• August Wilhelm von Schlegel to Sophie Bernhardi

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Berlin · Date: [3. Oktober 1801]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Sophie Bernhardi
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: [3. Oktober 1801]
  • Notations: Datum erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 25‒27.
  • Incipit: „[1] [Jena, 3. Oktober 1801]
    Dein Brief hat mich innig betrübt, liebste beste Freundin. O es ahndete mir wohl, daß der meinige [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,15,80
  • Number of Pages: 3 S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 18,7 x 11,5 cm
    Language
  • German
[1] [Jena, 3. Oktober 1801]
Dein Brief hat mich innig betrübt, liebste beste Freundin. O es ahndete mir wohl, daß der meinige übles stiften würde, ich hatte nur immer die Besorgniß im Sinn, daß er in die unrechten Hände fallen könnte, und den heimlichen Zwang, den mir dieß anthat, nimmst Du für Kälte. So kann ich es Dir nie recht machen. Mein unwillkührliches Schweigen erregte Dir Mistrauen, ja gänzlichen Zweifel an meinen Gesinnungen, und da ich nun schreibe, beleidigen Dich meine Worte, so treu und redlich sie gemeynt waren. Gewiß ich verkenne den Werth der Worte nicht, welche innre Handlungen des Gemüths aussprechen, und alle die Deinigen sind in meinem Herzen verwahrt. Ich glaubte aber der ruhigste und einfachste Ausdruck würde Dich am besten von der Ächtheit meines Gefühls überzeugen. Leider ist es nicht geschehen, und es hat so lange gedauert ehe ich nur erfuhr, daß ich Dir misfallen habe, und es währt wieder so lange ehe dieß zu Dir gelangt, und ich bin nicht dort, um mich vor Dir niederzuwerfen, um Dir zuzureden, Dich in mein Auge blicken zu lassen, Dich zu versöhnen. Es ist eine grausame Sache um die Abwesenheit. Daß ich Dich doch nie wieder verlassen dürfte, wann ich erst bey Dir zurück bin, nicht einen Tag meines Lebens; daß ich immer dieselben Zimmer mit Dir bewohnen dürfte, – du solltest sehen, daß ich nur für Dich leben will, daß ich nach nichts anderm auf der Welt trachte.
Ich weiß nicht mehr genau, was ich im einzelnen geschrieben habe: aber das weiß ich gewiß, der wesentliche Inhalt meines Briefes war, daß ich [2] Dein bin, ganz Dein, und auf immer. Meine Bitten Dich selbst zu schonen, mir doch nicht so zu mistrauen, nimmst Du als Verweise. Wie ist es nur möglich? Ist es denn so verkehrt von mir, wenn ich Dich von dem abzulenken suche, was Dich mir entreißt, indem es Dich selbst zerstört. Soll ich mich nicht um Deine Gesundheit ängstigen dürfen? Wenn Du für Dich Dein Leben gering achtest – dem doch die Liebe einen neuen Werth geliehen haben könnte – willst Du es nicht wenigstens als mein theuerstes Gut, durch dessen Verlust ich wieder ganz arm werden würde, hegen und wahrnehmen? Seit unser Bund geschlossen ward, gebe ich mir die Schuld von allen Leiden die Dich berühren, nicht nur von den Schmerzen, die ich Dir leider oft selbst verursachte, sondern auch von andern zufälligen, weil Dich meine Liebe doch nicht dafür hat schützen können. Kann ich es also zufrieden seyn, wenn Du Dich darin ergiebst nicht glücklich zu seyn? Was Du sagst: wenn man noch Schritte bis dahin zu thun habe, könne man ja eben nicht wollen, verstehe ich nicht. Ich redete bloß von der Wegräumung äußerlicher Hindernisse. Du klagst daß Dich vieles in Deiner jetzigen Lage drückt: es ist mir wenigstens zu verzeihen, wenn ich sie eben deswegen nicht für ganz unveränderlich halte. Denkst Du anders so muß ich mich freylich begnügen, alles zu thun und Dir zu seyn, was in dieser Lage möglich ist. Was ich für die Liebe handeln nenne, scheint Dir vielleicht nicht so leicht und gewöhnlich als Du denkst: nach meiner Denkart hat sie die ersten Ansprüche im Leben und die Macht alle übrigen Verhältnisse zu lösen und zu binden. Ich baue beständig schöne Plane für die Zukunft, die zu Chimären werden, wenn Du darin nicht mit mir einstimmst: aber ich werde meine liebsten Wünsche immer Deinem Willen unterwerfen. [3] Habe ich nun für alles dieses verdient, daß Du mich verspottest und mir so viel bittres sagst? Doch ich will mich nicht weiter vertheidigen. Hättest Du mir auch unverdient wehe gethan, was ist es gegen so unermeßlich viel Liebes, Süßes und Heiliges, als ich, auch unverdient, von Dir erfahren habe. O liebe liebe Sophie, sey gütig und freundlich gegen mich, laß mich nicht vor Deinen Unwillen zittern. Denk Dir, ich liege zu Deinen Füßen und stehe nicht eher auf, als bis Du mir vergabst. Du magst mich noch so viel zurückweisen und wegstoßen, ich lasse nicht von Dir; solltest Du mir nie wieder einen freundlichen Blick schenken, ich werde nicht aufhören Deine Liebe zu suchen. Ich will mir selbst gar nicht mehr angehören, ich will ganz in Deiner Macht und Gewalt seyn, mache mit mir was Du willst, ich bin Dein Eigenthum. Was ich von dem Glauben an Worte mehr als an Handlungen sagte, sollte Dich wahrlich nicht mit gewöhnlichen Frauen vergleichen. Ich dachte dabey an die einzige Frau, die ich vor Dir, aber ohne gleiche Erwiederung geliebt habe, und mit der zusammen genannt zu werden, Du Dich gewiß nicht schämen darfst.
Halte mich doch nicht für so leichtsinnig und gewissenlos, theuerste Geliebte – wäre ich es gewesen, so müßte ich durch Deine Reinheit und Heiligkeit verwandelt werden. Du wirst sehen, daß ich alles ehre was geehrt zu werden verdient: ich kann mich immer nur auf die Zukunft berufen.
Ich bitte ich beschwöre Dich, sey nicht so hart, diesen Brief unbeantwortet zu lassen – ich kann nicht ruhig seyn bis ich weiß ob ich mich dieser unaussprechlichen Sehnsucht, mich Dir zu nähern, Dich in meine Arme zu schließen hingeben darf. Lebe wohl, meine innigstgeliebte theure, einzige Freundin.
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[1] [Jena, 3. Oktober 1801]
Dein Brief hat mich innig betrübt, liebste beste Freundin. O es ahndete mir wohl, daß der meinige übles stiften würde, ich hatte nur immer die Besorgniß im Sinn, daß er in die unrechten Hände fallen könnte, und den heimlichen Zwang, den mir dieß anthat, nimmst Du für Kälte. So kann ich es Dir nie recht machen. Mein unwillkührliches Schweigen erregte Dir Mistrauen, ja gänzlichen Zweifel an meinen Gesinnungen, und da ich nun schreibe, beleidigen Dich meine Worte, so treu und redlich sie gemeynt waren. Gewiß ich verkenne den Werth der Worte nicht, welche innre Handlungen des Gemüths aussprechen, und alle die Deinigen sind in meinem Herzen verwahrt. Ich glaubte aber der ruhigste und einfachste Ausdruck würde Dich am besten von der Ächtheit meines Gefühls überzeugen. Leider ist es nicht geschehen, und es hat so lange gedauert ehe ich nur erfuhr, daß ich Dir misfallen habe, und es währt wieder so lange ehe dieß zu Dir gelangt, und ich bin nicht dort, um mich vor Dir niederzuwerfen, um Dir zuzureden, Dich in mein Auge blicken zu lassen, Dich zu versöhnen. Es ist eine grausame Sache um die Abwesenheit. Daß ich Dich doch nie wieder verlassen dürfte, wann ich erst bey Dir zurück bin, nicht einen Tag meines Lebens; daß ich immer dieselben Zimmer mit Dir bewohnen dürfte, – du solltest sehen, daß ich nur für Dich leben will, daß ich nach nichts anderm auf der Welt trachte.
Ich weiß nicht mehr genau, was ich im einzelnen geschrieben habe: aber das weiß ich gewiß, der wesentliche Inhalt meines Briefes war, daß ich [2] Dein bin, ganz Dein, und auf immer. Meine Bitten Dich selbst zu schonen, mir doch nicht so zu mistrauen, nimmst Du als Verweise. Wie ist es nur möglich? Ist es denn so verkehrt von mir, wenn ich Dich von dem abzulenken suche, was Dich mir entreißt, indem es Dich selbst zerstört. Soll ich mich nicht um Deine Gesundheit ängstigen dürfen? Wenn Du für Dich Dein Leben gering achtest – dem doch die Liebe einen neuen Werth geliehen haben könnte – willst Du es nicht wenigstens als mein theuerstes Gut, durch dessen Verlust ich wieder ganz arm werden würde, hegen und wahrnehmen? Seit unser Bund geschlossen ward, gebe ich mir die Schuld von allen Leiden die Dich berühren, nicht nur von den Schmerzen, die ich Dir leider oft selbst verursachte, sondern auch von andern zufälligen, weil Dich meine Liebe doch nicht dafür hat schützen können. Kann ich es also zufrieden seyn, wenn Du Dich darin ergiebst nicht glücklich zu seyn? Was Du sagst: wenn man noch Schritte bis dahin zu thun habe, könne man ja eben nicht wollen, verstehe ich nicht. Ich redete bloß von der Wegräumung äußerlicher Hindernisse. Du klagst daß Dich vieles in Deiner jetzigen Lage drückt: es ist mir wenigstens zu verzeihen, wenn ich sie eben deswegen nicht für ganz unveränderlich halte. Denkst Du anders so muß ich mich freylich begnügen, alles zu thun und Dir zu seyn, was in dieser Lage möglich ist. Was ich für die Liebe handeln nenne, scheint Dir vielleicht nicht so leicht und gewöhnlich als Du denkst: nach meiner Denkart hat sie die ersten Ansprüche im Leben und die Macht alle übrigen Verhältnisse zu lösen und zu binden. Ich baue beständig schöne Plane für die Zukunft, die zu Chimären werden, wenn Du darin nicht mit mir einstimmst: aber ich werde meine liebsten Wünsche immer Deinem Willen unterwerfen. [3] Habe ich nun für alles dieses verdient, daß Du mich verspottest und mir so viel bittres sagst? Doch ich will mich nicht weiter vertheidigen. Hättest Du mir auch unverdient wehe gethan, was ist es gegen so unermeßlich viel Liebes, Süßes und Heiliges, als ich, auch unverdient, von Dir erfahren habe. O liebe liebe Sophie, sey gütig und freundlich gegen mich, laß mich nicht vor Deinen Unwillen zittern. Denk Dir, ich liege zu Deinen Füßen und stehe nicht eher auf, als bis Du mir vergabst. Du magst mich noch so viel zurückweisen und wegstoßen, ich lasse nicht von Dir; solltest Du mir nie wieder einen freundlichen Blick schenken, ich werde nicht aufhören Deine Liebe zu suchen. Ich will mir selbst gar nicht mehr angehören, ich will ganz in Deiner Macht und Gewalt seyn, mache mit mir was Du willst, ich bin Dein Eigenthum. Was ich von dem Glauben an Worte mehr als an Handlungen sagte, sollte Dich wahrlich nicht mit gewöhnlichen Frauen vergleichen. Ich dachte dabey an die einzige Frau, die ich vor Dir, aber ohne gleiche Erwiederung geliebt habe, und mit der zusammen genannt zu werden, Du Dich gewiß nicht schämen darfst.
Halte mich doch nicht für so leichtsinnig und gewissenlos, theuerste Geliebte – wäre ich es gewesen, so müßte ich durch Deine Reinheit und Heiligkeit verwandelt werden. Du wirst sehen, daß ich alles ehre was geehrt zu werden verdient: ich kann mich immer nur auf die Zukunft berufen.
Ich bitte ich beschwöre Dich, sey nicht so hart, diesen Brief unbeantwortet zu lassen – ich kann nicht ruhig seyn bis ich weiß ob ich mich dieser unaussprechlichen Sehnsucht, mich Dir zu nähern, Dich in meine Arme zu schließen hingeben darf. Lebe wohl, meine innigstgeliebte theure, einzige Freundin.
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