• Friederike Helene Unger to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Unknown · Date: 09.04.1805
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friederike Helene Unger
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 09.04.1805
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 194‒195.
  • Incipit: „[1] Berlin d. 9. April 1805
    Ja mein verehrter Freund, ich bin tief gebeugt. Unsre Gemüther waren ja seit den Jahren unsrer [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-9
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,IV,e,2
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19,8 x 12,2 cm
[1] Berlin d. 9. April 1805
Ja mein verehrter Freund, ich bin tief gebeugt. Unsre Gemüther waren ja seit den Jahren unsrer Kindheit, innig verbunden und hatten eins dem andern zugebildet, so daß wir in Wahrheit uns Eines nennen konnten. Dies schmerzliche Abreißen ist mehr als selbst sterben: meine beßre stärkre Hälfte ist von mir genommen, und ich lebe nur, weil ich muß. Oft war ich schon im stillsten Muthe gewilligt, ihm nachzugehen: nur das unvollendete Werk, daß ich in seinem Geiste fortleben zu lassen strebe, hält mich auf dieser für mich freudenlosen Erde.
Er war ihr Freund: als es ihm gelang, den alten Bund wieder anzuknüpfen, die alte schöne Verbindung wieder neu einzugehen, kamm er mit freudeglänzendem Auge zu mir: so heiter, wie einer, dem sein schönstes Werk gelungen ist. Gewiß: er hatte Sie sehr lieb, und bedauerte zur Zeit des Mißlautes, die Verstimmung, die wohl nur aus einem unglücklichen Mißverstand hervorging.
Ich ringe nach Fassung und Standhaftigkeit, der Strudel von Geschäften, in dem ich mich vom ersten bittern Tage an, stürzen mußte, läßt mich zuweilen glauben, ich sei gefaßt; bis ich mich der Wonne des Grams wieder ganz hingeben kann, und ich wieder bei ihm, bei seinem theuern Andenken bin; den[n] ich lebe ganz, als wäre er noch bei mir, und spreche ihn alle Tage und Stunden.
[2] Ihren Brief erhielt ich, einige Tage, nach Abgang des Meinigen. Ich habe so ganz den rechtlichen Mann darin gefunden. Das Avertissement habe ich so gleich, in verschiedne Zeitungen einrücken lassen, den[n] es ist nicht zu läugnen, daß durch die Ungewißheit worin das Publikum, über die Fortsetzung des Werks ist, eine Stockung im Absatze entstanden ist. Auch hat sich schon jemand (der junge Professor Schütz in Halle) bei mir, zur Fortsetzung gemeldet. Worauf ich ihm, die gedrukte Notiz aus der Hamburger Zeitung ausschnitte, und zusendete. Das verlangte Exemplar von dem 3. Band werden Sie, wie Sie es wünschen erhalten: zum 4. ist noch keine neue Auflage nöthig: so gleich ich Ihren Brief erhielt, ließ ich Auflage, und Auflage Buch durchsehen; aber wie gesagt, die Ungewißheit der Fortsetzung machte eine Stockung. Die Wünsche des Publikums, sind in dieser Rücksicht laut genug ausgesprochen, um für die Zukunft unbesorgt sein zu können.
Ich hoffe mein theurer Freund, daß unser freundliches Verhältniß, für die Zukunft durch nichts gestört werden soll. Ich habe es mir ehrlich zugesagt, für meine noch übrige Zukunft, mich der Leidenschaftlichkeit des Weibes, ganz zu entkleiden, und in meinen Jahren, noch zum Manne zu werden, damit kein Leid, kein Streit, das Werk, daß ich führe, verunstalte.
[3] Mit Ihrem Bruder Friedrich, stehe ich in freundlichen Briefwechsel. Er ist in Cölln, und ich hoffe, wir werden uns zu unsrer gegenseitigen Zufriedenheit verständigen. Er hat mich sonst, oft grausam verkand, und durch Mißtrauen gekränkt. Aber, in meiner Seele, wohnt Friede, den ich an meinem Theile, nie stöhren möchte.
Es gehört zu dem schmerzlichsten Teile meiner Obliegenheiten, daß ich meines Ungers Schatz, den er so viele Jahre hindurch, mit sorgsamer Liebe pflegte und sammelte, seine Bibliothek von mir lassen muß: und doch, was soll sie mir? bin ich nicht dennoch, von allem, was seine Liebe mir verlieh, umgeben? lebt sein Andenken nicht in allem, was ich habe? Ich werde sie zuerst, dem Könige anbieten; und gelingt dies nicht, schicke ich den Katalog, dessen Druk in dieser Woche fertig wird, ins Ausland hier und dort hin, auch Ihnen ist er zugedacht. Nach England oder Rußland, sind mir Vorschläge gethan, die ich nicht aus der Acht lassen darf; nur in dem Fall, daß mir es, auf keinem dieser Wege gelänge, würde ich mich zu einer öffentlichen Versteigerung entschliessen: die allerdings, weniger vortheilhaft ausfallen würde: und davon sollten Sie mein Freund zur gehörigen Zeit benachrichtigt werden.
Wie viel besser sind wir Deutsche doch in Absicht der Litteratur darann, als die [4] Ausländer, indem uns der Deutsche Fleiß, keine der Blüthen ausländischen Geistes vorenthält: wir sind in allen Theilen desselben zu Hause, was Spanien, Italien, Frankreich und Brittanien erzeugt, ist unser. Wie arm, wie einseitig dagegen, behelfen jene Ausländer sich: und wenn etwas, Deutschen Geistes zu sie hin sich verirrt, welche Wahlen! Welche Ausführung! Sie haben es izt wohl in Ihrer Gewalt, den Deutschen Namen, in Ehren zu verkünden. Thun sie es ja: er ists ja werth.
Wen[n]? und wo? dieser Brief Sie treffen wird, weiß Gott! Lassen Sie so bald es thunlich ist, von sich hören; bleiben Sie der Wittwe Ihres ehrenwerthen Freundes hold: die den theuern Namen, den sie trägt, immer ehrenvoll zu erhalten streben wird. Meine ächten Freunde werden auch in der Rücksicht diesen Vorsatz unterstützen, daß sie meinen Verlag, in seinem alten Ruf, mit erhalten werden. Leben Sie recht wohl, und glücklicher als Ihre stets Ihnen mit voller Achtung Ergebne
Unger
[1] Berlin d. 9. April 1805
Ja mein verehrter Freund, ich bin tief gebeugt. Unsre Gemüther waren ja seit den Jahren unsrer Kindheit, innig verbunden und hatten eins dem andern zugebildet, so daß wir in Wahrheit uns Eines nennen konnten. Dies schmerzliche Abreißen ist mehr als selbst sterben: meine beßre stärkre Hälfte ist von mir genommen, und ich lebe nur, weil ich muß. Oft war ich schon im stillsten Muthe gewilligt, ihm nachzugehen: nur das unvollendete Werk, daß ich in seinem Geiste fortleben zu lassen strebe, hält mich auf dieser für mich freudenlosen Erde.
Er war ihr Freund: als es ihm gelang, den alten Bund wieder anzuknüpfen, die alte schöne Verbindung wieder neu einzugehen, kamm er mit freudeglänzendem Auge zu mir: so heiter, wie einer, dem sein schönstes Werk gelungen ist. Gewiß: er hatte Sie sehr lieb, und bedauerte zur Zeit des Mißlautes, die Verstimmung, die wohl nur aus einem unglücklichen Mißverstand hervorging.
Ich ringe nach Fassung und Standhaftigkeit, der Strudel von Geschäften, in dem ich mich vom ersten bittern Tage an, stürzen mußte, läßt mich zuweilen glauben, ich sei gefaßt; bis ich mich der Wonne des Grams wieder ganz hingeben kann, und ich wieder bei ihm, bei seinem theuern Andenken bin; den[n] ich lebe ganz, als wäre er noch bei mir, und spreche ihn alle Tage und Stunden.
[2] Ihren Brief erhielt ich, einige Tage, nach Abgang des Meinigen. Ich habe so ganz den rechtlichen Mann darin gefunden. Das Avertissement habe ich so gleich, in verschiedne Zeitungen einrücken lassen, den[n] es ist nicht zu läugnen, daß durch die Ungewißheit worin das Publikum, über die Fortsetzung des Werks ist, eine Stockung im Absatze entstanden ist. Auch hat sich schon jemand (der junge Professor Schütz in Halle) bei mir, zur Fortsetzung gemeldet. Worauf ich ihm, die gedrukte Notiz aus der Hamburger Zeitung ausschnitte, und zusendete. Das verlangte Exemplar von dem 3. Band werden Sie, wie Sie es wünschen erhalten: zum 4. ist noch keine neue Auflage nöthig: so gleich ich Ihren Brief erhielt, ließ ich Auflage, und Auflage Buch durchsehen; aber wie gesagt, die Ungewißheit der Fortsetzung machte eine Stockung. Die Wünsche des Publikums, sind in dieser Rücksicht laut genug ausgesprochen, um für die Zukunft unbesorgt sein zu können.
Ich hoffe mein theurer Freund, daß unser freundliches Verhältniß, für die Zukunft durch nichts gestört werden soll. Ich habe es mir ehrlich zugesagt, für meine noch übrige Zukunft, mich der Leidenschaftlichkeit des Weibes, ganz zu entkleiden, und in meinen Jahren, noch zum Manne zu werden, damit kein Leid, kein Streit, das Werk, daß ich führe, verunstalte.
[3] Mit Ihrem Bruder Friedrich, stehe ich in freundlichen Briefwechsel. Er ist in Cölln, und ich hoffe, wir werden uns zu unsrer gegenseitigen Zufriedenheit verständigen. Er hat mich sonst, oft grausam verkand, und durch Mißtrauen gekränkt. Aber, in meiner Seele, wohnt Friede, den ich an meinem Theile, nie stöhren möchte.
Es gehört zu dem schmerzlichsten Teile meiner Obliegenheiten, daß ich meines Ungers Schatz, den er so viele Jahre hindurch, mit sorgsamer Liebe pflegte und sammelte, seine Bibliothek von mir lassen muß: und doch, was soll sie mir? bin ich nicht dennoch, von allem, was seine Liebe mir verlieh, umgeben? lebt sein Andenken nicht in allem, was ich habe? Ich werde sie zuerst, dem Könige anbieten; und gelingt dies nicht, schicke ich den Katalog, dessen Druk in dieser Woche fertig wird, ins Ausland hier und dort hin, auch Ihnen ist er zugedacht. Nach England oder Rußland, sind mir Vorschläge gethan, die ich nicht aus der Acht lassen darf; nur in dem Fall, daß mir es, auf keinem dieser Wege gelänge, würde ich mich zu einer öffentlichen Versteigerung entschliessen: die allerdings, weniger vortheilhaft ausfallen würde: und davon sollten Sie mein Freund zur gehörigen Zeit benachrichtigt werden.
Wie viel besser sind wir Deutsche doch in Absicht der Litteratur darann, als die [4] Ausländer, indem uns der Deutsche Fleiß, keine der Blüthen ausländischen Geistes vorenthält: wir sind in allen Theilen desselben zu Hause, was Spanien, Italien, Frankreich und Brittanien erzeugt, ist unser. Wie arm, wie einseitig dagegen, behelfen jene Ausländer sich: und wenn etwas, Deutschen Geistes zu sie hin sich verirrt, welche Wahlen! Welche Ausführung! Sie haben es izt wohl in Ihrer Gewalt, den Deutschen Namen, in Ehren zu verkünden. Thun sie es ja: er ists ja werth.
Wen[n]? und wo? dieser Brief Sie treffen wird, weiß Gott! Lassen Sie so bald es thunlich ist, von sich hören; bleiben Sie der Wittwe Ihres ehrenwerthen Freundes hold: die den theuern Namen, den sie trägt, immer ehrenvoll zu erhalten streben wird. Meine ächten Freunde werden auch in der Rücksicht diesen Vorsatz unterstützen, daß sie meinen Verlag, in seinem alten Ruf, mit erhalten werden. Leben Sie recht wohl, und glücklicher als Ihre stets Ihnen mit voller Achtung Ergebne
Unger
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