• Caroline von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Berlin · Date: 8. März [1802]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Caroline von Schelling
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 8. März [1802]
  • Notations: Datum (Jahr) sowie Absende- und Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 370516575
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 311‒315 u. S. 637 (Kommentar).
  • Incipit: „[1] [Jena] Montag d. 8ten März [1802].
    Das fürchtete ich nicht einen solchen Brief noch von Dir zu erhalten wie der gestrige, [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-36905
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.22,Nr.30
  • Number of Pages: 8 S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 18,7 x 11,4 cm
[1] [Jena] Montag d. 8ten März [1802].
Das fürchtete ich nicht einen solchen Brief noch von Dir zu erhalten wie der gestrige, mein lieber Freund, und Du weißt genug, daß er mich nicht gleichgültig lassen konnte, denn es scheint nur ein Kleines und ein vorübergehender Schmerz, wenn eine solche Blüthe abfällt, aber wir wissen nicht, ob sie nicht alle abfallen werden, es war gut für euch und mich, daß ich noch nicht dort war. So starb eben vor einem Jahr der liebe schöne Knabe fast in meinen Armen, ich würde mir wie die Todesbringerin erschienen seyn und der Mutter ein wahnvolles Zeichen. ‒ Möge sie sich bald erholen, und ich euch heitrer treffen. Es thut mir leid, daß ich nun gar keine Nachricht mehr von Dir erwarten kann, es sey denn, daß Grattenauer noch nicht abgereist wäre, wenn Du dieses, nach meiner Rechnung, Sonnabend am 13 März erhältst. Denn da ich in Deinem Briefe Spuren bemerke, daß Du es wünschest, so habe ich [2] alle meine Einrichtungen nochmals aufgegeben und will Grattenauers Ankunft abwarten. [Auftrag.] Das wird mir nur sehr unangenehm seyn, wenn ich lange, und vielleicht gar (wenn er, wie in seinem damaligen Billet steht, erst am 16ten abreisen kann) bis den 19ten oder 20ten auf irgend eine Nachricht warten müste, indem ich zugleich keine Nachricht von Dir und [3] eurer Verfassung hätte. Indessen muß ich mich nun in Geduld fügen. [Auftrag.] Dem Doctor Hufeland hab ich den Zwischenfall gleich gemeldet, Frommans wollen mir ihren Wagen hernach auch noch geben, wenn sie ihn nicht nothwendig anders gebrauchen. Julchen fand am Sonnabend d. h. Vorgestern [4] eine schickliche Gelegenheit nach Gotha, so daß ich allein im Hause bin, und das Haus überhaupt in Absicht der bereits weggeräumten Sachen ziemlich öde ist. Außerdem ist es nicht übel, daß ich noch einige Frist habe, ich war wiederum nicht wohl und litt heftig an einem Magenkrampf mit Durchfall. Auch werden die Wege täglich besser.
Ich stelle mir vor, daß Zelter ganz von Erzählungen überfließen wird und dazwischen wohl noch etwas geheimnißvoll ist. So wird er die erhaltnen Gedichte schwerlich mittheilen. Eines heißt: der frühe Lenz. Goethe ist seit ein oder zwei Tagen wieder hier, er arbeitet gewiß etwas, vielleicht den Roman, von dem Schelling, ich weiß selbst nicht warum, vermuthet, daß er von der anmuthigen mehr wie großen Art seyn wird.
[5] Fromman hat ein Schreiben von Friedrich aus Dresden erhalten, sehr liebenswürdig und einnehmen sollend, mit den besten Zusagen wegen des Plato und Klagen über die Corruptheit des Textes und die endlose Arbeit, zugleich aber, was mir sehr fremd dünkte, mit der Versichrung, daß sie um Ostern wieder hier seyn werden. Ist es Dir bekannt gewesen? Begreifen kann ich es wohl, da mir die Fromman erzählt, daß die Veit allerdings den dortigen Tribut bezahlen muß, für 4 Wochen hat sie einen Freyschein erhalten, aber nicht länger, und nun kostet ihr jeder Tag zwischen 1 fl. und rh. Nur die ganze Reise als bloße Reise betrachtet läßt sich nicht begreifen, das einzige, was ich mir denken kann, ist, daß die Veit eine dergleichen Ansicht zum Florentin bedurfte. Aber wie übel gewählt die Jahrszeit! Oder sollte Charlotte nur vollständig gewonnen werden? Und was wollen sie nun hier wieder beginnen? Dieser Fleck ist dem Friedrich jetzt so pernicieus [6] wie irgend ein andrer, die Gewohnheit Schulden zu machen, sich der Nascherey zu ergeben und nichts zu thun, klebt schon an ihm. Kannst Du Dir vorstellen, daß Gebrüder Ramann aus Erfurt ebenfalls mit einer Rechnung zwischen 60 und 70 rh. bey mir anfrugen? Wie ungeheuer muß er getrunken haben. ‒ Hier theilen sich die Partheyen; die eine bedauert Friedrich, daß er die Veit habe, und die andre die Veit, daß sie mit Friedrich geplagt sey.
Von Tiek stand in dem Briefe nicht ein Wort. Wie mag es ihm gehn? Das sagte Fromman auch, der Octavian würde vermuthlich sein Bestes ‒ und hat ihm doch das kaufmännische Herz nicht gerührt. Indeß wahrlich kann man ihn nicht schelten. Macht Friedrich nicht bald mit dem Plato, so bricht es Fromman auch da ab, scheint mir.
Ich habe den Thucydides indeß gelesen [7] in einer ganz neuen französischen Übersetzung. Ich schmachte ordentlich nach einem deutschen Plato und Thucydides. Und ruhet euer Sophokles ganz? Schelling grüßt Dich von ganzer Seele, er ist ganz in Arbeit begraben. ‒ Julchen ist mit vielen Thränen geschieden. ‒
Es machte mir viel Freude zu hören, daß sich Deine Vorlesungen so schön erhalten, und würde mich etwas betrüben, wenn ich nichts mehr davon mit eignen Ohren und Augen vernähme. ‒ Wenn Tiek nichts zu thun hat, so soll er eine Goethesche Büste für Frommans ausarbeiten, mit oder ohne Drapperie, wie er es am schönsten hält. Ich habe versprochen ihn anzuhalten, daß er sie recht vortreflich ausarbeitet. Die Meinige gebe ich ihnen derweil in Verwahrung, und es war eine List von mir, ich wußte, dann würden sie doch eine eigne an die Stelle haben wollen.
[8] Schelling sitzt dort und ließt in einem freyen Augenblick Dein erstes Gespräch im ersten Athenäum. Er rühmt, daß so viel Scharfsinn darin sey, und nimmt sich vor es recht zu studiren.
Heb mir doch den Hauskauf zu Papillotten für meine Locken auf. Sechs Wochen hättest Du es aber leicht früher der Unzelmann geben können. Sey übrigens nicht besorgt, ich werde sehr bescheiden seyn mit dem Theater, daß wir den Mangel der Freybillete nicht zu stark empfinden. Einfältig ist doch, daß Ifland mit dem Ion so zögert. (Dieser ist ohne irgend eine Abkürzung für Frankfurt abgeschrieben.)
Wer ist denn Hr. Kynosarges? Du theilst mir auch nichts mit. Schelling giebt an, es wäre ein hündischer Titel.
Lebe wohl, mein guter lieber Freund. Grüße Deine Hausgenossen und sage der armen Mutter, daß eine viel ärmere Mutter ihrer mit Theilnahme gedenkt.
[1] [Jena] Montag d. 8ten März [1802].
Das fürchtete ich nicht einen solchen Brief noch von Dir zu erhalten wie der gestrige, mein lieber Freund, und Du weißt genug, daß er mich nicht gleichgültig lassen konnte, denn es scheint nur ein Kleines und ein vorübergehender Schmerz, wenn eine solche Blüthe abfällt, aber wir wissen nicht, ob sie nicht alle abfallen werden, es war gut für euch und mich, daß ich noch nicht dort war. So starb eben vor einem Jahr der liebe schöne Knabe fast in meinen Armen, ich würde mir wie die Todesbringerin erschienen seyn und der Mutter ein wahnvolles Zeichen. ‒ Möge sie sich bald erholen, und ich euch heitrer treffen. Es thut mir leid, daß ich nun gar keine Nachricht mehr von Dir erwarten kann, es sey denn, daß Grattenauer noch nicht abgereist wäre, wenn Du dieses, nach meiner Rechnung, Sonnabend am 13 März erhältst. Denn da ich in Deinem Briefe Spuren bemerke, daß Du es wünschest, so habe ich [2] alle meine Einrichtungen nochmals aufgegeben und will Grattenauers Ankunft abwarten. [Auftrag.] Das wird mir nur sehr unangenehm seyn, wenn ich lange, und vielleicht gar (wenn er, wie in seinem damaligen Billet steht, erst am 16ten abreisen kann) bis den 19ten oder 20ten auf irgend eine Nachricht warten müste, indem ich zugleich keine Nachricht von Dir und [3] eurer Verfassung hätte. Indessen muß ich mich nun in Geduld fügen. [Auftrag.] Dem Doctor Hufeland hab ich den Zwischenfall gleich gemeldet, Frommans wollen mir ihren Wagen hernach auch noch geben, wenn sie ihn nicht nothwendig anders gebrauchen. Julchen fand am Sonnabend d. h. Vorgestern [4] eine schickliche Gelegenheit nach Gotha, so daß ich allein im Hause bin, und das Haus überhaupt in Absicht der bereits weggeräumten Sachen ziemlich öde ist. Außerdem ist es nicht übel, daß ich noch einige Frist habe, ich war wiederum nicht wohl und litt heftig an einem Magenkrampf mit Durchfall. Auch werden die Wege täglich besser.
Ich stelle mir vor, daß Zelter ganz von Erzählungen überfließen wird und dazwischen wohl noch etwas geheimnißvoll ist. So wird er die erhaltnen Gedichte schwerlich mittheilen. Eines heißt: der frühe Lenz. Goethe ist seit ein oder zwei Tagen wieder hier, er arbeitet gewiß etwas, vielleicht den Roman, von dem Schelling, ich weiß selbst nicht warum, vermuthet, daß er von der anmuthigen mehr wie großen Art seyn wird.
[5] Fromman hat ein Schreiben von Friedrich aus Dresden erhalten, sehr liebenswürdig und einnehmen sollend, mit den besten Zusagen wegen des Plato und Klagen über die Corruptheit des Textes und die endlose Arbeit, zugleich aber, was mir sehr fremd dünkte, mit der Versichrung, daß sie um Ostern wieder hier seyn werden. Ist es Dir bekannt gewesen? Begreifen kann ich es wohl, da mir die Fromman erzählt, daß die Veit allerdings den dortigen Tribut bezahlen muß, für 4 Wochen hat sie einen Freyschein erhalten, aber nicht länger, und nun kostet ihr jeder Tag zwischen 1 fl. und rh. Nur die ganze Reise als bloße Reise betrachtet läßt sich nicht begreifen, das einzige, was ich mir denken kann, ist, daß die Veit eine dergleichen Ansicht zum Florentin bedurfte. Aber wie übel gewählt die Jahrszeit! Oder sollte Charlotte nur vollständig gewonnen werden? Und was wollen sie nun hier wieder beginnen? Dieser Fleck ist dem Friedrich jetzt so pernicieus [6] wie irgend ein andrer, die Gewohnheit Schulden zu machen, sich der Nascherey zu ergeben und nichts zu thun, klebt schon an ihm. Kannst Du Dir vorstellen, daß Gebrüder Ramann aus Erfurt ebenfalls mit einer Rechnung zwischen 60 und 70 rh. bey mir anfrugen? Wie ungeheuer muß er getrunken haben. ‒ Hier theilen sich die Partheyen; die eine bedauert Friedrich, daß er die Veit habe, und die andre die Veit, daß sie mit Friedrich geplagt sey.
Von Tiek stand in dem Briefe nicht ein Wort. Wie mag es ihm gehn? Das sagte Fromman auch, der Octavian würde vermuthlich sein Bestes ‒ und hat ihm doch das kaufmännische Herz nicht gerührt. Indeß wahrlich kann man ihn nicht schelten. Macht Friedrich nicht bald mit dem Plato, so bricht es Fromman auch da ab, scheint mir.
Ich habe den Thucydides indeß gelesen [7] in einer ganz neuen französischen Übersetzung. Ich schmachte ordentlich nach einem deutschen Plato und Thucydides. Und ruhet euer Sophokles ganz? Schelling grüßt Dich von ganzer Seele, er ist ganz in Arbeit begraben. ‒ Julchen ist mit vielen Thränen geschieden. ‒
Es machte mir viel Freude zu hören, daß sich Deine Vorlesungen so schön erhalten, und würde mich etwas betrüben, wenn ich nichts mehr davon mit eignen Ohren und Augen vernähme. ‒ Wenn Tiek nichts zu thun hat, so soll er eine Goethesche Büste für Frommans ausarbeiten, mit oder ohne Drapperie, wie er es am schönsten hält. Ich habe versprochen ihn anzuhalten, daß er sie recht vortreflich ausarbeitet. Die Meinige gebe ich ihnen derweil in Verwahrung, und es war eine List von mir, ich wußte, dann würden sie doch eine eigne an die Stelle haben wollen.
[8] Schelling sitzt dort und ließt in einem freyen Augenblick Dein erstes Gespräch im ersten Athenäum. Er rühmt, daß so viel Scharfsinn darin sey, und nimmt sich vor es recht zu studiren.
Heb mir doch den Hauskauf zu Papillotten für meine Locken auf. Sechs Wochen hättest Du es aber leicht früher der Unzelmann geben können. Sey übrigens nicht besorgt, ich werde sehr bescheiden seyn mit dem Theater, daß wir den Mangel der Freybillete nicht zu stark empfinden. Einfältig ist doch, daß Ifland mit dem Ion so zögert. (Dieser ist ohne irgend eine Abkürzung für Frankfurt abgeschrieben.)
Wer ist denn Hr. Kynosarges? Du theilst mir auch nichts mit. Schelling giebt an, es wäre ein hündischer Titel.
Lebe wohl, mein guter lieber Freund. Grüße Deine Hausgenossen und sage der armen Mutter, daß eine viel ärmere Mutter ihrer mit Theilnahme gedenkt.
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