• August Wilhelm von Schlegel to Johann Daniel Falk

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Unknown · Date: 27.12.1796
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Johann Daniel Falk
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 27.12.1796
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 46‒48.
  • Incipit: „[1] Jena d. 27 Dec. 1796
    Nehmen Sie meinen herzlichsten Dank für das angenehme Geschenk, das Sie mir mit Ihrem Taschenbuche gemacht. [...]“
    Manuscript
  • Provider: Klassik Stiftung Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv
  • Classification Number: GSA 15/II, 1D, 7
[1] Jena d. 27 Dec. 1796
Nehmen Sie meinen herzlichsten Dank für das angenehme Geschenk, das Sie mir mit Ihrem Taschenbuche gemacht. Ich habe auch die übrigen Exemplare besorgt, und ihnen besonders von Schiller freundliche Grüße zu bestellen. Er macht sich eine Freude daraus, Sie persönlich kennen zu lernen.
Sehr gern werde ich zu einer Anzeige in der Allg. Litt. Zeitung die Hände bieten, und habe auch schon mit Hufeland darüber gesprochen. Allein ganz hängt es nicht von mir ab. Wo ich nicht irre, hatte Schütz bey seiner Zurückkunft von Leipzig sich vorgenommen, das Taschenbuch selbst anzuzeigen. Nun muß er zwar selbst wohl wissen, daß aus dem, was er sich vornimmt, gewöhnlich nichts wird; allein der Fall, daß man mich zu Recensionen aufgefodert, die Schütz von sich selbst hatte erwarten lassen, ist schon mehrmahls gekommen, so daß ich dieß nicht zu oft wiederhohlen [2] mag. Indessen will ich, sobald ich ihn sehe, Gelegenheit nehmen, mit ihm davon zu sprechen.
Ihr Zutrauen zu mir, wovon mir Ihr Antrag ein willkommner Beweis ist, fodert auch mich zur Offenheit auf, und ich will Ihnen also nur gestehen, daß ich Verfasser von zwey Recensionen der beyden letzten Vossischen und Reinhardischen Almanache bin, die mit Anfang des nächsten Jahres in der Litt. Zeitung erscheinen werden. Ich bitte Sie aber, dieß niemanden weiter zu sagen. – Von den darin befindlichen Stücken von ihrer Hand habe ich die Gebete, da sie schon von neuem wieder abgedruckt sind, dem Beurtheiler der Gräber zu Kom überlassen, nach meiner Einsicht Ihre satyrischen Gedichte im allgemeinen charakterisirt, sowohl ihre Vorzüge als die Mängel, die ich daran zu entdecken glaube in der Kürze genannt, und die kleinen lyrischen Stücke frey getadelt. – Ich kannte Sie noch nicht [3] persönlich, und billig sollten auch die vortheilhaften Eindrücke, welche eine Person auf uns gemacht hat, auf ein Kunsturtheil über eines ihrer Werke gar keinen Einfluß haben.
Sie sind allzu gefällig gegen den Herausgeber des Göttingischen Almanachs. Freylich kann ich mir denken, wie zudringlich er gegen Sie mag gewesen seyn: ich habe es auch erfahren. Geben Sie ihm nichts weiter – Sie stehen dort nicht in der besten Gesellschaft. – Ist Ihnen noch nie eingefallen, Schillern etwas für die Horen zu geben? Wenn Sie einmal wieder eine Satyre gedichtet haben, worin Sie ihre Foderungen an sich selbst befriedigt zu haben glauben, so bieten Sie ihm dieselbe an. Er wird sie gewiß gern nehmen; hat er Gründe, sie für sein Journal nicht zweckmäßig zu halten, so wird er sie Ihnen offenherzig sagen, und Sie kommen auf jeden Fall dadurch in nähere Verbindung mit ihm.
[4] So kurz unsre Bekanntschaft, so wahr und lebhaft ist dennoch schon meine Theilnahme an Ihrer Lage und Ihren Schicksalen. Eine Äußerung über das Taschenbuch in Ihrem Briefe gab mir zu manchen Betrachtungen über jene Anlaß, die ich Ihnen jetzt nicht alle mittheilen kann. Ich liebe die von Ihnen erwählte Schriftstellerlaufbahn, und sehne mich fürs erste nicht, sie mit einer andern zu vertauschen. Allein ich weiß auch, daß man dabey die schärfste Aufmerksamkeit auf sich selbst nöthig hat, wenn man bey dem nothwendigen Zwecke von einem Talente den besten Vortheil für die äußere Existenz zu ziehen, es zugleich auf keine Weise vernachlässigen, sondern auf das vollkommenste ausbilden will; daß dieß besonders dann der Fall ist, wenn man die Ausübung desselben sich früh zum Geschäfte gemacht, ehe man noch rechte Zeit gehabt hat, Stoff für die Zukunft einzusammeln und [5] seine Ideen reifen zu lassen. Man muß sich dann nothwendig nach Beschäftigungen umsehen, die den Geist als vorbereitende Studien eher bereichern als sie ihn erschöpfen. Ich zweifle nicht, daß Ihr Taschenbuch nicht ausgezeichnetes Glück machen sollte; allein die Ernte des Lächerlichen kann die folgenden Mahle nicht so reichlich ausfallen als das erste Mahl, und es ist kein leichtes Unternehmen, jährlich ein ganzes Bändchen mit Scherz und witzigen Einfällen anzufüllen. Ich weiß wohl, daß Lichtenberg es auf gewisse Weise leistet; allein sein Taschenbuch hat zugleich einen wissenschaftlichen Gehalt, und außerdem hat er bey den Hogarthschen Kupferstichen sich sehr lange verweilt, und auf diese Art fremde Erfindungen zum Vehikel seiner Einfälle gemacht. Ich wünschte, Sie möchten, um Ihre schriftstellerische Unabhängigkeit mehr zu sichern, sie nicht ganz auf dieses Taschenbuch gründen. – Das Fach der poetischen Satyre ist eingeschränkt; in der Komödie haben Sie zwar ein weites und [6] in Deutschland zum Theil sehr unbebautes Feld vor sich: aber so wohl diese als jene setzen eine durch lange Erfahrungen geprüfte und vielseitige Weltkenntniß voraus, und sind daher geschickter in späteren Jahren bearbeitet zu werden. – Sie haben vielleicht Lust zur prosaischen Erzählung. – Haben Sie sich nie mit kritischen Beurtheilungen beschäftigt? Ihre gelehrten Kenntnisse werden Ihnen zu mancherley Unternehmungen Stoff an die Hand geben. – Welch ein Verdienst könnte sich jemand durch poetische Nachbildungen der alten Komiker und Satyriker erwerben! u. s. w. –
Sie werden gewiß meinen guten Willen bey diesen Vorschlägen nicht verkennen, wenn Sie auch nicht mit mir eins seyn sollten. Leben Sie recht wohl, mein werther Freund und behalten Sie mich in gutem Andenken. Meine Frau läßt sich bestens empfehlen.
Der Ihrige
Schlegel

[7] Ihre Parodie hat mich sehr unterhalten – das Original ist sehr glücklich benutzt, wenn dieser Gebrauch nur nicht manchen Lesern zu profan scheint. Ich wollte sie Schillern letzthin vorlesen, vergaß aber sie zu mir zu stecken, und sah ihn seitdem noch nicht wieder.
Sie werden diesen Brief wohl entziffern können, und wenn Ihnen sonst sein Inhalt nicht zuwider ist verzeihen, daß ich in jeder Hinsicht so nachlässig schrieb.
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[1] Jena d. 27 Dec. 1796
Nehmen Sie meinen herzlichsten Dank für das angenehme Geschenk, das Sie mir mit Ihrem Taschenbuche gemacht. Ich habe auch die übrigen Exemplare besorgt, und ihnen besonders von Schiller freundliche Grüße zu bestellen. Er macht sich eine Freude daraus, Sie persönlich kennen zu lernen.
Sehr gern werde ich zu einer Anzeige in der Allg. Litt. Zeitung die Hände bieten, und habe auch schon mit Hufeland darüber gesprochen. Allein ganz hängt es nicht von mir ab. Wo ich nicht irre, hatte Schütz bey seiner Zurückkunft von Leipzig sich vorgenommen, das Taschenbuch selbst anzuzeigen. Nun muß er zwar selbst wohl wissen, daß aus dem, was er sich vornimmt, gewöhnlich nichts wird; allein der Fall, daß man mich zu Recensionen aufgefodert, die Schütz von sich selbst hatte erwarten lassen, ist schon mehrmahls gekommen, so daß ich dieß nicht zu oft wiederhohlen [2] mag. Indessen will ich, sobald ich ihn sehe, Gelegenheit nehmen, mit ihm davon zu sprechen.
Ihr Zutrauen zu mir, wovon mir Ihr Antrag ein willkommner Beweis ist, fodert auch mich zur Offenheit auf, und ich will Ihnen also nur gestehen, daß ich Verfasser von zwey Recensionen der beyden letzten Vossischen und Reinhardischen Almanache bin, die mit Anfang des nächsten Jahres in der Litt. Zeitung erscheinen werden. Ich bitte Sie aber, dieß niemanden weiter zu sagen. – Von den darin befindlichen Stücken von ihrer Hand habe ich die Gebete, da sie schon von neuem wieder abgedruckt sind, dem Beurtheiler der Gräber zu Kom überlassen, nach meiner Einsicht Ihre satyrischen Gedichte im allgemeinen charakterisirt, sowohl ihre Vorzüge als die Mängel, die ich daran zu entdecken glaube in der Kürze genannt, und die kleinen lyrischen Stücke frey getadelt. – Ich kannte Sie noch nicht [3] persönlich, und billig sollten auch die vortheilhaften Eindrücke, welche eine Person auf uns gemacht hat, auf ein Kunsturtheil über eines ihrer Werke gar keinen Einfluß haben.
Sie sind allzu gefällig gegen den Herausgeber des Göttingischen Almanachs. Freylich kann ich mir denken, wie zudringlich er gegen Sie mag gewesen seyn: ich habe es auch erfahren. Geben Sie ihm nichts weiter – Sie stehen dort nicht in der besten Gesellschaft. – Ist Ihnen noch nie eingefallen, Schillern etwas für die Horen zu geben? Wenn Sie einmal wieder eine Satyre gedichtet haben, worin Sie ihre Foderungen an sich selbst befriedigt zu haben glauben, so bieten Sie ihm dieselbe an. Er wird sie gewiß gern nehmen; hat er Gründe, sie für sein Journal nicht zweckmäßig zu halten, so wird er sie Ihnen offenherzig sagen, und Sie kommen auf jeden Fall dadurch in nähere Verbindung mit ihm.
[4] So kurz unsre Bekanntschaft, so wahr und lebhaft ist dennoch schon meine Theilnahme an Ihrer Lage und Ihren Schicksalen. Eine Äußerung über das Taschenbuch in Ihrem Briefe gab mir zu manchen Betrachtungen über jene Anlaß, die ich Ihnen jetzt nicht alle mittheilen kann. Ich liebe die von Ihnen erwählte Schriftstellerlaufbahn, und sehne mich fürs erste nicht, sie mit einer andern zu vertauschen. Allein ich weiß auch, daß man dabey die schärfste Aufmerksamkeit auf sich selbst nöthig hat, wenn man bey dem nothwendigen Zwecke von einem Talente den besten Vortheil für die äußere Existenz zu ziehen, es zugleich auf keine Weise vernachlässigen, sondern auf das vollkommenste ausbilden will; daß dieß besonders dann der Fall ist, wenn man die Ausübung desselben sich früh zum Geschäfte gemacht, ehe man noch rechte Zeit gehabt hat, Stoff für die Zukunft einzusammeln und [5] seine Ideen reifen zu lassen. Man muß sich dann nothwendig nach Beschäftigungen umsehen, die den Geist als vorbereitende Studien eher bereichern als sie ihn erschöpfen. Ich zweifle nicht, daß Ihr Taschenbuch nicht ausgezeichnetes Glück machen sollte; allein die Ernte des Lächerlichen kann die folgenden Mahle nicht so reichlich ausfallen als das erste Mahl, und es ist kein leichtes Unternehmen, jährlich ein ganzes Bändchen mit Scherz und witzigen Einfällen anzufüllen. Ich weiß wohl, daß Lichtenberg es auf gewisse Weise leistet; allein sein Taschenbuch hat zugleich einen wissenschaftlichen Gehalt, und außerdem hat er bey den Hogarthschen Kupferstichen sich sehr lange verweilt, und auf diese Art fremde Erfindungen zum Vehikel seiner Einfälle gemacht. Ich wünschte, Sie möchten, um Ihre schriftstellerische Unabhängigkeit mehr zu sichern, sie nicht ganz auf dieses Taschenbuch gründen. – Das Fach der poetischen Satyre ist eingeschränkt; in der Komödie haben Sie zwar ein weites und [6] in Deutschland zum Theil sehr unbebautes Feld vor sich: aber so wohl diese als jene setzen eine durch lange Erfahrungen geprüfte und vielseitige Weltkenntniß voraus, und sind daher geschickter in späteren Jahren bearbeitet zu werden. – Sie haben vielleicht Lust zur prosaischen Erzählung. – Haben Sie sich nie mit kritischen Beurtheilungen beschäftigt? Ihre gelehrten Kenntnisse werden Ihnen zu mancherley Unternehmungen Stoff an die Hand geben. – Welch ein Verdienst könnte sich jemand durch poetische Nachbildungen der alten Komiker und Satyriker erwerben! u. s. w. –
Sie werden gewiß meinen guten Willen bey diesen Vorschlägen nicht verkennen, wenn Sie auch nicht mit mir eins seyn sollten. Leben Sie recht wohl, mein werther Freund und behalten Sie mich in gutem Andenken. Meine Frau läßt sich bestens empfehlen.
Der Ihrige
Schlegel

[7] Ihre Parodie hat mich sehr unterhalten – das Original ist sehr glücklich benutzt, wenn dieser Gebrauch nur nicht manchen Lesern zu profan scheint. Ich wollte sie Schillern letzthin vorlesen, vergaß aber sie zu mir zu stecken, und sah ihn seitdem noch nicht wieder.
Sie werden diesen Brief wohl entziffern können, und wenn Ihnen sonst sein Inhalt nicht zuwider ist verzeihen, daß ich in jeder Hinsicht so nachlässig schrieb.
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