• Elisabeth Wilhelmine van Nuys to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Wien · Place of Destination: Unknown · Date: 08.03.1809
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Elisabeth Wilhelmine van Nuys
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Wien
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 08.03.1809
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 19‒20.
  • Incipit: „[1] W[ien] März 8 – [180]9
    Keine Spur der Theilnahme von dem M[anne] dessen ganzes Wesen ich dem meinen befreundet glaubte daß [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-7
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,22,11
  • Number of Pages: 8 S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 19,1 x 11,6 cm
[1] W[ien] März 8 – [180]9
Keine Spur der Theilnahme von dem M[anne] dessen ganzes Wesen ich dem meinen befreundet glaubte daß erwartete ich nicht – und dennoch muß ich es sagen, klagen, fragen weshalb jeder Ueberzeugung der Erinerung schon so lange entsagt ward – diese Frage – verräth sie nicht die Stimung des innersten Gemüths ? – – Davon also nichts weiter!
Mit dem inigsten Verlangen seh’ ich unterdessen der Nachricht entgegen ob ich hier noch Wiedersehen hofen darf – Vor einigen Tagen war ich in Gesellschaft mit der Fürstin Schwarzenberg, sie belebte die Hofnung [2] daß der junge S[taël] nur noch kurze Zeit hier bleiben würde daß ich diesen gar nicht sehe schmertzt mich sehr, er ist aber keiner meiner Einladungen nachgekommen, obgleich er anfangs wie ich grade so elend war ein paarmal vorkam.
Ein Hamburger de Chapeaurouge hat mir den Genuß bereitet mich von der Darstellung des neusten theatre Stück der B[aronin] S[taël] zu unterhalten – so sieht mein l[ieber] Freund daß ich troz seines Schweigens nicht bloß seiner gedenke, sondern auch von ihm zu hören, und zu reden Gelegenheit habe!
Die wichtigen Vorbereitungen zu großen Begebenheiten (gebe der Himmel daß es nicht Wechsel werde) sind größer wie sichs sagen läst – Der Enthousiasmus für’s Vaterland [3] ist wahrlich so rührend als groß. Fürst Lichtenstein und Schwarzenb[erg] werden selbst Anführer; heute zieht daß schöne berühmte hohenzollersche Regiment durch die Stadt; es hat einzig das Recht auf dem Burgplatz noch zu werben, und den Vorzug überhaupt durch Stadt und Burg zu passiren. Die Pichler soll dieses Regiment und die Veranlassung zu diesem Vorzug treflich besungen haben. M[ein] Freund wird es wissen daß es einst den Kaiser rettete der durch das Volk bedrohet in großer Gefahr war, als Stahremberg Anführer war.
Daß Faßbinder an einer Lungen-Entzündung 8 Tage sehr gelitten, hat die Theilnahme der Stadt sehr beschäftigt, er hatte grade eine Stelle als General Commandeur bei der Armée angenommen [4] er war erst 45 Jahre und seinen nahen Verlust ahndete keiner.
Cobenzls Tod hat weniger lange den Stof der Unterhaltung ausgemacht. Faßb[ender] hatte einen Sohn von der Schwester eines Geistlichen er hat diesem seinen Nahmen gegeben, ihn legitimiert und zum Universal Erben ernant sein Vermögen soll sich auf 2 bis 300000 fl. belaufen, sein Cammerdiener bekomt 30000 und alle domestiquen Pension der Prediger 6000, überhaupt ein sehr edles Testament.
Seit einigen Wochen ist hier die Hendel aus Berlin, vormals Eunike aus Frankfurt sie macht Attituden in der Lady Hamilton ihrer Manier und hat vielen Beifall; ich sah sie nur ein mal aber sie hat mich sehr intéressirt. [5] Man behauptet übrigens sie sei so sehr in die Kunst eingedrungen daß sie alle Natur darüber verloren. Bewundernswürdig bleibt es immer, wie sie durch ein einziges Shawl von den indischen Pagoden zu dem Höchsten – zu der Darstellung der Mutter Gottes übergeht – die deutsche Schule gelingt ihr am wenigsten doch ist jeder Faltenwurf mahlerisch, und jede Bewegung edel; sie geht von hier nach Italien. Auch die Bürger war vor kurzem hier, beide Frauen haben auch öfentlich déclamirt – die Anhänger sind getheilt, doch hat die Händel deren mehrere. – D[ein] B[ruder] m[ein] l[ieber] S[chlegel] hat [6] es noch immer nicht gut gefunden mich zu sehen, oder mich mit seiner Fr[au] bekandt zu machen – durch ihn hätt ich gewünscht D[ir] daß zuzustellen was ich vor einem Jahre mit so schönen Vertrauen erhielt – aber – ich mögte es lieber noch verschieben, wenn ich es darf. Dieses Jahr ist zu mancherlei schon gewesen und unendlich angenehmer wäre mir es, wenn ich von H[amburg] aus, dafür werde sorgen dürfen. Man beredet B[ertheau] sehr einen Teil seiner treflichen Gemähldesamlung zum Verkauf hieher kommen zu lassen aber der Augenblick scheint mir so ungünstig daß ich ihn durchaus nicht dazu bereden mag, obgleich unser [7] längeres Hiersein damit verknüpft sein würde. Ueber meine veränderte Lage nur das einzige Wort das ich Ursache habe damit zufrieden zu sein.
Von dem treflichen Bilde m[eines] ed[len] Freundes hab’ ich mich wohl auf eine Weile getrennt Fischer hat es; dieser liebe Künstler er empfielt sich herzlich; und freuet sich sehr zu der schönen Beschäftigung jenes köstliche Gemählde in Kupfer herauszugeben!
Was macht der geliebte Shakespear laß ihn nicht länger ruhen l[ieber] S[chlegel] ich beschwöre Sie desfalls – Darf ich fragen welches die Beschäftigung des verflossenen Jahres gewesen ist? – Mit unabänderlicher Gesinnung
M[inna] B[ertheau]

Adr. Herrn Banquier v. Schöps. Oberbeckerstraße
 
[8] G[raf] Gary nimt für zwei Jahre Abschied von dieser Gegend. Der älteste Odonel reiset auch noch in dieser Woche.
[1] W[ien] März 8 – [180]9
Keine Spur der Theilnahme von dem M[anne] dessen ganzes Wesen ich dem meinen befreundet glaubte daß erwartete ich nicht – und dennoch muß ich es sagen, klagen, fragen weshalb jeder Ueberzeugung der Erinerung schon so lange entsagt ward – diese Frage – verräth sie nicht die Stimung des innersten Gemüths ? – – Davon also nichts weiter!
Mit dem inigsten Verlangen seh’ ich unterdessen der Nachricht entgegen ob ich hier noch Wiedersehen hofen darf – Vor einigen Tagen war ich in Gesellschaft mit der Fürstin Schwarzenberg, sie belebte die Hofnung [2] daß der junge S[taël] nur noch kurze Zeit hier bleiben würde daß ich diesen gar nicht sehe schmertzt mich sehr, er ist aber keiner meiner Einladungen nachgekommen, obgleich er anfangs wie ich grade so elend war ein paarmal vorkam.
Ein Hamburger de Chapeaurouge hat mir den Genuß bereitet mich von der Darstellung des neusten theatre Stück der B[aronin] S[taël] zu unterhalten – so sieht mein l[ieber] Freund daß ich troz seines Schweigens nicht bloß seiner gedenke, sondern auch von ihm zu hören, und zu reden Gelegenheit habe!
Die wichtigen Vorbereitungen zu großen Begebenheiten (gebe der Himmel daß es nicht Wechsel werde) sind größer wie sichs sagen läst – Der Enthousiasmus für’s Vaterland [3] ist wahrlich so rührend als groß. Fürst Lichtenstein und Schwarzenb[erg] werden selbst Anführer; heute zieht daß schöne berühmte hohenzollersche Regiment durch die Stadt; es hat einzig das Recht auf dem Burgplatz noch zu werben, und den Vorzug überhaupt durch Stadt und Burg zu passiren. Die Pichler soll dieses Regiment und die Veranlassung zu diesem Vorzug treflich besungen haben. M[ein] Freund wird es wissen daß es einst den Kaiser rettete der durch das Volk bedrohet in großer Gefahr war, als Stahremberg Anführer war.
Daß Faßbinder an einer Lungen-Entzündung 8 Tage sehr gelitten, hat die Theilnahme der Stadt sehr beschäftigt, er hatte grade eine Stelle als General Commandeur bei der Armée angenommen [4] er war erst 45 Jahre und seinen nahen Verlust ahndete keiner.
Cobenzls Tod hat weniger lange den Stof der Unterhaltung ausgemacht. Faßb[ender] hatte einen Sohn von der Schwester eines Geistlichen er hat diesem seinen Nahmen gegeben, ihn legitimiert und zum Universal Erben ernant sein Vermögen soll sich auf 2 bis 300000 fl. belaufen, sein Cammerdiener bekomt 30000 und alle domestiquen Pension der Prediger 6000, überhaupt ein sehr edles Testament.
Seit einigen Wochen ist hier die Hendel aus Berlin, vormals Eunike aus Frankfurt sie macht Attituden in der Lady Hamilton ihrer Manier und hat vielen Beifall; ich sah sie nur ein mal aber sie hat mich sehr intéressirt. [5] Man behauptet übrigens sie sei so sehr in die Kunst eingedrungen daß sie alle Natur darüber verloren. Bewundernswürdig bleibt es immer, wie sie durch ein einziges Shawl von den indischen Pagoden zu dem Höchsten – zu der Darstellung der Mutter Gottes übergeht – die deutsche Schule gelingt ihr am wenigsten doch ist jeder Faltenwurf mahlerisch, und jede Bewegung edel; sie geht von hier nach Italien. Auch die Bürger war vor kurzem hier, beide Frauen haben auch öfentlich déclamirt – die Anhänger sind getheilt, doch hat die Händel deren mehrere. – D[ein] B[ruder] m[ein] l[ieber] S[chlegel] hat [6] es noch immer nicht gut gefunden mich zu sehen, oder mich mit seiner Fr[au] bekandt zu machen – durch ihn hätt ich gewünscht D[ir] daß zuzustellen was ich vor einem Jahre mit so schönen Vertrauen erhielt – aber – ich mögte es lieber noch verschieben, wenn ich es darf. Dieses Jahr ist zu mancherlei schon gewesen und unendlich angenehmer wäre mir es, wenn ich von H[amburg] aus, dafür werde sorgen dürfen. Man beredet B[ertheau] sehr einen Teil seiner treflichen Gemähldesamlung zum Verkauf hieher kommen zu lassen aber der Augenblick scheint mir so ungünstig daß ich ihn durchaus nicht dazu bereden mag, obgleich unser [7] längeres Hiersein damit verknüpft sein würde. Ueber meine veränderte Lage nur das einzige Wort das ich Ursache habe damit zufrieden zu sein.
Von dem treflichen Bilde m[eines] ed[len] Freundes hab’ ich mich wohl auf eine Weile getrennt Fischer hat es; dieser liebe Künstler er empfielt sich herzlich; und freuet sich sehr zu der schönen Beschäftigung jenes köstliche Gemählde in Kupfer herauszugeben!
Was macht der geliebte Shakespear laß ihn nicht länger ruhen l[ieber] S[chlegel] ich beschwöre Sie desfalls – Darf ich fragen welches die Beschäftigung des verflossenen Jahres gewesen ist? – Mit unabänderlicher Gesinnung
M[inna] B[ertheau]

Adr. Herrn Banquier v. Schöps. Oberbeckerstraße
 
[8] G[raf] Gary nimt für zwei Jahre Abschied von dieser Gegend. Der älteste Odonel reiset auch noch in dieser Woche.
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