Geliebter Freund
Ihre Liebe und theilnehmende Freundschaft wird mit mir weinen, wenn Sie erfahren, daß ich seit 4 Wochen Wittwer bin. – Meine geliebte Frau ward seit länger als 1 Jahre sehr krank; wir reißten im vorigen Sommer am Rhein, aber weder Bäder, noch milderes Clima vermochten einer höchst seltsamen Krankheit Einhalt zu thun; – Im Winter waren wir in Meiningen; – Am 2ten Febr. nahm uns Gott unsern jüngsten Sohn Carl, an seinem 2ten Geburtstag; – es war ein ganz gesundes Kind. – Seit diesem Augenblik ward meine Frau immer kränker, und nach unsäglichen Leiden gab sie am 30sten März früh 6 Uhr ihren Geist in die Hände ihres Erlösers; – Sie starb als eine fromme ganz Gottergebene Christin. – Jetzt bin ich mit meinen 2 Kindern hier, und gelobt sey Gott, daß [2] ich weiß wo der wahre Frieden wohnet; – Nur dies Allein giebt mir Trost, und Muth; – Ja, mein geliebter Freund, in dem Schooße unserer Kirche findet man Allein den Frieden, der höher ist, als alle Vernunft; – Jezt wäre ich ohne diese Hülfe einsam, und verlassen, und trostlos; – Mit diesem Beystand bin ich doch meist ruhig, und der Herr hilft mir ein Creuz tragen, was ohne ihm mich zu Boden gedrükt hätte. – Beynahe 10 der glüklichsten Jahre habe ich verlebt; – dem Herrn sei Ehre und Preis dafür! – Noch mehr, daß er mir die Augen geöffnet, und für eine Ewigkeit geschliffen hat! – Wie geht es Ihnen, mein geliebter Freund? – Wo wohnen und sind Sie? – Hat man eine Hoffnung Sie wieder zu sehen? – Leben Sie wohl; – Empfelen Sie mich Fr. v. Stael; – Von Friedrich weiß ich lange Nichts; – Lassen Sie uns nicht ganz getrennt werden; – Gott mit uns!
Ihr treuer Freund
Carl v. Hardenberg