• Sophie Bernhardi to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Jena · Date: [25. August 1801]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Sophie Bernhardi
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Jena
  • Date: [25. August 1801]
  • Notations: Datum sowie Absende- und Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 13‒15.
  • Incipit: „[1] [Berlin, 25. August 1801]
    Ich bin allein und will die Zeit verwenden um an Dich an den ich unaufhörlich denke zu [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,15,7
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. Paraphe
  • Format: 18,9 x 11,9 cm
[1] [Berlin, 25. August 1801]
Ich bin allein und will die Zeit verwenden um an Dich an den ich unaufhörlich denke zu schreiben. Es ist doch unbeschreiblich hart daß nicht ein freundliches Wort von Dir zu mir hinüber kan, ich komme mir oft so verlassen und vergessen von Dir vor daß ich mit mir das innigste Erbarmen habe. Ich möchte in unerschöpflichen Strömen von Klagen und Tränen ausbrechen ich möchte meine Sehnsucht nach Dir wie sie mich im Herzen quält mit vollen Worten aussprechen und werde von dem Gefühl zurik gehalten daß Du doch nichts darauf antworten kanst, nicht ein armes tröstendes Wort. Könte ich an Dein Herz mich retten und all mein unnenbares Weh mit meinen heissen Tränen in Deinen Busen schütten könte ich Deine Augen sehen und in ihnen Liebe Trost und Hoffnung lesen. Ach mein theurer geliebter Freund ich soll meine Wünsche weit hinauß viele viele Wochen hinaus schieben.
Sähest Du mich Thörin Du wirdest über mich lächeln wie ich mich in einer unziemlichen Lustigkeit abquäle um den Gram meines Herzens zu verdeken, wie mir jeder lieb ist der nur von Dir spricht auch der Dich nicht versteht auch der Dich haßt und über Dich spottet nur wen[n] er Deinen Namen nent. Oft komt es mir sonderbahr vor daß ich Dir etwas anders schreiben soll als wie ich Dich liebe wie ich Dich unaufhörlich lieben werde und daß Dir etwas anders wichtig sein könte daß du auf etwas anders antwor[2]ten müstest erscheint mir unmöglich. Ich ergreife Deine Briefe mit einer so heftigen Begierde und jedes Wort verwundet mich immer schreibst Du nicht was ich wünsche und ich besinne mich erst daß Du nicht darfst. Und wieder daß Du nicht darfst zerreißt mein Herz. Gegen Dich darf ich diesen Kummer nicht aussprechen Du hast einmal das harte Wort gegen mich ausgesprochen ich solle mich nur entscheiden. Ich kan es mir nicht abläugnen daß wen[n] ich Bernhardi auch nicht hintergehe daß ich ihm doch verheimliche und oft wen[n] ich ihm freundlich bin erscheint es mir als eine Treulosigkeit gegen Dich und gegen ihn. Ich fühle daß meine Liebe zu Dir das Edelste und Höchste ist was mein Herz erreichen kan, er hat diese Liebe nie von mir erwartet aber er hat vieleicht vorausgesetzt daß mich nach meinem Bruder kein Wesen mehr so heftig und so gewaltig berühren wirde und ist dan mein Verfahren nicht Betrug?
Verzeih daß ich darüber spreche, ich weiß Du kanst diesen Kummer nicht mit mir theilen den[n] Du kanst ihn nicht ehren so wenig wie Bernhardi meine Liebe zu Dir verstehen wirde darum muß sie ihm ein Geheimniß bleiben so wie ich diesen Gram allein tragen muß.
Könt ich Dich erst wiedersehen, vieles was mich jezt verzehrt flieht vor Deiner Gegenwart zurik. Ach nur einmal möchte ich Dich wieder an mein Herz drüken und ich wirde es damit auf lange von alle Qualen heilen. [3] Lieber lieber Wilhelm köntest Du jemals vergessen daß Du der erste der einzige Mann bist dem sich mein ganzes Herz entgegen neigt dem ich mich mit ganzer Seele ergebe. O verzeih daß das alte Mistrauen immer wiederkehrt, ich weiß daß mein frommes Gemüht daß Dich auf ewig wie seine ewige Seeligkeit erwählt hat dem Deinigen entgegen ist. Ich weiß es daß ich für Dich eigentlich zu viel fodere ich richte alle meine Gedanken an Dich und bin auf all Dein Thun eifersüchtig, alles soll mir geweiht sein. Und kann ich das von Dir fodern? Ich bin nicht schön und reitzend daß ich Dich könte alle schöne Frauen vergessen machen und wäre ich es so könte ich Dein vergessen nicht belohnen und niemals das gewähren was Dein weltlich Gemüht wünscht. Daß mein heilig glühend Herz Dir Ersatz sein wirde kan ich es wohl hoffen?
Ich möchte fast nicht mehr schreiben den[n] kan ich wissen ob mein Brief Dich freut? Ich muß über meine eigene Torheit lächeln daß ich Deine Briefe mit solcher Begierde an meine heisse Lippen drüke und dan wan ich sie lese finde daß diese gleichgültige Worte keinen Kuß verdienten, wen[n] ich mir vornehme auf Dich zu zürnen und die Blätter wegzuwerfen und sie doch Tagelang an meiner Brust trage, sie an meinem Herzen erwärme weil Du sie doch berührst hast und all die Torheiten treibe die ich an andern oft genug verspottet habe. Ja ich will Dir jezt gestehen daß ich einmal [4] habe herzlich betrübt sein und darüber weinen können wie Du auf eine Blume hast treten können die ich an der Brust hatte und die herunterfiel wie Du mich küstest. Ich glaube ich wirde nicht so albern schreiben wen[n] es nicht Nacht wäre und ich hier ganz allein und einsam sässe. Bernhardi ist mit Fichte aus, immer noch werden die alten Vergnügungen getrieben, wie mir diese rohe Freude in der Seele zuwieder ist.
Lebe wohl mein geliebter theurer Freund denkst Du wohl an mich sehnst Du Dich wohl darnach mich wiederzusehen? Faßt Dich wohl einmal so die heftige Sehnsucht wie mich daß Du die Arme nach den Winden ausstrecken mögtest daß Du – Ach ich bin unklug mit meinen Fragen. Lebe wohl sei glücklig und froh wie ich gequält bin bis ich Dich wiedersehe. Ich kan mich selbst mit meinen Kindern nicht trösten ich bitte es ihnen oft mit Tränen ab daß ich sie so lange Du hier warst so vernachlässigen konte und drüke sie mit tausend Schmerzen an meine Brust.
Lieber liebster Freund ich fühle daß ich für alle Schmerzen die meine Brust schon zerrissen haben es verdiene daß ich geliebt werde und nicht mit halber Leidenschaft. Ich bitte ich beschwöre Dich mein geliebter Freund habe mich nicht mit halbem Herzen lieb! Lebe wohl schlafe sanft. O könnten Dich meine zärtlichsten Wünsche erreichen. Ewig Dein eigen.
S.[ophie] B.[ernhardi]
[1] [Berlin, 25. August 1801]
Ich bin allein und will die Zeit verwenden um an Dich an den ich unaufhörlich denke zu schreiben. Es ist doch unbeschreiblich hart daß nicht ein freundliches Wort von Dir zu mir hinüber kan, ich komme mir oft so verlassen und vergessen von Dir vor daß ich mit mir das innigste Erbarmen habe. Ich möchte in unerschöpflichen Strömen von Klagen und Tränen ausbrechen ich möchte meine Sehnsucht nach Dir wie sie mich im Herzen quält mit vollen Worten aussprechen und werde von dem Gefühl zurik gehalten daß Du doch nichts darauf antworten kanst, nicht ein armes tröstendes Wort. Könte ich an Dein Herz mich retten und all mein unnenbares Weh mit meinen heissen Tränen in Deinen Busen schütten könte ich Deine Augen sehen und in ihnen Liebe Trost und Hoffnung lesen. Ach mein theurer geliebter Freund ich soll meine Wünsche weit hinauß viele viele Wochen hinaus schieben.
Sähest Du mich Thörin Du wirdest über mich lächeln wie ich mich in einer unziemlichen Lustigkeit abquäle um den Gram meines Herzens zu verdeken, wie mir jeder lieb ist der nur von Dir spricht auch der Dich nicht versteht auch der Dich haßt und über Dich spottet nur wen[n] er Deinen Namen nent. Oft komt es mir sonderbahr vor daß ich Dir etwas anders schreiben soll als wie ich Dich liebe wie ich Dich unaufhörlich lieben werde und daß Dir etwas anders wichtig sein könte daß du auf etwas anders antwor[2]ten müstest erscheint mir unmöglich. Ich ergreife Deine Briefe mit einer so heftigen Begierde und jedes Wort verwundet mich immer schreibst Du nicht was ich wünsche und ich besinne mich erst daß Du nicht darfst. Und wieder daß Du nicht darfst zerreißt mein Herz. Gegen Dich darf ich diesen Kummer nicht aussprechen Du hast einmal das harte Wort gegen mich ausgesprochen ich solle mich nur entscheiden. Ich kan es mir nicht abläugnen daß wen[n] ich Bernhardi auch nicht hintergehe daß ich ihm doch verheimliche und oft wen[n] ich ihm freundlich bin erscheint es mir als eine Treulosigkeit gegen Dich und gegen ihn. Ich fühle daß meine Liebe zu Dir das Edelste und Höchste ist was mein Herz erreichen kan, er hat diese Liebe nie von mir erwartet aber er hat vieleicht vorausgesetzt daß mich nach meinem Bruder kein Wesen mehr so heftig und so gewaltig berühren wirde und ist dan mein Verfahren nicht Betrug?
Verzeih daß ich darüber spreche, ich weiß Du kanst diesen Kummer nicht mit mir theilen den[n] Du kanst ihn nicht ehren so wenig wie Bernhardi meine Liebe zu Dir verstehen wirde darum muß sie ihm ein Geheimniß bleiben so wie ich diesen Gram allein tragen muß.
Könt ich Dich erst wiedersehen, vieles was mich jezt verzehrt flieht vor Deiner Gegenwart zurik. Ach nur einmal möchte ich Dich wieder an mein Herz drüken und ich wirde es damit auf lange von alle Qualen heilen. [3] Lieber lieber Wilhelm köntest Du jemals vergessen daß Du der erste der einzige Mann bist dem sich mein ganzes Herz entgegen neigt dem ich mich mit ganzer Seele ergebe. O verzeih daß das alte Mistrauen immer wiederkehrt, ich weiß daß mein frommes Gemüht daß Dich auf ewig wie seine ewige Seeligkeit erwählt hat dem Deinigen entgegen ist. Ich weiß es daß ich für Dich eigentlich zu viel fodere ich richte alle meine Gedanken an Dich und bin auf all Dein Thun eifersüchtig, alles soll mir geweiht sein. Und kann ich das von Dir fodern? Ich bin nicht schön und reitzend daß ich Dich könte alle schöne Frauen vergessen machen und wäre ich es so könte ich Dein vergessen nicht belohnen und niemals das gewähren was Dein weltlich Gemüht wünscht. Daß mein heilig glühend Herz Dir Ersatz sein wirde kan ich es wohl hoffen?
Ich möchte fast nicht mehr schreiben den[n] kan ich wissen ob mein Brief Dich freut? Ich muß über meine eigene Torheit lächeln daß ich Deine Briefe mit solcher Begierde an meine heisse Lippen drüke und dan wan ich sie lese finde daß diese gleichgültige Worte keinen Kuß verdienten, wen[n] ich mir vornehme auf Dich zu zürnen und die Blätter wegzuwerfen und sie doch Tagelang an meiner Brust trage, sie an meinem Herzen erwärme weil Du sie doch berührst hast und all die Torheiten treibe die ich an andern oft genug verspottet habe. Ja ich will Dir jezt gestehen daß ich einmal [4] habe herzlich betrübt sein und darüber weinen können wie Du auf eine Blume hast treten können die ich an der Brust hatte und die herunterfiel wie Du mich küstest. Ich glaube ich wirde nicht so albern schreiben wen[n] es nicht Nacht wäre und ich hier ganz allein und einsam sässe. Bernhardi ist mit Fichte aus, immer noch werden die alten Vergnügungen getrieben, wie mir diese rohe Freude in der Seele zuwieder ist.
Lebe wohl mein geliebter theurer Freund denkst Du wohl an mich sehnst Du Dich wohl darnach mich wiederzusehen? Faßt Dich wohl einmal so die heftige Sehnsucht wie mich daß Du die Arme nach den Winden ausstrecken mögtest daß Du – Ach ich bin unklug mit meinen Fragen. Lebe wohl sei glücklig und froh wie ich gequält bin bis ich Dich wiedersehe. Ich kan mich selbst mit meinen Kindern nicht trösten ich bitte es ihnen oft mit Tränen ab daß ich sie so lange Du hier warst so vernachlässigen konte und drüke sie mit tausend Schmerzen an meine Brust.
Lieber liebster Freund ich fühle daß ich für alle Schmerzen die meine Brust schon zerrissen haben es verdiene daß ich geliebt werde und nicht mit halber Leidenschaft. Ich bitte ich beschwöre Dich mein geliebter Freund habe mich nicht mit halbem Herzen lieb! Lebe wohl schlafe sanft. O könnten Dich meine zärtlichsten Wünsche erreichen. Ewig Dein eigen.
S.[ophie] B.[ernhardi]
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