• August Wilhelm von Schlegel to Therese de Jauzat

  • Place of Dispatch: Bonn · Place of Destination: Bonn · Date: [April 1827]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Therese de Jauzat
  • Place of Dispatch: Bonn
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: [April 1827]
  • Notations: Datum sowie Absende- und Empfangsort erschlossen. – Datierung: Therese Peche (spätere de Jauzat/Jauzet) war 1826/1827 am Theater Bonn engagiert, bevor sie 1827 ans Hamburger Stadttheater wechselte.
    Printed Text
  • Bibliography: Walterscheid, Joseph: Das Bonner Theater im 19. Jahrhundert (1797 bis 1914). Emsdetten 1959 (= Die Schaubühne, 52), S. 13‒14.
  • Verlag: Lechte
  • Incipit: „Ich kann Sie nicht abreisen lassen, mein Fräulein, ohne Ihnen mein lebhaftes Bedauern auszudrücken, daß ich erst so spät und beinahe [...]“
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Ich kann Sie nicht abreisen lassen, mein Fräulein, ohne Ihnen mein lebhaftes Bedauern auszudrücken, daß ich erst so spät und beinahe nur zum Abschiede das Glück hatte, Ihre Bekanntschaft auf der Bühne und persönlich zu machen. Überhäufte Arbeiten anderer Art, dann auch ein ungünstiges Vorurteil gegen die heutigen Modeschauspiele und die Weise, wie man sie aufführt, hatten mich seit langer Zeit vom Theater entfernt gehalten. In die Aufführung von Romeo und Julie zog mich mehr die Neugierde, als die Erwartung, befriedigt zu werden. Aber wie wohl ich schon viel von Ihnen hatte rühmen hören, so war ich dennoch überrascht, erstaunt und bezaubert. Ich weiß, wie schwierig die weibliche Hauptrolle ist: Es gehören dazu außer dem Talent auch alle die Begünstigungen der Natur, die sie in so reichem Maße besitzen. Als ich Goethen zuerst meine Übersetzung noch in der Handschrift mitteilte, hatte er große Lust, das Stück auf die Bühne zu bringen, doch unternahm er es nicht, weil kurz zuvor eine junge und liebenswürdige Schauspielerin gestorben war, der er damals einzig einen vollkommenen Erfolg zutraute. Es ist Ihnen gelungen, in dieser gewagten Rolle die ganze Gewalt der Leidenschaften auszudrücken und doch alles mit der sittsamsten und zartesten Anmut zu überkleiden. Ich wünsche nur, Sie mögen nicht zu oft in dem Falle sein, das Alltägliche zu spielen oder jene überspannten und verschrobenen Rollen einzulernen, die man froh sein würde, sobald als möglich wieder zu vergessen. Sie sind berufen, die Werke wahrhaft großer Dichter durch ihre Darstellungen zur Erscheinung zu bringen. Nächst Julie, worin Sie immer die Gunst des gebildeten Publikums gewinnen werden, sind Schillers Thekla und Maria Stuart, Goethes Klärchen und Iphigenie, Lessings Emilie Galotti und Recha im Nathan, Shakespeares Ophelia und Desdemona, Porcia im Kaufmann von Venedig, Miranda im Sturm usw. für Sie geeignete Rollen. Ich hätte gewünscht, Sie alle mit Ihnen lesen zu können. Sie hätten dabei wahrscheinlich nichts gewonnen, als einige kleine Vorteile, die mich eine lange Beobachtung und die Bekanntschaft mit den vornehmsten Theatern gelehrt haben. Mir wäre es unendlich schmeichelhaft gewesen, wenn man Sie auch irrigerweise für meine Schülerin ausgegeben hätte. Sie bedürfen keiner gelehrten Anleitung, Sie besitzen alles Wesentliche und Ihr natürliches Gefühl wird Sie am Richtigsten leiten. Überwinden Sie nur Ihre liebenswürdige Schüchternheit und treten Sie mit voller Sicherheit auf.
Wenn Sie bald auf größeren Schauplätzen allgemeinen Beifall gewinnen, und als eine Schauspielerin genannt werden, die an den Ruhm einer Unzelmann erinnert, so bitte ich Sie mein Fräulein, erinnern Sie sich mit Wohlwollen eines Mannes, dessen Urteil über dramatische und theatralische Kunst in Deutschland und im Auslande nicht ohne Gewicht war, den man oft der Ungerechtigkeit gegen verdienstliche Leistungen beschuldigt hat, der aber in Wahrheit dem Geistreichen und Schönen immer bereitwillig huldigte, und der sich jetzt eine Freude daraus macht, in Bezug auf Sie der öffentlichen Stimme vorzueilen und Ihnen eine glänzende Laufbahn anzukündigen.
A. W. v. Schlegel.
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Ich kann Sie nicht abreisen lassen, mein Fräulein, ohne Ihnen mein lebhaftes Bedauern auszudrücken, daß ich erst so spät und beinahe nur zum Abschiede das Glück hatte, Ihre Bekanntschaft auf der Bühne und persönlich zu machen. Überhäufte Arbeiten anderer Art, dann auch ein ungünstiges Vorurteil gegen die heutigen Modeschauspiele und die Weise, wie man sie aufführt, hatten mich seit langer Zeit vom Theater entfernt gehalten. In die Aufführung von Romeo und Julie zog mich mehr die Neugierde, als die Erwartung, befriedigt zu werden. Aber wie wohl ich schon viel von Ihnen hatte rühmen hören, so war ich dennoch überrascht, erstaunt und bezaubert. Ich weiß, wie schwierig die weibliche Hauptrolle ist: Es gehören dazu außer dem Talent auch alle die Begünstigungen der Natur, die sie in so reichem Maße besitzen. Als ich Goethen zuerst meine Übersetzung noch in der Handschrift mitteilte, hatte er große Lust, das Stück auf die Bühne zu bringen, doch unternahm er es nicht, weil kurz zuvor eine junge und liebenswürdige Schauspielerin gestorben war, der er damals einzig einen vollkommenen Erfolg zutraute. Es ist Ihnen gelungen, in dieser gewagten Rolle die ganze Gewalt der Leidenschaften auszudrücken und doch alles mit der sittsamsten und zartesten Anmut zu überkleiden. Ich wünsche nur, Sie mögen nicht zu oft in dem Falle sein, das Alltägliche zu spielen oder jene überspannten und verschrobenen Rollen einzulernen, die man froh sein würde, sobald als möglich wieder zu vergessen. Sie sind berufen, die Werke wahrhaft großer Dichter durch ihre Darstellungen zur Erscheinung zu bringen. Nächst Julie, worin Sie immer die Gunst des gebildeten Publikums gewinnen werden, sind Schillers Thekla und Maria Stuart, Goethes Klärchen und Iphigenie, Lessings Emilie Galotti und Recha im Nathan, Shakespeares Ophelia und Desdemona, Porcia im Kaufmann von Venedig, Miranda im Sturm usw. für Sie geeignete Rollen. Ich hätte gewünscht, Sie alle mit Ihnen lesen zu können. Sie hätten dabei wahrscheinlich nichts gewonnen, als einige kleine Vorteile, die mich eine lange Beobachtung und die Bekanntschaft mit den vornehmsten Theatern gelehrt haben. Mir wäre es unendlich schmeichelhaft gewesen, wenn man Sie auch irrigerweise für meine Schülerin ausgegeben hätte. Sie bedürfen keiner gelehrten Anleitung, Sie besitzen alles Wesentliche und Ihr natürliches Gefühl wird Sie am Richtigsten leiten. Überwinden Sie nur Ihre liebenswürdige Schüchternheit und treten Sie mit voller Sicherheit auf.
Wenn Sie bald auf größeren Schauplätzen allgemeinen Beifall gewinnen, und als eine Schauspielerin genannt werden, die an den Ruhm einer Unzelmann erinnert, so bitte ich Sie mein Fräulein, erinnern Sie sich mit Wohlwollen eines Mannes, dessen Urteil über dramatische und theatralische Kunst in Deutschland und im Auslande nicht ohne Gewicht war, den man oft der Ungerechtigkeit gegen verdienstliche Leistungen beschuldigt hat, der aber in Wahrheit dem Geistreichen und Schönen immer bereitwillig huldigte, und der sich jetzt eine Freude daraus macht, in Bezug auf Sie der öffentlichen Stimme vorzueilen und Ihnen eine glänzende Laufbahn anzukündigen.
A. W. v. Schlegel.
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