• Sophie Bernhardi to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: München · Place of Destination: Unknown · Date: 14. März [1805]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Sophie Bernhardi
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: München
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 14. März [1805]
  • Notations: Datum (Jahr) erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 190‒193.
  • Incipit: „[1] München den 14ten März [1805]
    Es ist grausam für mich mein geliebter Freund daß ich Ihnen noch aus München schreiben muß [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,15,34
  • Number of Pages: 8 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,4 x 11,6 cm
[1] München den 14ten März [1805]
Es ist grausam für mich mein geliebter Freund daß ich Ihnen noch aus München schreiben muß zu einer Zeit wo ich mit Sicherheit glaubte das ich schon in Rom sein würde. Ich meinte ich würde Sie dort erwarten können und nun muß ich Sie flehentlich bitten das Sie es so einrichten das wir uns nicht verfehlen, ach liebster Freund würden Sie sich darüber trösten können? Ihr lezter Brief den mir mein Bruder von Weimar geschickt hat hat mich nur halb getröstet. Ich weiß nicht warum mich eine unwiederstehliche Wehmuht überfält wen[n] ich an Sie dencke, solte es eine Ahndung sein, solte ich Sie nicht mit demselben Herzen wiederfinden wie ich Sie verlassen habe? Ich weiß nicht wie ich es ertragen solte. Ich sage mir selbst wie ich Ihnen damit Unrecht thue wen[n] ich an Sie zweifle und suche mich zu trösten so gut ich kann. Lieber Freund Sie glauben nicht wie unglücklich es mir geht, ich möchte oft ganz in Verzweiflung gerahten, wir hatten alles so gut eingerichtet wie man es nur mit dem menschlichen Verstande kann und meines Bruders unglückseelige Art mit der [2] er überall hängen bleibt hat alles vereitelt. Mein ältester Bruder kam nach Weimar um mich zu begleiten und wir reißten hieher mit 700 Thaler ab, hier wolten wir 3 Wochen bleiben, dan versprach mein Bruder auf das allertheuerste uns hieher nachzukommen er muste 8 bis 900 Thaler gewiß mitbringen und so konten wir in der größten Sicherheit nach Rom kommen, dies war den 13 und so sehen Sie ein das wir Sie dort erwarten konten. Stat dessen bleibt er bis gegen ende des Feber in Weimar, geht dan nach Berlin wo er noch ist und läßt uns hier sitzen ohne nur einmal zu schreiben so das ich von einen Tag zum andern hoffe in der schmerzlichsten Pein es soll ein Brief kommen der uns sagt jezt wird er kommen. Stadt dessen komt vor einigen Tagen ein Brief worauß sich ergiebt das er noch gar nicht weiß wen[n] er von Berlin abreisen wird worrauß ich sehe das er meine Angelegenheit mit Bernhardi dort eben so langsam betreibt die doch ein Hauptbewegungsgrund seiner Reise war [3] wodurch B[ernhardi] und sein Vater der hauptsächlich darauf besteht den Wilhelm zu haben zeit gewint seine Anstalten zu machen wodurch ich nun hier in Todesangst lebe, den[n] sie dürfen mich ja nur reklamiren daß ich vor ausgemachter Sache nicht weiter reisen kann mit meinen Kindern. Ich möchte ganz verzweiflen das ein Mensch der mir so treu und gut ist so handeln kann. Zu allen diesem komt noch das mein Bruder Ludwig hier die Gicht so heftig hat wie in Jena, das wir seit 4 Wochen wo er gänzlig unbeweglich ist ihn haben heben und tragen müssen. Ich bin theils durch diese Kranckheit theils durch Nachrichten die vorher kamen deren weitläuftigen Inhalt ich Ihnen mündlich mittheilen will so angegriffen das ich nachdem ich viele Tage ein heftiges Fieber hatte endlich 24 Stunden lang die aller heftigsten Krämpfe bekam wobei mein Leben in Gefahr war. Ich habe in dem einen Tage und Nacht weit über 100 Tropfen Opium bekommen, Nafta und viele andere Mittel sind gar nicht zu zählen, dabei immer die heftigsten Einreibungen, es lößte sich endlig in ein Fieber auf wobei ich phan[4]tasirte und nun leide ich am heftigen Blutverlust bin aber doch seit Gestern aus dem Bette. Dabei aber haben wir nun in den 3 Monahten die wir hier sind und auf der Reise hieher unser Geld ausgegeben. Und schreibt mein Bruder selbst, wir möchten nur lieber voranreisen, schreibt aber kein Wort von Geld, schickt auch keins. Ich leide an einer grausamen Ermattung und kann fast nichts geniessen den[n] durch die heftigen und brennenden Arzneien ist mir die Haut auf Zunge und Gaumen verbrant und nun gänzlich losgegangen so das mir alles Essen Höllen Schmerzen verursacht, mein Leib ist eben so von den Einreibungen, das kann ich mir aber doch wieder heilen. Sie können sich also denken wie mich sein Brief erfreut hat, ich bitte sie aber ihm nichts darüber zu schreiben. Mein ältester Bruder der mich bis nach Rom begleiten wolte geht durch eine Menge verfluchter Umstände zurik die ich Ihnen alle mündlig erzählen will. Dabei wohnen wir hier äusserst unbequem und ich habe hier im vollen Maß [5] allen Druck des Lebens empfunden, dadurch ist mir München so verhast geworden das ich wohl nimmermehr wieder herkommen will wen[n] ich nur einmal weg bin. Wen[n] Sie mich lieben mein geliebter Freund mein theurer Bruder so müssen Sie eine rechte Danckbarkeit gegen Knorring empfinden der uns in diesem Elende so treulich beigestanden hat, der uns gern die niedrigsten Dienste eines Bedienten leistete um unsre Lage zu erleichtern. Dan haben wir hier noch einen Freund gefunden durch dessen Hülfe wir nun aus dieser Noht kommen werden. Ein Herr v. Nattorp aus Ungarn. Sein Geld ist durch einen Zufal ausgeblieben, er will auch nach Italien, er hat eine Staffette nach Wien geschickt an seinen Advokaten, so bald der zurik ist reisen wir ab und das wird wohl in 8 Tagen etwa sein. Ich muß Sie wiedersehen geliebter Freund also bitte ich Sie flehentlich richten Sie es so ein das Sie noch dort sind, eine Stunde nur in Ihre Augen zu sehen das wird alle Zweifel heilen die jezt in meinem Herzen leben. Wen[n] Sie geliebter Bruder etwaß für meine Lage thun können die nun ernsthafter ist als je indem ich Knorring [6] noch mit darin verwickelt habe so beschwöre ich Sie es zu thun. Legen Sie wen[n] Sie wollen mein Schicksall Ihrer Freundin zu Füssen vertrauen Sie ihr meine Lage nur eines nicht waß ich diesem Brief auch nicht vertraue. Den[n] ich weiß nicht wie es werden soll wir müssen dem Nattorp sein Geld in Rom doch wiedergeben und selbst gewiß eine lange Zeit leben den[n] nun weiß ich ja gar nicht wen[n] mein Bruder nachkomt. Wie Knorrings Geld oft ausbleibt wissen Sie, auch ist es für mich fürchterlig alles nun von ihm zu nehmen. Wen[n] mein Bruder endlig komt so weiß man ja nicht ob er nicht alles ausgegeben hat wen[n] er sich so lange aufhält ohne beschäftigt zu sein. Sie sehen das ich mit Recht traurig bin, dabei komt meine Gesundheit immer mehr zurik und wen[n] ich nun gestorben wäre ohne Sie zu sehen, ohne etwaß über meine Kinder mit Ihnen als meinen treusten Freund als meinen Bruder zu verabreden. Ach liebster Freund lassen Sie mich nicht vergeblich bitten lassen Sie mich ja nicht nach Rom kommen und Sie [7] nicht finden, ich wirde ganz in Verzweiflung sein. Und wen[n] Sie es jezt vernachlässigen wer weiß ob Sie mich jemals wiedersehen. Lieber Freund ich sage dies nicht aus schwermühtigen Grillen, kein Arzt zweifelt daran das ich nicht lange mehr leben kann und Reubel der hier mein Arzt hat es mir selbst als ich ihn auf Pflicht und Gewissen fragte gesagt. Also beschwöre ich Sie lassen Sie mein Andenken nicht so in Ihrer Brust erloschen sein das wir uns jezt verfehlen. Sie werden in der Osterwoche doch in Rom sein wen[n] Sie nun auch eine länger bleiben um mich zu sehn. Leben Sie wohl ich kann nicht mehr schreiben ich bin so angegriffen. Thuen Sie für mich waß Sie können und schieben Sie es nicht mehr auf sonst möchte es zu spät sein. Ich bringe mein Trauerspiel fertig mit und von Flore und Blantscheflur einige Gesänge. Die Kinder sind recht gesund und freuen sich auf alles was Sie ihnen schenken werden, Felix ist so schön wie ein Engel, brült aber eben jezt wie ein Löwe. [8] Leben Sie tausend mal wohl bis ich Sie wiedersehe.
S[ophie] Tieck
[1] München den 14ten März [1805]
Es ist grausam für mich mein geliebter Freund daß ich Ihnen noch aus München schreiben muß zu einer Zeit wo ich mit Sicherheit glaubte das ich schon in Rom sein würde. Ich meinte ich würde Sie dort erwarten können und nun muß ich Sie flehentlich bitten das Sie es so einrichten das wir uns nicht verfehlen, ach liebster Freund würden Sie sich darüber trösten können? Ihr lezter Brief den mir mein Bruder von Weimar geschickt hat hat mich nur halb getröstet. Ich weiß nicht warum mich eine unwiederstehliche Wehmuht überfält wen[n] ich an Sie dencke, solte es eine Ahndung sein, solte ich Sie nicht mit demselben Herzen wiederfinden wie ich Sie verlassen habe? Ich weiß nicht wie ich es ertragen solte. Ich sage mir selbst wie ich Ihnen damit Unrecht thue wen[n] ich an Sie zweifle und suche mich zu trösten so gut ich kann. Lieber Freund Sie glauben nicht wie unglücklich es mir geht, ich möchte oft ganz in Verzweiflung gerahten, wir hatten alles so gut eingerichtet wie man es nur mit dem menschlichen Verstande kann und meines Bruders unglückseelige Art mit der [2] er überall hängen bleibt hat alles vereitelt. Mein ältester Bruder kam nach Weimar um mich zu begleiten und wir reißten hieher mit 700 Thaler ab, hier wolten wir 3 Wochen bleiben, dan versprach mein Bruder auf das allertheuerste uns hieher nachzukommen er muste 8 bis 900 Thaler gewiß mitbringen und so konten wir in der größten Sicherheit nach Rom kommen, dies war den 13 und so sehen Sie ein das wir Sie dort erwarten konten. Stat dessen bleibt er bis gegen ende des Feber in Weimar, geht dan nach Berlin wo er noch ist und läßt uns hier sitzen ohne nur einmal zu schreiben so das ich von einen Tag zum andern hoffe in der schmerzlichsten Pein es soll ein Brief kommen der uns sagt jezt wird er kommen. Stadt dessen komt vor einigen Tagen ein Brief worauß sich ergiebt das er noch gar nicht weiß wen[n] er von Berlin abreisen wird worrauß ich sehe das er meine Angelegenheit mit Bernhardi dort eben so langsam betreibt die doch ein Hauptbewegungsgrund seiner Reise war [3] wodurch B[ernhardi] und sein Vater der hauptsächlich darauf besteht den Wilhelm zu haben zeit gewint seine Anstalten zu machen wodurch ich nun hier in Todesangst lebe, den[n] sie dürfen mich ja nur reklamiren daß ich vor ausgemachter Sache nicht weiter reisen kann mit meinen Kindern. Ich möchte ganz verzweiflen das ein Mensch der mir so treu und gut ist so handeln kann. Zu allen diesem komt noch das mein Bruder Ludwig hier die Gicht so heftig hat wie in Jena, das wir seit 4 Wochen wo er gänzlig unbeweglich ist ihn haben heben und tragen müssen. Ich bin theils durch diese Kranckheit theils durch Nachrichten die vorher kamen deren weitläuftigen Inhalt ich Ihnen mündlich mittheilen will so angegriffen das ich nachdem ich viele Tage ein heftiges Fieber hatte endlich 24 Stunden lang die aller heftigsten Krämpfe bekam wobei mein Leben in Gefahr war. Ich habe in dem einen Tage und Nacht weit über 100 Tropfen Opium bekommen, Nafta und viele andere Mittel sind gar nicht zu zählen, dabei immer die heftigsten Einreibungen, es lößte sich endlig in ein Fieber auf wobei ich phan[4]tasirte und nun leide ich am heftigen Blutverlust bin aber doch seit Gestern aus dem Bette. Dabei aber haben wir nun in den 3 Monahten die wir hier sind und auf der Reise hieher unser Geld ausgegeben. Und schreibt mein Bruder selbst, wir möchten nur lieber voranreisen, schreibt aber kein Wort von Geld, schickt auch keins. Ich leide an einer grausamen Ermattung und kann fast nichts geniessen den[n] durch die heftigen und brennenden Arzneien ist mir die Haut auf Zunge und Gaumen verbrant und nun gänzlich losgegangen so das mir alles Essen Höllen Schmerzen verursacht, mein Leib ist eben so von den Einreibungen, das kann ich mir aber doch wieder heilen. Sie können sich also denken wie mich sein Brief erfreut hat, ich bitte sie aber ihm nichts darüber zu schreiben. Mein ältester Bruder der mich bis nach Rom begleiten wolte geht durch eine Menge verfluchter Umstände zurik die ich Ihnen alle mündlig erzählen will. Dabei wohnen wir hier äusserst unbequem und ich habe hier im vollen Maß [5] allen Druck des Lebens empfunden, dadurch ist mir München so verhast geworden das ich wohl nimmermehr wieder herkommen will wen[n] ich nur einmal weg bin. Wen[n] Sie mich lieben mein geliebter Freund mein theurer Bruder so müssen Sie eine rechte Danckbarkeit gegen Knorring empfinden der uns in diesem Elende so treulich beigestanden hat, der uns gern die niedrigsten Dienste eines Bedienten leistete um unsre Lage zu erleichtern. Dan haben wir hier noch einen Freund gefunden durch dessen Hülfe wir nun aus dieser Noht kommen werden. Ein Herr v. Nattorp aus Ungarn. Sein Geld ist durch einen Zufal ausgeblieben, er will auch nach Italien, er hat eine Staffette nach Wien geschickt an seinen Advokaten, so bald der zurik ist reisen wir ab und das wird wohl in 8 Tagen etwa sein. Ich muß Sie wiedersehen geliebter Freund also bitte ich Sie flehentlich richten Sie es so ein das Sie noch dort sind, eine Stunde nur in Ihre Augen zu sehen das wird alle Zweifel heilen die jezt in meinem Herzen leben. Wen[n] Sie geliebter Bruder etwaß für meine Lage thun können die nun ernsthafter ist als je indem ich Knorring [6] noch mit darin verwickelt habe so beschwöre ich Sie es zu thun. Legen Sie wen[n] Sie wollen mein Schicksall Ihrer Freundin zu Füssen vertrauen Sie ihr meine Lage nur eines nicht waß ich diesem Brief auch nicht vertraue. Den[n] ich weiß nicht wie es werden soll wir müssen dem Nattorp sein Geld in Rom doch wiedergeben und selbst gewiß eine lange Zeit leben den[n] nun weiß ich ja gar nicht wen[n] mein Bruder nachkomt. Wie Knorrings Geld oft ausbleibt wissen Sie, auch ist es für mich fürchterlig alles nun von ihm zu nehmen. Wen[n] mein Bruder endlig komt so weiß man ja nicht ob er nicht alles ausgegeben hat wen[n] er sich so lange aufhält ohne beschäftigt zu sein. Sie sehen das ich mit Recht traurig bin, dabei komt meine Gesundheit immer mehr zurik und wen[n] ich nun gestorben wäre ohne Sie zu sehen, ohne etwaß über meine Kinder mit Ihnen als meinen treusten Freund als meinen Bruder zu verabreden. Ach liebster Freund lassen Sie mich nicht vergeblich bitten lassen Sie mich ja nicht nach Rom kommen und Sie [7] nicht finden, ich wirde ganz in Verzweiflung sein. Und wen[n] Sie es jezt vernachlässigen wer weiß ob Sie mich jemals wiedersehen. Lieber Freund ich sage dies nicht aus schwermühtigen Grillen, kein Arzt zweifelt daran das ich nicht lange mehr leben kann und Reubel der hier mein Arzt hat es mir selbst als ich ihn auf Pflicht und Gewissen fragte gesagt. Also beschwöre ich Sie lassen Sie mein Andenken nicht so in Ihrer Brust erloschen sein das wir uns jezt verfehlen. Sie werden in der Osterwoche doch in Rom sein wen[n] Sie nun auch eine länger bleiben um mich zu sehn. Leben Sie wohl ich kann nicht mehr schreiben ich bin so angegriffen. Thuen Sie für mich waß Sie können und schieben Sie es nicht mehr auf sonst möchte es zu spät sein. Ich bringe mein Trauerspiel fertig mit und von Flore und Blantscheflur einige Gesänge. Die Kinder sind recht gesund und freuen sich auf alles was Sie ihnen schenken werden, Felix ist so schön wie ein Engel, brült aber eben jezt wie ein Löwe. [8] Leben Sie tausend mal wohl bis ich Sie wiedersehe.
S[ophie] Tieck
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