Gedeihen Ihrer Kinder, an der Zärtlichkeit Ihrer Brüder, an jeder freundschaftlichen Theilnahme, endlich an dem Genusse eines schöneren Himmels und einer erheiternden Umgebung ganz rein und ungetrübt [seyn]. Der Himmel gebe nur einen gelinden Winter, bey allem schlimmen Wetter denke ich immer, ob es Sie nicht unangenehm trifft. Um die hiesige Gegend nach meinem frühern Vorschlage nach Wunsch zu genießen, hätten Sie freylich den September hier zubringen müssen, der unvergleichlich schön war, seit dem Anfange des Octobers ist meistens rauhe Luft und Regenwetter gewesen, und auf den entferntern Bergen uns gegenüber liegt schon viel Schnee. Ich besorge, unsre Reise über die Alpen wird ziemlich in die schlimmste Jahrszeit fallen, da sie sich bis gegen die Mitte Novembers zu verzögern scheint. Fr[au] v. St.[aël] muß wegen ihrer Parisischen Angelegenheiten die Rückkehr des Kaisers in Paris und die Krönung abwarten. Mein Bruder bleibt vermuthlich eben so lange mit uns hier, und geht dann über Paris nach Cöln zurück. Er hat hieher eine lange und verdrießliche Reise gehabt, da durch den Besuch des Kaisers in jenen Gegenden viel unwillkührlicher Aufenthalt verursacht wurde. Ich rechne es ihm als einen wahren Beweis von Freundschaft an, daß er die 90 Meilen und so viel Beschwerde und Zeitverlust nicht gescheut, um mich wiederzusehen. Auch können Sie sich denken daß unsre Freude sehr lebhaft war. Er ist gesund, und ziemlich stark geworden, jedoch keinesweges wie durch Unmäßigkeit oder Trägheit, sondern bloß aus Fülle der Kräfte. Er gefällt sich hier sehr in unserm Zirkel, und ich darf hinzufügen er gefällt auch selbst außerordentlich. In Cöln scheint er sich einen schönen Wirkungskreis gebildet zu haben, die altdeutsch- und frommgesinnten Leute dort, auch die Geistlichkeit, haben ein großes Zutrauen zu ihm, und er möchte sich wohl ganz da ansiedeln. Die Stadt ist in Rücksicht auf altdeutsche Kunst, Sitte und historische Erinnerungen unendlich viel merkwürdiger als es auswärts bekannt ist; besonders rühmt mein Bruder die Menge vortrefflicher Kirchlicher Gemählde von der alten Schule, und behauptet Ihr ältester Bruder würde gar nicht wieder wegwollen, wenn er Cöln einmal gesehn hätte.
Im Indischen hat er viel gearbeitet, und darüber die interessante[ste]n Aufschlüsse über die Verwandschaft der Sprachen, die Urgeschichte des Menschengeschlechts und die ältesten Offenbarungen geschöpft. Das 4te Stück der Europa wird nächstens erscheinen und vieles über die Kunstsachen in Cöln enthalten. Seinen Lessing hat er mir mitgebracht, lesen Sie doch ja, was er dabey geschrieben.
Leben Sie recht wohl, und wenn Sie wollen, daß mich Ihre Antwort noch hier treffen soll, so schreiben Sie ja bald, und vergelten Sie mir meine unwillkührliche Verzögerung nicht.
Ich herze die Engelskinder mit der innigsten Liebe, ich bitte Sie Knorring freundschaftlichst zu grüssen. An Fr.[iedrich] Tieck will ich in Eil noch einige Zeilen schreiben.
Daß ich in Ansehung meines Bruders Ihre Erinnerung auf das gewissenhafteste beobachte versteht sich von selbst.
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Coppet d. 16 Oct. [180]4.
Ihr langer Brief aus Dresden, meine geliebte Freundin, ist ziemlich lange unterwegs gewesen, und dann haben sich verschiedne Umstände verschworen, mich mit der Antwort und Besorgung Ihres Auftrags an den ältesten Bruder zu schreiben, einige Posttage versäumen zu lassen. Wir sind unterdessen von Genf wieder aufs Land gezogen, was mir viele Abschiedsbesuche gekostet, und Unruhe verursacht hat; dann war ich ängstlich wegen der verzögerten Ankunft meines Bruders, und nach derselben natürlich die ersten Tage sehr mit ihm beschäftigt, viel Gesellschaft ist diese Zeit auch hier gewesen, da die Herzogin von Curland immer noch in Genf ist; ein Paar Tage habe ich einen Rheumatismus gehabt, der mich am Schreiben hinderte, und am vorigen Posttage wurde ich mit dem inliegenden Briefe an Ihren Bruder nur um eine Viertelstunde zu spät fertig. Ich glaubte es wäre Ihnen lieber, ihn etwas später zu erhalten als wenn ich ihn übereilte, und so habe ich ihn mit aller möglichen Besonnenheit geschrieben, und hoffe Sie werden damit zufrieden seyn. Es hätte sich noch weit mehr sagen lassen, aber ich denke das gegenwärtige ist mehr als hinreichend, und wo fände man ein Ende, wenn man Bernh.[ardi]s Schlechtigkeiten ganz erschöpfen wollte? Ich sende Ihnen den Brief offen damit Sie nach Belieben Gebrauch davon machen, oder ihn zurückbehalten können.
Von Ihrem Bruder aus Weimar habe ich einen Brief vom 24 September gehabt, aber ohne Nachricht von Ihnen, ich sehe nun mit Verlangen der von Ihrer Rückkehr nach Weimar entgegen. Nach dem was Sie mir von B.[ernhardi]s Lebensart melden, glaube ich schwerlich, daß er Sie dort heimsuchen wird, er scheint ganz versunken, und ist wahrscheinlich auch beständig in oekonomischen Verlegenheiten.
Die wiederhohlte Erwähnung des Auftrags, den ich zu erfüllen, durch die an Fischer bezahlte Schuld von 150 rth außer Stand gesetzt wurde, hat mich von neuem bekümmert. Ich wäre untröstlich, wenn Sie mich des geringsten Nachlassens in meinem Eifer auch nur auf kurze Zeit verdächtig hielten; denn für die Folge hoffe ich dieß freylich genugsam zu wiederlegen. Ich habe jetzt einige Hoffnung, vor der Abreise nach Italien noch wieder in besseren Umständen zu seyn, und dann schicke ich, soviel ich nur irgend erübrigen kann. Etwas werde ich leider noch für die Schulden in Berlin thun müssen. Wenn ich erst damit in Ordnung bin, dann habe ich ganz freye Hand, und Sie sollen gewiß mit der ununterbrochnen Fortdauer meiner Sorge auch in der weitesten Entfernung zufrieden seyn.
Pflegen Sie mir Ihre Gesundheit recht, und entschlagen Sie sich der ängstlichen Gedanken. Was Ihre Verhältnisse mit B.[ernhardi] betrifft, so stehen ja alle Ihre Freunde für Einen Mann, und die Festigkeit Ihrer eignen Entschlüsse muß Ihnen zur größten Beruhigung dienen. Bald wird die Freude an dem schönen Gedeihen Ihrer Kinder, an der Zärtlichkeit Ihrer Brüder, an jeder freundschaftlichen Theilnahme, endlich an dem Genusse eines schöneren Himmels und einer erheiternden Umgebung ganz rein und ungetrübt [seyn]. Der Himmel gebe nur einen gelinden Winter, bey allem schlimmen Wetter denke ich immer, ob es Sie nicht unangenehm trifft. Um die hiesige Gegend nach meinem frühern Vorschlage nach Wunsch zu genießen, hätten Sie freylich den September hier zubringen müssen, der unvergleichlich schön war, seit dem Anfange des Octobers ist meistens rauhe Luft und Regenwetter gewesen, und auf den entferntern Bergen uns gegenüber liegt schon viel Schnee. Ich besorge, unsre Reise über die Alpen wird ziemlich in die schlimmste Jahrszeit fallen, da sie sich bis gegen die Mitte Novembers zu verzögern scheint. Fr[au] v. St.[aël] muß wegen ihrer Parisischen Angelegenheiten die Rückkehr des Kaisers in Paris und die Krönung abwarten. Mein Bruder bleibt vermuthlich eben so lange mit uns hier, und geht dann über Paris nach Cöln zurück. Er hat hieher eine lange und verdrießliche Reise gehabt, da durch den Besuch des Kaisers in jenen Gegenden viel unwillkührlicher Aufenthalt verursacht wurde. Ich rechne es ihm als einen wahren Beweis von Freundschaft an, daß er die 90 Meilen und so viel Beschwerde und Zeitverlust nicht gescheut, um mich wiederzusehen. Auch können Sie sich denken daß unsre Freude sehr lebhaft war. Er ist gesund, und ziemlich stark geworden, jedoch keinesweges wie durch Unmäßigkeit oder Trägheit, sondern bloß aus Fülle der Kräfte. Er gefällt sich hier sehr in unserm Zirkel, und ich darf hinzufügen er gefällt auch selbst außerordentlich. In Cöln scheint er sich einen schönen Wirkungskreis gebildet zu haben, die altdeutsch- und frommgesinnten Leute dort, auch die Geistlichkeit, haben ein großes Zutrauen zu ihm, und er möchte sich wohl ganz da ansiedeln. Die Stadt ist in Rücksicht auf altdeutsche Kunst, Sitte und historische Erinnerungen unendlich viel merkwürdiger als es auswärts bekannt ist; besonders rühmt mein Bruder die Menge vortrefflicher Kirchlicher Gemählde von der alten Schule, und behauptet Ihr ältester Bruder würde gar nicht wieder wegwollen, wenn er Cöln einmal gesehn hätte.
Im Indischen hat er viel gearbeitet, und darüber die interessante[ste]n Aufschlüsse über die Verwandschaft der Sprachen, die Urgeschichte des Menschengeschlechts und die ältesten Offenbarungen geschöpft. Das 4te Stück der Europa wird nächstens erscheinen und vieles über die Kunstsachen in Cöln enthalten. Seinen Lessing hat er mir mitgebracht, lesen Sie doch ja, was er dabey geschrieben.
Leben Sie recht wohl, und wenn Sie wollen, daß mich Ihre Antwort noch hier treffen soll, so schreiben Sie ja bald, und vergelten Sie mir meine unwillkührliche Verzögerung nicht.
Ich herze die Engelskinder mit der innigsten Liebe, ich bitte Sie Knorring freundschaftlichst zu grüssen. An Fr.[iedrich] Tieck will ich in Eil noch einige Zeilen schreiben.
Daß ich in Ansehung meines Bruders Ihre Erinnerung auf das gewissenhafteste beobachte versteht sich von selbst.
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