• Friederike Helene Unger to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Coppet · Date: 08.08.1809
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friederike Helene Unger
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 08.08.1809
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-9
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,IV,e,20
  • Number of Pages: 2 S., hs. m. U.
  • Format: 24,7 x 19,4 cm
  • Incipit: „[1] Berlin d. 8. August 1809.
    Nach lieber langer Zeit, endlich ein mal wieder ein Brieflein, ein einzelnes Sternlein, in öder [...]“
  • Editors: Bamberg, Claudia · Varwig, Olivia
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[1] Berlin d. 8. August 1809.
Nach lieber langer Zeit, endlich ein mal wieder ein Brieflein, ein einzelnes Sternlein, in öder düsterer Nacht. Sie haben freilich recht, mein hochverehrter Freund, Uebersetzungen einzelner Shakespearschen Schöpfungen, werden uns nicht schaden, besonders, Ihrem Ruhn nicht schaden; indeß, wenn Menschen Leben drauf gehen, wenn mein eignes Leben drauf geth, ehe der Ihrige erscheint? sagen Sie selbst mein Freund? – Freilich, sieth man die Welt & ihre Begebenheiten als ein Ganzes an, so kann es recht sein, ob in diesem oder jenem Jahrzehnte etwas erscheint, aber für individuen? Mögen Sie es bei Ihren Zeitgenossen, und gegen Ungers Wittwe verantworten; Unger, der Ihr Freund war, der sie liebte, wie Sie nicht oft geliebt werden. Ja käme er bald, der so lang verheißne, und so sehr ersehnte Shakespear! Daß er noch zum october versendet würde; später ja da ists Buchhändler Sitte, noch ein ganzes Jahr, mit der Zahlung zu zögern, so daß fast ein zweijähriger Kredit herauskommt.
Ihre Bibliothek mein Verehrter Freund, stehet in meinem Hause, in 3. Kisten gepakt, zum Absenden bereit. Die Übrigen Bücher und der Schrank, ist Ihrem Verlangen gemäß, dem Auctionnator übergeben: wovon Sie aber erst einen späten Avis bekommen werden, da die Auction erst im October ist. Bei diesen Verhängnißschweren Zeiten, geth es überall wo nur von Er- & Gewerb die Rede ist, sehr piano. Auf uns hier, drükt noch mit ganzer Allgewalt, die Last, einer Verarmung und einer ganz aufgeloßten Regierung.
Mohr & Zimmer in Heidelberg haben nichts gezahlt; da wir gar keine Nachricht darüber erhalten hatten, wurde die Sache in meiner Handlung als ein Mißverstand beachtet, haben nicht auf jene Herren angewiesen; dem zu Folge wurde die Anweisung an Hhn: Reimer auch nicht bezahlt. Es ist freilich eine fatale Sache, wenn in solchen Entfernungen, Mißverständnisse obwalten, deren Aufhellung Monate erheischen, ehe es wieder hier und dorthin, ins Geleiß gebracht wird; und es ist Schade um Zeit und Geld. –
Fridrich Schlegels Schuld ist noch unbedeutend von 97. r. – 12. G: in Fridʼdʼor. Mehr Schade ists, daß ein so rühmlich begonnenes Werk, wie es die G. der G: & R. Poesie ist, als Ladenhüter oder Maculatur draufgehen soll. Ungers [2] schneller Verarbeitender Geist, hat ihn nur zu häufig in solche Verbindungen gestopft, die ich nun gegen das Publikum unvollendet & unabgethan lassen muß: welches einer Handlung die nur so viel dergleichen obliegt, nicht allein bedeutenden Handelsverlust, sondern auch eine Art von Ridücüle gibt. Was weder Ungers großmüthiger betriebsamer Geist, noch mein redlicher Wille verdient. Das Zeit Alter rükt in jeder Hinsicht so rasch vorwärts, daß man gierig nach den Moment haschen muß, um nicht zu spät zu kommen. Der Zeit Geist, der uns mit sich fortreißt, ist ein gar gewaltiger Mann.
Wie soll ich an Tieck kommen! ich werde einen Brief an ihn avantüriren müssen: unsre Verhältnisse machen es Nothwendig; der erste Theil des Don Quichotte ist vergriffen. Unter Ungers Papiren finde ich keinen Contrakt über diese Angelegenheit. Hat er der Arme Gute eine durch Gicht gelähmte Hand, wird er kaum noch Messerklingerlieder dichten.
Mein Theurer Freund, ich schike Ihnen das reitzende Bild Ihrer Freundin nicht mit Ihrer Bibliothek. Wie ich Ihnen schon sagte: Sie sind zu geitzig: beides Original & Copie besitzen zu wollen. Lassen Sie mir ich bitte wenigstens noch einige Zeit die leztern, die in mein Musäum der schönste Kern ist. Bestehen Sie aber dennoch darauf, so werde ich schon eine Gelegenheit finden, es wohlaufbehalten in Ihre Hände zu liefern, wenn ich es nicht etwan selbst überbringe, da meine Freundin Fr v: Morand mich so gastfreundlich einlud.
So trübe meine Zeiten waren, habe ich dennoch ein kleines Büchlein, über die lezten Ereignisse, ausgehen lassen; und zwar in einem fremden Verlage. Unter dem Titel Serenas Briefe an Clementinen. Den Geist des Buches sagt Ihnen das Motto, aus Florian:
Loin de moi ces préjugés vulgaires
Sources de haine et de division.
en tous pais tous les bon cœur sont freres
mais sans hair les autres nations. etc.

Cʼetait simplement pour faire taire les crieurs et les haineux que jʼai choisie ce mot, qui d ailleurs nʼest nullement de grand Sens poetique. Il falloit toute fois dire quelque chose la dessus, pour detourner les haineux de ma pauvre petite personne, die doch schon geplagt genug ist.
Ich empfehle mich Sr Majestät König Heinrich dem Achten, dessen Bekandschaft zu machen, ich sehr begierig bin. Die Musen feyern; das ist eine natürliche schlimme Wirkung der Zeit. Und doch welche Fortschritte machten sie nicht je & je in unserm seit Jahrhunderten verheeretem Vaterlande! Frid: der II. sagt, als Louvois & die Maintenon die Pfalz verbrannten, sangen die Deutschen wahrlich keine Sonnette. Und doch brüsten unsre Nachbarn sich immer so kek, mit dem Vorschritt, den sie voraus zu haben meinen. Sie! in ihrem wohl wehrtem mit Festungen gespikten Lande! Ich empfehle mich der Fortdauer Ihres freundschaftlichen Wohlwollens und bin von ganzem Herzen Ihre hochachtungsvoll
Ergebn Unger.
[1] Haben Sie geehrter Freund weiter an Rom gedacht? Sie hatten ja einen Entwurf, einer Erweitrung dieses Gedichtes? Wir haben auch ein Rom von Humbold. Kennen Sie das? – Ich empfehle mich, HUnger
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[1] Berlin d. 8. August 1809.
Nach lieber langer Zeit, endlich ein mal wieder ein Brieflein, ein einzelnes Sternlein, in öder düsterer Nacht. Sie haben freilich recht, mein hochverehrter Freund, Uebersetzungen einzelner Shakespearschen Schöpfungen, werden uns nicht schaden, besonders, Ihrem Ruhn nicht schaden; indeß, wenn Menschen Leben drauf gehen, wenn mein eignes Leben drauf geth, ehe der Ihrige erscheint? sagen Sie selbst mein Freund? – Freilich, sieth man die Welt & ihre Begebenheiten als ein Ganzes an, so kann es recht sein, ob in diesem oder jenem Jahrzehnte etwas erscheint, aber für individuen? Mögen Sie es bei Ihren Zeitgenossen, und gegen Ungers Wittwe verantworten; Unger, der Ihr Freund war, der sie liebte, wie Sie nicht oft geliebt werden. Ja käme er bald, der so lang verheißne, und so sehr ersehnte Shakespear! Daß er noch zum october versendet würde; später ja da ists Buchhändler Sitte, noch ein ganzes Jahr, mit der Zahlung zu zögern, so daß fast ein zweijähriger Kredit herauskommt.
Ihre Bibliothek mein Verehrter Freund, stehet in meinem Hause, in 3. Kisten gepakt, zum Absenden bereit. Die Übrigen Bücher und der Schrank, ist Ihrem Verlangen gemäß, dem Auctionnator übergeben: wovon Sie aber erst einen späten Avis bekommen werden, da die Auction erst im October ist. Bei diesen Verhängnißschweren Zeiten, geth es überall wo nur von Er- & Gewerb die Rede ist, sehr piano. Auf uns hier, drükt noch mit ganzer Allgewalt, die Last, einer Verarmung und einer ganz aufgeloßten Regierung.
Mohr & Zimmer in Heidelberg haben nichts gezahlt; da wir gar keine Nachricht darüber erhalten hatten, wurde die Sache in meiner Handlung als ein Mißverstand beachtet, haben nicht auf jene Herren angewiesen; dem zu Folge wurde die Anweisung an Hhn: Reimer auch nicht bezahlt. Es ist freilich eine fatale Sache, wenn in solchen Entfernungen, Mißverständnisse obwalten, deren Aufhellung Monate erheischen, ehe es wieder hier und dorthin, ins Geleiß gebracht wird; und es ist Schade um Zeit und Geld. –
Fridrich Schlegels Schuld ist noch unbedeutend von 97. r. – 12. G: in Fridʼdʼor. Mehr Schade ists, daß ein so rühmlich begonnenes Werk, wie es die G. der G: & R. Poesie ist, als Ladenhüter oder Maculatur draufgehen soll. Ungers [2] schneller Verarbeitender Geist, hat ihn nur zu häufig in solche Verbindungen gestopft, die ich nun gegen das Publikum unvollendet & unabgethan lassen muß: welches einer Handlung die nur so viel dergleichen obliegt, nicht allein bedeutenden Handelsverlust, sondern auch eine Art von Ridücüle gibt. Was weder Ungers großmüthiger betriebsamer Geist, noch mein redlicher Wille verdient. Das Zeit Alter rükt in jeder Hinsicht so rasch vorwärts, daß man gierig nach den Moment haschen muß, um nicht zu spät zu kommen. Der Zeit Geist, der uns mit sich fortreißt, ist ein gar gewaltiger Mann.
Wie soll ich an Tieck kommen! ich werde einen Brief an ihn avantüriren müssen: unsre Verhältnisse machen es Nothwendig; der erste Theil des Don Quichotte ist vergriffen. Unter Ungers Papiren finde ich keinen Contrakt über diese Angelegenheit. Hat er der Arme Gute eine durch Gicht gelähmte Hand, wird er kaum noch Messerklingerlieder dichten.
Mein Theurer Freund, ich schike Ihnen das reitzende Bild Ihrer Freundin nicht mit Ihrer Bibliothek. Wie ich Ihnen schon sagte: Sie sind zu geitzig: beides Original & Copie besitzen zu wollen. Lassen Sie mir ich bitte wenigstens noch einige Zeit die leztern, die in mein Musäum der schönste Kern ist. Bestehen Sie aber dennoch darauf, so werde ich schon eine Gelegenheit finden, es wohlaufbehalten in Ihre Hände zu liefern, wenn ich es nicht etwan selbst überbringe, da meine Freundin Fr v: Morand mich so gastfreundlich einlud.
So trübe meine Zeiten waren, habe ich dennoch ein kleines Büchlein, über die lezten Ereignisse, ausgehen lassen; und zwar in einem fremden Verlage. Unter dem Titel Serenas Briefe an Clementinen. Den Geist des Buches sagt Ihnen das Motto, aus Florian:
Loin de moi ces préjugés vulgaires
Sources de haine et de division.
en tous pais tous les bon cœur sont freres
mais sans hair les autres nations. etc.

Cʼetait simplement pour faire taire les crieurs et les haineux que jʼai choisie ce mot, qui d ailleurs nʼest nullement de grand Sens poetique. Il falloit toute fois dire quelque chose la dessus, pour detourner les haineux de ma pauvre petite personne, die doch schon geplagt genug ist.
Ich empfehle mich Sr Majestät König Heinrich dem Achten, dessen Bekandschaft zu machen, ich sehr begierig bin. Die Musen feyern; das ist eine natürliche schlimme Wirkung der Zeit. Und doch welche Fortschritte machten sie nicht je & je in unserm seit Jahrhunderten verheeretem Vaterlande! Frid: der II. sagt, als Louvois & die Maintenon die Pfalz verbrannten, sangen die Deutschen wahrlich keine Sonnette. Und doch brüsten unsre Nachbarn sich immer so kek, mit dem Vorschritt, den sie voraus zu haben meinen. Sie! in ihrem wohl wehrtem mit Festungen gespikten Lande! Ich empfehle mich der Fortdauer Ihres freundschaftlichen Wohlwollens und bin von ganzem Herzen Ihre hochachtungsvoll
Ergebn Unger.
[1] Haben Sie geehrter Freund weiter an Rom gedacht? Sie hatten ja einen Entwurf, einer Erweitrung dieses Gedichtes? Wir haben auch ein Rom von Humbold. Kennen Sie das? – Ich empfehle mich, HUnger
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