• August Wilhelm von Schlegel to Dorothea von Schlegel

  • Place of Dispatch: Bonn · Place of Destination: Wien · Date: 22.12.1829
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Dorothea von Schlegel
  • Place of Dispatch: Bonn
  • Place of Destination: Wien
  • Date: 22.12.1829
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 488‒490.
  • Incipit: „Bonn d. 22sten Dec. 1829
    Theuerste Frau Schwester!
    Ihr werthes Schreiben vom 5ten d. M. empfing ich vor acht Tagen. Ich wollte sogleich [...]“
    Language
  • German
Bonn d. 22sten Dec. 1829
Theuerste Frau Schwester!
Ihr werthes Schreiben vom 5ten d. M. empfing ich vor acht Tagen. Ich wollte sogleich antworten, aber überhäufte Geschäfte, Störungen, zuletzt eine Unpäßlichkeit, lassen mich erst jetzt dazu kommen.
Ich bin sehr erfreut über die Nachricht, welche Sie mir ertheilen, daß Sie hoffen aus dem Ertrage der Bibliothek und der Honorare die noch nicht gelösten Verpflichtungen meines seligen Bruders erledigen zu können. Ihre Bemühungen in dieser Hinsicht sind ungemein verdienstlich und um so achtungswürdiger, da Sie dabei Ihre eignen Ansprüche ganz hintanzusetzen scheinen. Ich hätte von Herzen gewünscht, nach so manchen Aufopferungen möchten Sie nicht nur dieser Sorgen überhoben seyn, sondern auch ein angemessenes Auskommen aus der Verlassenschaft vorgefunden haben.
Wenn Sie darauf bestehen, meine Foderung zu berichtigen, nachdem ich förmlich Verzicht darauf geleistet habe, so warten Sie doch wenigstens damit, bis die übrigen Gläubiger befriedigt sind. Und hiebei habe ich Ihnen etwas zu eröffnen über einen kleinen Schuldposten, von welchem Sie vermuthlich nichts wissen. Mein Freund und College, der Professor Windischmann, vormals in Aschaffenburg, hat im Sommer 1818 dem seligen Friedrich 150 Gulden Rheinisch vorgeschossen. Er hat darüber eine Verschreibung. Er hegte, wie Sie wissen, große Liebe und Bewunderung für meinen Bruder, und hat aus freundschaftlicher Gesinnung niemals daran erinnert, wiewohl die Zahlung ihm oft willkommen gewesen wäre. Friedrich hielt ihn wohl für wohlhabender als er wirklich ist. Ich weiß, daß er beträchtliche Einbußen an seinem Vermögen erlitten hat; überdieß ist er ein Familienvater von sieben Kindern, welche sämtlich, zwei verheirathete Töchter ausgenommen, noch unversorgt sind.
Die Sache war mir längst bekannt. Ich habe aber jetzt mit meinem Freunde gesprochen, und melde Ihnen dieß nicht ohne seine vorläufige Einwilligung. Jedoch will er nicht beschwerlich fallen, noch irgend jemand in den Weg treten.
Ich stehe gern gegen Windischmann zurück: denn, wie mich dünkt, kann es keinen Anspruch geben, dessen Befriedigung dringender wäre. Wenn Sie nun auch dieser Meynung sind, verehrte Frau Schwester, so haben Sie die Güte, von der Summe, welche bereit liegt 150 Fl. Rh. durch Wechsel oder Anweisung auf Frankfurt mit dem gehörigen Endossement an Windischmann zu schicken; oder befähigen Sie mich auf gleiche Weise zu der Zahlung und ich werde Ihnen dann die cassirte Verschreibung einsenden.
Was mich betrifft, so habe ich keine Verschreibung. Unter Leuten, wie wir sind, gilt Ein Wort zehn Unterschriften. Indessen hat Friedrich die Schuld in seinen Briefen anerkannt. Er hat mir auch im December des vorigen Jahres von Dresden aus eine abschlägliche Zahlung machen lassen wollen; ich lehnte es aber ab, weil er dadurch einen neuen Gläubiger bekommen hätte, und einen solchen, der weniger als ich auf die Zahlung warten, oder sie allenfalls entbehren konnte.
Mein Darlehn wurde im Sommer 1818 gemacht, und betrug 350 Fl. Rheinisch. Hievon habe ich 150 Fl. auf einer Reise baar ausgelegt, die wir zusammen von Frankfurt nach Cöln machten, wobei ich die Rechnung führte. Die übrigen 200 Fl. schickte ich ihm durch Wechsel auf Frankfurt, kurz vor seiner letzten Abreise von dort, um seine Geschäfte in Ordnung zu bringen.
Ich höre mit Vergnügen von Ihrem Neffen, daß Ihr jüngerer Sohn in Frankfurt eine vortheilhafte Anstellung erlangt hat. Vielleicht verändert dieß ihren Entschluß nach Italien zu gehen, und ich hätte alsdann die Hoffnung, Sie nach so langen Jahren einmal wieder zu begrüßen.
Von den Geschwistern und Verwandten in Hannover und Harburg habe ich kürzlich keine Nachricht gehabt; ich darf hoffen, daß sie leidlich wohl sind. Der Bruder Carl insbesondre ist für seine hohen Jahre noch recht rüstig und wohlgemuth. – Von der Frau Hunter höre ich nichts: desto besser. – Der Sohn des seligen Bruders Moriz ist seit dem Frühlinge bei mir. Er hat von einer Schullehrer-Stelle in Hamburg seinen Abschied genommen, weil er dort in einer gedrückten Lage war und keine Aussicht zur Beförderung hatte. Ich habe ihm vorläufig auf ein Jahr mein Haus als Zufluchtsort geöffnet, wo er freie Muße für seine Studien hat; aber ich bin um seine Zukunft besorgt. Das ist nun der einzige Erbe des Namens, welcher mit ihm vermuthlich in Deutschland ausstirbt.
Haben Sie doch die Güte, mir die Adresse und den Titel des Herrn von Bucholz zu melden. Ich bin ihm seit langer Zeit einen Brief schuldig; und möchte nicht gern etwas versehen.
Da ich die Adresse meiner Nichte in Wien nicht weiß, so bitte ich Sie, die einliegenden Zeilen an sie gelangen zu lassen.
Leben Sie recht wohl, theuerste Frau Schwester, und behalten Sie mich in wohlwollendem Andenken.
Ihr treu ergebener
A. W. v. Schlegel
Bonn d. 22sten Dec. 1829
Theuerste Frau Schwester!
Ihr werthes Schreiben vom 5ten d. M. empfing ich vor acht Tagen. Ich wollte sogleich antworten, aber überhäufte Geschäfte, Störungen, zuletzt eine Unpäßlichkeit, lassen mich erst jetzt dazu kommen.
Ich bin sehr erfreut über die Nachricht, welche Sie mir ertheilen, daß Sie hoffen aus dem Ertrage der Bibliothek und der Honorare die noch nicht gelösten Verpflichtungen meines seligen Bruders erledigen zu können. Ihre Bemühungen in dieser Hinsicht sind ungemein verdienstlich und um so achtungswürdiger, da Sie dabei Ihre eignen Ansprüche ganz hintanzusetzen scheinen. Ich hätte von Herzen gewünscht, nach so manchen Aufopferungen möchten Sie nicht nur dieser Sorgen überhoben seyn, sondern auch ein angemessenes Auskommen aus der Verlassenschaft vorgefunden haben.
Wenn Sie darauf bestehen, meine Foderung zu berichtigen, nachdem ich förmlich Verzicht darauf geleistet habe, so warten Sie doch wenigstens damit, bis die übrigen Gläubiger befriedigt sind. Und hiebei habe ich Ihnen etwas zu eröffnen über einen kleinen Schuldposten, von welchem Sie vermuthlich nichts wissen. Mein Freund und College, der Professor Windischmann, vormals in Aschaffenburg, hat im Sommer 1818 dem seligen Friedrich 150 Gulden Rheinisch vorgeschossen. Er hat darüber eine Verschreibung. Er hegte, wie Sie wissen, große Liebe und Bewunderung für meinen Bruder, und hat aus freundschaftlicher Gesinnung niemals daran erinnert, wiewohl die Zahlung ihm oft willkommen gewesen wäre. Friedrich hielt ihn wohl für wohlhabender als er wirklich ist. Ich weiß, daß er beträchtliche Einbußen an seinem Vermögen erlitten hat; überdieß ist er ein Familienvater von sieben Kindern, welche sämtlich, zwei verheirathete Töchter ausgenommen, noch unversorgt sind.
Die Sache war mir längst bekannt. Ich habe aber jetzt mit meinem Freunde gesprochen, und melde Ihnen dieß nicht ohne seine vorläufige Einwilligung. Jedoch will er nicht beschwerlich fallen, noch irgend jemand in den Weg treten.
Ich stehe gern gegen Windischmann zurück: denn, wie mich dünkt, kann es keinen Anspruch geben, dessen Befriedigung dringender wäre. Wenn Sie nun auch dieser Meynung sind, verehrte Frau Schwester, so haben Sie die Güte, von der Summe, welche bereit liegt 150 Fl. Rh. durch Wechsel oder Anweisung auf Frankfurt mit dem gehörigen Endossement an Windischmann zu schicken; oder befähigen Sie mich auf gleiche Weise zu der Zahlung und ich werde Ihnen dann die cassirte Verschreibung einsenden.
Was mich betrifft, so habe ich keine Verschreibung. Unter Leuten, wie wir sind, gilt Ein Wort zehn Unterschriften. Indessen hat Friedrich die Schuld in seinen Briefen anerkannt. Er hat mir auch im December des vorigen Jahres von Dresden aus eine abschlägliche Zahlung machen lassen wollen; ich lehnte es aber ab, weil er dadurch einen neuen Gläubiger bekommen hätte, und einen solchen, der weniger als ich auf die Zahlung warten, oder sie allenfalls entbehren konnte.
Mein Darlehn wurde im Sommer 1818 gemacht, und betrug 350 Fl. Rheinisch. Hievon habe ich 150 Fl. auf einer Reise baar ausgelegt, die wir zusammen von Frankfurt nach Cöln machten, wobei ich die Rechnung führte. Die übrigen 200 Fl. schickte ich ihm durch Wechsel auf Frankfurt, kurz vor seiner letzten Abreise von dort, um seine Geschäfte in Ordnung zu bringen.
Ich höre mit Vergnügen von Ihrem Neffen, daß Ihr jüngerer Sohn in Frankfurt eine vortheilhafte Anstellung erlangt hat. Vielleicht verändert dieß ihren Entschluß nach Italien zu gehen, und ich hätte alsdann die Hoffnung, Sie nach so langen Jahren einmal wieder zu begrüßen.
Von den Geschwistern und Verwandten in Hannover und Harburg habe ich kürzlich keine Nachricht gehabt; ich darf hoffen, daß sie leidlich wohl sind. Der Bruder Carl insbesondre ist für seine hohen Jahre noch recht rüstig und wohlgemuth. – Von der Frau Hunter höre ich nichts: desto besser. – Der Sohn des seligen Bruders Moriz ist seit dem Frühlinge bei mir. Er hat von einer Schullehrer-Stelle in Hamburg seinen Abschied genommen, weil er dort in einer gedrückten Lage war und keine Aussicht zur Beförderung hatte. Ich habe ihm vorläufig auf ein Jahr mein Haus als Zufluchtsort geöffnet, wo er freie Muße für seine Studien hat; aber ich bin um seine Zukunft besorgt. Das ist nun der einzige Erbe des Namens, welcher mit ihm vermuthlich in Deutschland ausstirbt.
Haben Sie doch die Güte, mir die Adresse und den Titel des Herrn von Bucholz zu melden. Ich bin ihm seit langer Zeit einen Brief schuldig; und möchte nicht gern etwas versehen.
Da ich die Adresse meiner Nichte in Wien nicht weiß, so bitte ich Sie, die einliegenden Zeilen an sie gelangen zu lassen.
Leben Sie recht wohl, theuerste Frau Schwester, und behalten Sie mich in wohlwollendem Andenken.
Ihr treu ergebener
A. W. v. Schlegel
×
×