• Caroline von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Berlin · Date: 11. Mai [1801]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Caroline von Schelling
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 11. Mai [1801]
  • Notations: Datum (Jahr) sowie Absende- und Empfangsort erschlossen. – Anmerkung des Herausgebers (S. 617): „Den langen Bericht C.s über eine mißlungene Werbung Br.s [Breyers] an die Schwägerin Beate habʼ ich unten weggelassen.“
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 370516575
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 133‒137 u. S. 613‒617 (Kommentar).
  • Incipit: „[Jena] Montag d. 11ten May [1801].
    Weil sich heut eine Gelegenheit findet, will ich ein Blatt mit einlegen zur Antwort auf das [...]“
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[Jena] Montag d. 11ten May [1801].
Weil sich heut eine Gelegenheit findet, will ich ein Blatt mit einlegen zur Antwort auf das Deinige lezte. Ich sehe nun ein, warum Dir das Mädchen von Orleans so im Kopf herum spükt, diesmal gar nicht von wegen des Zuwachses, den die Poesie oder Unpoesie dadurch erhalten haben könnte; zwar hängst Du mit einem Zipfelchen an der Kunst; es kommt Dir doch darauf an, daß eine gewisse kleine Künstlerin sie darstellt, aber dabey ist wieder so viel persönliches, daß jenes Zipfelchen auch noch reißt. Ich habe nun bisher immer nach dem falschen Ziel zu geantwortet, das kömmt von Deiner Geheimnißvolligkeit, mein allerliebster Schlegel, mit der Du es nun schon näher giebst, aber mich einigermaßen desorientirst, indem Du über den Herbst Erkundigungen einziehst, die ich in der That nicht befriedigen kann, denn ganz genau möchte in Weimar selbst wohl niemand um die Rückkehr der Schauspieler wissen. Sie pflegt im Anfang Novembers zu geschehn. Für jetzt werden sie noch bis in den Junius hinein spielen; die Jagemann ist zur Pucelle ausersehn; die Besetzung der übrigen Rollen war auch schon beygeschrieben, aber das ist ja gleichgültig. Schwerlich wird es für jetzt noch gespielt werden können. Aber unstreitig werdet ihr von Goethe nähere Nachrichten erhalten oder haben. Er ist hier gleich wieder weggegangen, früher als er sich vorgesetzt, vermuthlich hat ihn ein bestimt Geschäft oder Nachricht von Weimar aus zurückgerufen. Gewiß würde Unzelinen die Rolle herrlich anpassen, aber ob sichs die Jagemann nehmen lassen wird sie zuerst zu spielen? Das Stück ist übrigens wahrscheinlich schon so beschaffen, wie es gespielt werden kann. Die Lektüre dauerte von 7‒12, man soupirte aber dazwischen. Von Frauen kommt außer der alten Isabeau doch Agnes Sorel (Mad. Vohs) vor, wie es scheint, aber nicht bedeutend genug um die Unzelmann diese Rolle wählen lassen zu können. ‒ Künftigen Sonnabend wird Marie Stuart gegeben. Die Szene, wo Melwil Marien das Sacrament reicht, wird nicht mit gespielt, wie ich höre, und ist Dir also wohl unbekannt gewesen?
Schreib mir nun ohne Winken und Blinken, sonst mach ich Cabale gegen. Wahrlich, es war mir, als müst ich schon die Braten zur Festivität bestellen.
Es ist mir lieb, daß Du Friedrich nicht gleich geantwortet hast, und ich wünschte, Du thätest es auch noch nicht, oder blos mit den Worten: C. hat Dir geschrieben, Du hast nicht geantwortet, sie kann also aus der Fremdheit nicht herausgehn. ‒ Gestern wurden sie zurückerwartet; er findet von mir Deine lezte Romanze in ein Couvert eingesiegelt mit der Bitte vor, mir diese und die andren Gedichte, die ich ihm gab, heute wieder zuzuschicken, weil ich einen Auftrag deswegen von Dir hätte, und ich will sie auch noch diesen Abend an Tiek schicken, und ihm schreiben. ‒ Mein lieber Freund, kein Manifest in dieser Sache; ich kann weder zugeben, daß Friedrich auf ein Manifest sich zu mir wendet, noch daß er sich darauf hin etwa soll berechtigt halten zu sagen: ich trente euch. Deine Ankunft wird hierin das Nöthige thun. ‒ Was die Veit betrift, so ist es mir eben in dieser Rücksicht lieb, daß Du nicht geschrieben hast. Sie wird nun nach eignem Entschluß handeln, und der wird genugsame Aufklärung geben um mich auch in Deinen Augen vollständig zu berechtigen sie nicht bey mir zu sehn, was ich ohnedas niemals ohne den äußersten Wiederwillen können würde. Schieben sie alle Fremdheit, Abneigung usw. auf Schellings Gegenwart um mich her, so glaube nur, daß dieß ein Vorgeben ist, um Dich zu gewinnen. Ihr Bewustseyn gegen mich ist das Wahre. Sie haben Schelling sehr viel mehr geschont wie mich, er beklagt sich über nichts, was ihn anginge. Übrigens, schreckte er sie ab sich mir zu nähern, wie ich freylich auch einigermaßen glaube, so kann ich dazu nichts thun. Wenn ich ihn nach solchen gemeinschaftlichen Leiden als Freund verleugnen könnte, so müste ich durch und durch nichts werth seyn, ich habe auch darin Deine Beystimmung und dürfte auf niemandes mehr rechnen als auf Friedrich seine, sobald er das Wahre und Heilige vor Augen hat, woran ich bey aller bittern Beschwerde nicht zweifle.
Sehr viel Vergnügen hat mir die Nachricht von den Schriften des Boccaz gemacht, von der ich nichts wuste; sie ist auch sehr schön geschrieben, und enthält eine ganz vortreflich tief eingreifende Ansicht der Novelle. ‒ Daß Fr. Tiek nach Weimar käme, vermuthete ich wohl und denke ihn gewiß zu sprechen. Lebe wohl, mein Lieber.

[Nachschriften.]
Ich bin recht wohl, aber Schelling ist krank, obwohl er ausgeht. Er fängt erst übermorgen an zu lesen.
Hufeland hat so wenig Zuhörer, daß ihn die Mühe des Lesens reut. Schelling hat, was bey der Leere möglich ist.

[Rückseite.]
Auf diese leere Stelle will ich gleich noch etwas amüsantes setzen, das uns Schelling diesen Mittag zum besten gab, wie ihm Goethe einmal beschrieben, daß er mit Jean Paul einen ganzen Abend Schach gespielt, figürlich. Der hat nehmlich ein Urtheil über ihn und seine Gattung herauslocken wollen, und ihn nach G. Ausdruck auf den Sch‒dr‒ führen, hat einen Zug um den andern gethan von Yorik, von Hippel, von dem ganzen humoristischen Affengeschlecht ‒ G. immer neben aus! Nun, Du mußt Dir das selbst mit den gehörigen Fratzen ausführen, wie Jean Paul zuletzt in die höchste Pein gerathen ist und sich schachmatt hat nach Hause begeben. Einen durchtriebnern Schalk giebt es auf Erden nicht wie den G. und dabey das frömmste Herz mit seinen Freunden.
[Am Rand auf dem ersten Blatt.]
Mad. Kalathiskos ist im Scheidungsakt mit ihrem Eheherrn begriffen, wies scheint ist der Haß als Klage eingegeben, nicht die Liebe.
Wiedemann hat aus Metz und Paris geschrieben, noch nichts frappantes.

[Neues Blatt.]
Ich weiß noch nicht, ob Schelling, der bey Überschickung seines Journals ausführlicher an Fichte zu schreiben gedachte, heute bis zu Abgang der Post im Stande dazu seyn wird, und will dieß nur auf allen Fall schließen, um auch besonders gehn zu können, indem wir zu Loders geladen sind. Eben 5 Uhr schickte ich zu Friedrich wegen der Gedichte, da ich sie auch gern heut an Tiek befördert hätte, worauf ich beyliegenden Zettel nebst dem darin besagten Geld erhalte, welchen ich zu Deiner Notiz beilege. Ich vermuthete sie schon gestern Abend nach Rosens Bericht zurück.
Wir sind höchst ärgerlich darüber, daß die Sachen in Egypten so schlecht gehn, und Buonaparte überhaupt so schläfrig ist, und alles sich so albern macht und auch die Preußen Hannover nächstens wieder räumen. Du nicht?
Ich habe Dir noch nicht gesagt, wie sehr ich mich über Charlottens Besserung freue, aber Du weißt es doch. Adieu nochmals, mein lieber bester Wilhelm.
–––––
Hast Du die Sonnette in der LZ. gelesen? Vermuthlich vom jungen Schütz gefertigt, der angefangen hat zu lesen: Geschichte der französischen Revolution, wie es heißt, mit guten freyem Mundwerk, und hat gleich in der ersten Stunde Fichte und Schelling als Axiome der Lobenswürdigkeit festgesetzt. Eben käuet der Pater Brey Universalgeschichte vor.
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[Jena] Montag d. 11ten May [1801].
Weil sich heut eine Gelegenheit findet, will ich ein Blatt mit einlegen zur Antwort auf das Deinige lezte. Ich sehe nun ein, warum Dir das Mädchen von Orleans so im Kopf herum spükt, diesmal gar nicht von wegen des Zuwachses, den die Poesie oder Unpoesie dadurch erhalten haben könnte; zwar hängst Du mit einem Zipfelchen an der Kunst; es kommt Dir doch darauf an, daß eine gewisse kleine Künstlerin sie darstellt, aber dabey ist wieder so viel persönliches, daß jenes Zipfelchen auch noch reißt. Ich habe nun bisher immer nach dem falschen Ziel zu geantwortet, das kömmt von Deiner Geheimnißvolligkeit, mein allerliebster Schlegel, mit der Du es nun schon näher giebst, aber mich einigermaßen desorientirst, indem Du über den Herbst Erkundigungen einziehst, die ich in der That nicht befriedigen kann, denn ganz genau möchte in Weimar selbst wohl niemand um die Rückkehr der Schauspieler wissen. Sie pflegt im Anfang Novembers zu geschehn. Für jetzt werden sie noch bis in den Junius hinein spielen; die Jagemann ist zur Pucelle ausersehn; die Besetzung der übrigen Rollen war auch schon beygeschrieben, aber das ist ja gleichgültig. Schwerlich wird es für jetzt noch gespielt werden können. Aber unstreitig werdet ihr von Goethe nähere Nachrichten erhalten oder haben. Er ist hier gleich wieder weggegangen, früher als er sich vorgesetzt, vermuthlich hat ihn ein bestimt Geschäft oder Nachricht von Weimar aus zurückgerufen. Gewiß würde Unzelinen die Rolle herrlich anpassen, aber ob sichs die Jagemann nehmen lassen wird sie zuerst zu spielen? Das Stück ist übrigens wahrscheinlich schon so beschaffen, wie es gespielt werden kann. Die Lektüre dauerte von 7‒12, man soupirte aber dazwischen. Von Frauen kommt außer der alten Isabeau doch Agnes Sorel (Mad. Vohs) vor, wie es scheint, aber nicht bedeutend genug um die Unzelmann diese Rolle wählen lassen zu können. ‒ Künftigen Sonnabend wird Marie Stuart gegeben. Die Szene, wo Melwil Marien das Sacrament reicht, wird nicht mit gespielt, wie ich höre, und ist Dir also wohl unbekannt gewesen?
Schreib mir nun ohne Winken und Blinken, sonst mach ich Cabale gegen. Wahrlich, es war mir, als müst ich schon die Braten zur Festivität bestellen.
Es ist mir lieb, daß Du Friedrich nicht gleich geantwortet hast, und ich wünschte, Du thätest es auch noch nicht, oder blos mit den Worten: C. hat Dir geschrieben, Du hast nicht geantwortet, sie kann also aus der Fremdheit nicht herausgehn. ‒ Gestern wurden sie zurückerwartet; er findet von mir Deine lezte Romanze in ein Couvert eingesiegelt mit der Bitte vor, mir diese und die andren Gedichte, die ich ihm gab, heute wieder zuzuschicken, weil ich einen Auftrag deswegen von Dir hätte, und ich will sie auch noch diesen Abend an Tiek schicken, und ihm schreiben. ‒ Mein lieber Freund, kein Manifest in dieser Sache; ich kann weder zugeben, daß Friedrich auf ein Manifest sich zu mir wendet, noch daß er sich darauf hin etwa soll berechtigt halten zu sagen: ich trente euch. Deine Ankunft wird hierin das Nöthige thun. ‒ Was die Veit betrift, so ist es mir eben in dieser Rücksicht lieb, daß Du nicht geschrieben hast. Sie wird nun nach eignem Entschluß handeln, und der wird genugsame Aufklärung geben um mich auch in Deinen Augen vollständig zu berechtigen sie nicht bey mir zu sehn, was ich ohnedas niemals ohne den äußersten Wiederwillen können würde. Schieben sie alle Fremdheit, Abneigung usw. auf Schellings Gegenwart um mich her, so glaube nur, daß dieß ein Vorgeben ist, um Dich zu gewinnen. Ihr Bewustseyn gegen mich ist das Wahre. Sie haben Schelling sehr viel mehr geschont wie mich, er beklagt sich über nichts, was ihn anginge. Übrigens, schreckte er sie ab sich mir zu nähern, wie ich freylich auch einigermaßen glaube, so kann ich dazu nichts thun. Wenn ich ihn nach solchen gemeinschaftlichen Leiden als Freund verleugnen könnte, so müste ich durch und durch nichts werth seyn, ich habe auch darin Deine Beystimmung und dürfte auf niemandes mehr rechnen als auf Friedrich seine, sobald er das Wahre und Heilige vor Augen hat, woran ich bey aller bittern Beschwerde nicht zweifle.
Sehr viel Vergnügen hat mir die Nachricht von den Schriften des Boccaz gemacht, von der ich nichts wuste; sie ist auch sehr schön geschrieben, und enthält eine ganz vortreflich tief eingreifende Ansicht der Novelle. ‒ Daß Fr. Tiek nach Weimar käme, vermuthete ich wohl und denke ihn gewiß zu sprechen. Lebe wohl, mein Lieber.

[Nachschriften.]
Ich bin recht wohl, aber Schelling ist krank, obwohl er ausgeht. Er fängt erst übermorgen an zu lesen.
Hufeland hat so wenig Zuhörer, daß ihn die Mühe des Lesens reut. Schelling hat, was bey der Leere möglich ist.

[Rückseite.]
Auf diese leere Stelle will ich gleich noch etwas amüsantes setzen, das uns Schelling diesen Mittag zum besten gab, wie ihm Goethe einmal beschrieben, daß er mit Jean Paul einen ganzen Abend Schach gespielt, figürlich. Der hat nehmlich ein Urtheil über ihn und seine Gattung herauslocken wollen, und ihn nach G. Ausdruck auf den Sch‒dr‒ führen, hat einen Zug um den andern gethan von Yorik, von Hippel, von dem ganzen humoristischen Affengeschlecht ‒ G. immer neben aus! Nun, Du mußt Dir das selbst mit den gehörigen Fratzen ausführen, wie Jean Paul zuletzt in die höchste Pein gerathen ist und sich schachmatt hat nach Hause begeben. Einen durchtriebnern Schalk giebt es auf Erden nicht wie den G. und dabey das frömmste Herz mit seinen Freunden.
[Am Rand auf dem ersten Blatt.]
Mad. Kalathiskos ist im Scheidungsakt mit ihrem Eheherrn begriffen, wies scheint ist der Haß als Klage eingegeben, nicht die Liebe.
Wiedemann hat aus Metz und Paris geschrieben, noch nichts frappantes.

[Neues Blatt.]
Ich weiß noch nicht, ob Schelling, der bey Überschickung seines Journals ausführlicher an Fichte zu schreiben gedachte, heute bis zu Abgang der Post im Stande dazu seyn wird, und will dieß nur auf allen Fall schließen, um auch besonders gehn zu können, indem wir zu Loders geladen sind. Eben 5 Uhr schickte ich zu Friedrich wegen der Gedichte, da ich sie auch gern heut an Tiek befördert hätte, worauf ich beyliegenden Zettel nebst dem darin besagten Geld erhalte, welchen ich zu Deiner Notiz beilege. Ich vermuthete sie schon gestern Abend nach Rosens Bericht zurück.
Wir sind höchst ärgerlich darüber, daß die Sachen in Egypten so schlecht gehn, und Buonaparte überhaupt so schläfrig ist, und alles sich so albern macht und auch die Preußen Hannover nächstens wieder räumen. Du nicht?
Ich habe Dir noch nicht gesagt, wie sehr ich mich über Charlottens Besserung freue, aber Du weißt es doch. Adieu nochmals, mein lieber bester Wilhelm.
–––––
Hast Du die Sonnette in der LZ. gelesen? Vermuthlich vom jungen Schütz gefertigt, der angefangen hat zu lesen: Geschichte der französischen Revolution, wie es heißt, mit guten freyem Mundwerk, und hat gleich in der ersten Stunde Fichte und Schelling als Axiome der Lobenswürdigkeit festgesetzt. Eben käuet der Pater Brey Universalgeschichte vor.
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