• Caroline von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Unknown · Date: 26.11.1801
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Caroline von Schelling
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 26.11.1801
  • Notations: Absendeort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 370516575
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 218‒222 u. S. 627 (Kommentar).
  • Incipit: „[1] [Jena] d. 26 Nov. [18]01.
    Endlich rückt es aus der Stelle, und so Gott will, wirst Du wirklich erleben, daß Tiek [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-36905
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.22,Nr.9
  • Number of Pages: 8 S. auf Doppelbl. u. 1 S., hs.
  • Format: 18,8 x 11,6 cm
[1] [Jena] d. 26 Nov. [18]01.
Endlich rückt es aus der Stelle, und so Gott will, wirst Du wirklich erleben, daß Tiek Dir dieß einhändigt. Wahr ist es aber auch, daß der arme gequälte Freund nicht um einen Tag eher hätte kommen können. Es wird nun eine große Herrlichkeit seyn, Du kanst auf ein Weilchen zurückstehn müssen. Ich für mein Theil liefre euch hiemit nun alles aus, was ich bisher noch an Zuthaten des Lebens besessen habe, wohin Tiek mit seinen Bildern in Gips und crayon doch zu rechnen war, mir bleibt blos das reine Leben. Einen steinernen Gast hat mir Tiek zurückgelassen als Gastgeschenk. Der alte Meister steht auf einem runden Tisch in der Ecke zwischen den beyden Fenstern. Ich lasse aber etwas machen, um ihn noch besser zu stellen, einen hohen Kasten nach Tieks Angabe, der ein Schrank ist und Bücher enthalten soll. Es ist eine vortrefliche Ähnlichkeit, wie Du sehn wirst, ohne allen Schmuck. Schillers seine ist mit weit mehr [2] Prätension gewendet und angelegt, aber diese muß sie mit ihrer Einfachheit erdrücken, wenn sie daneben gestellt wird.
[Geldsachen.] Gestern kam kein Brief von Dir, und das war mir gar nicht recht. Diesen Morgen schickte Schelling einen, das war mir denn sehr recht. Ich habe sehr lachen müssen über das alte Schwerd der Jungfrau von Orleans. Und was der Grattenauer ein galanthomme ist! Es ließen sich wohl keine üblen Späße auf diese Jungfrau [3] als Jungfrau machen und auf Schiller zugleich mit seinen edleren Gestalten.
Die Allmanache sind eben gekommen, ich überschicke Dir vier davon und werde mit den übrigen sogleich nach Vorschrift verfahren.
Friedrich nimmt noch einige Bücher für Dich mit, die wir ohngefähr für die nöthigsten halten. [Sendung.]
Nur Ein Hemd bekommst Du, alles Treibens ungeachtet. An diesem habe ich die Stickerey diesen Nachmittag noch gemacht mit der lezten Kraft meiner Augen. Alleweile wirds gewaschen. Zu dem 4ten findet sich schon wieder Gelegenheit.
Aber wo bleiben die liqueure? Die [4] könntest Du wohl schicken, wenn Du auch kein Geld hast. Du vergißt doch nicht, daß Du für den Thee 3 Carolin zu fordern hast? Alle Welt hat liqueure, nur ich hülfsbedürftige nicht, und närrisch genug kommen mir der andern ihre immer in den Weg. Eine Flasche für Md. Paulus wollte mir die Botenfrau lezthin aufdrängen und gestern kam Friedrichs kleines Mädchen mit einen Zettel, worin er mich frug, ob Tiek schon da wär ‒ zugleich überreichte sie mir eine Flasche mareschino. Julchen und ich sahen uns mit großen Augen an, ich gab sie zurück, das kleine Mädchen wollte sie aber gar nicht wieder nehmen, bis es sich auswies, daß sie auch ein ofnes Zettelchen für Mereau hatte, dem Friedrich diesen liqueur zum Verkauf anbot, weil er einen zu großen Vorrath habe. ‒ Schick uns bald welchen, mein guter Schlegel. Aller der Weimarsche ist doch schlecht. Friedrich [5] bekömmt er aber gut, er war diesen Morgen im Zimmer um den Goethe zu sehn, Gott behüt ihn, er wird recht dick. Sie werden ihn in Berlin darüber berufen, und er legt ein gut Zeugniß für die Erregungstheorie ab.
Tiek sagt mir, Friedrich habe ihm versichert, er werde bey seiner Schwester wohnen. Die Veit denn doch wohl nicht. Aber Charlotte muß sehr gewonnen seyn, da sie sich auch nur dazu entschlossen hat. Sie weiß doch, was das sagen will, wenn Friedrich bey jemand wohnt. Vielleicht glaubt sie, es sey alles anders mit ihm, und es ist mit dem, was sie ehemals so in ihm chokirte, viel schlimmer. Aber ich bitte Dich, bewundre nur, wie sie so unter der Hand gearbeitet haben um zu ihren Zwecken zu kommen. Ludw. Tiek scheint auch ganz wieder für die Veit gestimmt zu seyn. Bestätige Fr. Tiek bey Gelegenheit doch, welche Mühe sich die Veit gegeben hat [6] Ludwig bey uns allen verdächtig zu machen, namentlich bey Dir, der Du damals am wenigsten drauf gabst. ‒ Mit Friedrich solltest Du doch suchen es zur Rede zu bringen. Der Schaden greift immer mehr um sich. Du kannst überzeugt seyn, daß sie ihn dahin gebracht hat auch in Berlin gegen mich zu reden, um sich zu sauviren, sie fürchtet über alles, daß man in Berlin schlecht von ihr urtheile, Du hast denn doch noch diese Rechte über ihn für so viel brüderliche Handlungen. Meine Gesinnung kennst Du, und diese Disharmonie zerreißt mich so, wenn einmal meine Seele bey ihr verweilt, daß ich auch jedes gerechte ressentiment gern fahren lasse, um sie aufzuheben. Für mich ist sie nemlich aufgehoben, sobald Du und ich uns mit Friedrich verstehn. Die Veit wiederzusehn das wäre unwürdig, da ich [7] überzeugt bin von ihrer innern Schlechtigkeit, das kann kein Hinderniß für Friedrich seyn, sobald ich ihn nur mit seiner Überzeugung schone. Doch still davon, ich habe Dir nur sagen wollen, daß Du nicht so blos nach Deiner Scheue zu Werk gehn sollst, und überdem daß Du jede Vollmacht von mir hast. Sehr gut wärs gewesen, wenn Du Charlotten im Sommer besucht hättest.
–––––
Tiek wird Dir sagen, wie sehr ihn das Bild eingenommen hat. Lieber Wilhelm, es ist ohne Vergleich wahrer als alle Zeichnungen und lieblicher. Und die lezte Zeichnung verliert fast am meisten dagegen durch eine fast französische Wendung. Doch aber, weil sie nicht jenen melancholischen Charakter der Copie von Schwarz hat, hab ich mich entschloßen eben diese an Marcus zu schicken. Es ist eine freundlichere Erinnerung. [8] Tiek copirt uns auch das Gemählde und besser. Er hat sehr gut das Eigenthümliche des holden Gesichtes gefast.
Ich gebe ihm einen der besondern Abdrücke des Todtenopfers mit. Du wirst doch wahrscheinlich auch wie ich die beyden Sonnette von Tiek noch herausschneiden. Die andern habe ich heften lassen, recht sauber in grau Papier, inwendig hellgrün. Eins sollen Gotters, eins Tischbeins, 2 meine beyden Brüder, eins Schelling und eins ich haben. [Geschäfte.]
Schelling grüßt Dich von ganzer Seele. Du kannst Dich darauf verlassen, daß ich zu Dir komme. Ich habe unter unaufhörlichen Unterbrechungen und etwas Herzweh geschrieben. Leb recht wohl, [9] Du könntest mit dem liqueur 1 Exemplar von Shakesp. 8. Band vielleicht schicken. Zu meinen Aushängebogen schick mir wenigstens einen Titel. ‒ Hast Du den neuen Homer gesehn? Die Veränderungen scheinen unbeträchtlich. Die Weihe hätte wegbleiben mögen, und ich capitulire mit Schelling, daß er sie nicht soll mitbinden lassen, weil er Dich doch einmal vermuthlich drin gemeint hat. So so? also Fichte verweiset Schelling auf den Parnassus? Rosens Schwester heyrathet einen jungen Handwerksmann, einen Nadler, wo Rose uns nun schlechte Nähnadeln herholt. In 14 Tagen ist die Hochzeit. Rose wartet aber auf den, der ihr versprochen hat wiederzukommen. [10]
[1] [Jena] d. 26 Nov. [18]01.
Endlich rückt es aus der Stelle, und so Gott will, wirst Du wirklich erleben, daß Tiek Dir dieß einhändigt. Wahr ist es aber auch, daß der arme gequälte Freund nicht um einen Tag eher hätte kommen können. Es wird nun eine große Herrlichkeit seyn, Du kanst auf ein Weilchen zurückstehn müssen. Ich für mein Theil liefre euch hiemit nun alles aus, was ich bisher noch an Zuthaten des Lebens besessen habe, wohin Tiek mit seinen Bildern in Gips und crayon doch zu rechnen war, mir bleibt blos das reine Leben. Einen steinernen Gast hat mir Tiek zurückgelassen als Gastgeschenk. Der alte Meister steht auf einem runden Tisch in der Ecke zwischen den beyden Fenstern. Ich lasse aber etwas machen, um ihn noch besser zu stellen, einen hohen Kasten nach Tieks Angabe, der ein Schrank ist und Bücher enthalten soll. Es ist eine vortrefliche Ähnlichkeit, wie Du sehn wirst, ohne allen Schmuck. Schillers seine ist mit weit mehr [2] Prätension gewendet und angelegt, aber diese muß sie mit ihrer Einfachheit erdrücken, wenn sie daneben gestellt wird.
[Geldsachen.] Gestern kam kein Brief von Dir, und das war mir gar nicht recht. Diesen Morgen schickte Schelling einen, das war mir denn sehr recht. Ich habe sehr lachen müssen über das alte Schwerd der Jungfrau von Orleans. Und was der Grattenauer ein galanthomme ist! Es ließen sich wohl keine üblen Späße auf diese Jungfrau [3] als Jungfrau machen und auf Schiller zugleich mit seinen edleren Gestalten.
Die Allmanache sind eben gekommen, ich überschicke Dir vier davon und werde mit den übrigen sogleich nach Vorschrift verfahren.
Friedrich nimmt noch einige Bücher für Dich mit, die wir ohngefähr für die nöthigsten halten. [Sendung.]
Nur Ein Hemd bekommst Du, alles Treibens ungeachtet. An diesem habe ich die Stickerey diesen Nachmittag noch gemacht mit der lezten Kraft meiner Augen. Alleweile wirds gewaschen. Zu dem 4ten findet sich schon wieder Gelegenheit.
Aber wo bleiben die liqueure? Die [4] könntest Du wohl schicken, wenn Du auch kein Geld hast. Du vergißt doch nicht, daß Du für den Thee 3 Carolin zu fordern hast? Alle Welt hat liqueure, nur ich hülfsbedürftige nicht, und närrisch genug kommen mir der andern ihre immer in den Weg. Eine Flasche für Md. Paulus wollte mir die Botenfrau lezthin aufdrängen und gestern kam Friedrichs kleines Mädchen mit einen Zettel, worin er mich frug, ob Tiek schon da wär ‒ zugleich überreichte sie mir eine Flasche mareschino. Julchen und ich sahen uns mit großen Augen an, ich gab sie zurück, das kleine Mädchen wollte sie aber gar nicht wieder nehmen, bis es sich auswies, daß sie auch ein ofnes Zettelchen für Mereau hatte, dem Friedrich diesen liqueur zum Verkauf anbot, weil er einen zu großen Vorrath habe. ‒ Schick uns bald welchen, mein guter Schlegel. Aller der Weimarsche ist doch schlecht. Friedrich [5] bekömmt er aber gut, er war diesen Morgen im Zimmer um den Goethe zu sehn, Gott behüt ihn, er wird recht dick. Sie werden ihn in Berlin darüber berufen, und er legt ein gut Zeugniß für die Erregungstheorie ab.
Tiek sagt mir, Friedrich habe ihm versichert, er werde bey seiner Schwester wohnen. Die Veit denn doch wohl nicht. Aber Charlotte muß sehr gewonnen seyn, da sie sich auch nur dazu entschlossen hat. Sie weiß doch, was das sagen will, wenn Friedrich bey jemand wohnt. Vielleicht glaubt sie, es sey alles anders mit ihm, und es ist mit dem, was sie ehemals so in ihm chokirte, viel schlimmer. Aber ich bitte Dich, bewundre nur, wie sie so unter der Hand gearbeitet haben um zu ihren Zwecken zu kommen. Ludw. Tiek scheint auch ganz wieder für die Veit gestimmt zu seyn. Bestätige Fr. Tiek bey Gelegenheit doch, welche Mühe sich die Veit gegeben hat [6] Ludwig bey uns allen verdächtig zu machen, namentlich bey Dir, der Du damals am wenigsten drauf gabst. ‒ Mit Friedrich solltest Du doch suchen es zur Rede zu bringen. Der Schaden greift immer mehr um sich. Du kannst überzeugt seyn, daß sie ihn dahin gebracht hat auch in Berlin gegen mich zu reden, um sich zu sauviren, sie fürchtet über alles, daß man in Berlin schlecht von ihr urtheile, Du hast denn doch noch diese Rechte über ihn für so viel brüderliche Handlungen. Meine Gesinnung kennst Du, und diese Disharmonie zerreißt mich so, wenn einmal meine Seele bey ihr verweilt, daß ich auch jedes gerechte ressentiment gern fahren lasse, um sie aufzuheben. Für mich ist sie nemlich aufgehoben, sobald Du und ich uns mit Friedrich verstehn. Die Veit wiederzusehn das wäre unwürdig, da ich [7] überzeugt bin von ihrer innern Schlechtigkeit, das kann kein Hinderniß für Friedrich seyn, sobald ich ihn nur mit seiner Überzeugung schone. Doch still davon, ich habe Dir nur sagen wollen, daß Du nicht so blos nach Deiner Scheue zu Werk gehn sollst, und überdem daß Du jede Vollmacht von mir hast. Sehr gut wärs gewesen, wenn Du Charlotten im Sommer besucht hättest.
–––––
Tiek wird Dir sagen, wie sehr ihn das Bild eingenommen hat. Lieber Wilhelm, es ist ohne Vergleich wahrer als alle Zeichnungen und lieblicher. Und die lezte Zeichnung verliert fast am meisten dagegen durch eine fast französische Wendung. Doch aber, weil sie nicht jenen melancholischen Charakter der Copie von Schwarz hat, hab ich mich entschloßen eben diese an Marcus zu schicken. Es ist eine freundlichere Erinnerung. [8] Tiek copirt uns auch das Gemählde und besser. Er hat sehr gut das Eigenthümliche des holden Gesichtes gefast.
Ich gebe ihm einen der besondern Abdrücke des Todtenopfers mit. Du wirst doch wahrscheinlich auch wie ich die beyden Sonnette von Tiek noch herausschneiden. Die andern habe ich heften lassen, recht sauber in grau Papier, inwendig hellgrün. Eins sollen Gotters, eins Tischbeins, 2 meine beyden Brüder, eins Schelling und eins ich haben. [Geschäfte.]
Schelling grüßt Dich von ganzer Seele. Du kannst Dich darauf verlassen, daß ich zu Dir komme. Ich habe unter unaufhörlichen Unterbrechungen und etwas Herzweh geschrieben. Leb recht wohl, [9] Du könntest mit dem liqueur 1 Exemplar von Shakesp. 8. Band vielleicht schicken. Zu meinen Aushängebogen schick mir wenigstens einen Titel. ‒ Hast Du den neuen Homer gesehn? Die Veränderungen scheinen unbeträchtlich. Die Weihe hätte wegbleiben mögen, und ich capitulire mit Schelling, daß er sie nicht soll mitbinden lassen, weil er Dich doch einmal vermuthlich drin gemeint hat. So so? also Fichte verweiset Schelling auf den Parnassus? Rosens Schwester heyrathet einen jungen Handwerksmann, einen Nadler, wo Rose uns nun schlechte Nähnadeln herholt. In 14 Tagen ist die Hochzeit. Rose wartet aber auf den, der ihr versprochen hat wiederzukommen. [10]
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