• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Wien · Place of Destination: Unknown · Date: 15.10.1808
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Wien
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 15.10.1808
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 634‒637.
  • Incipit: „[1] Wien den 15ten Oktober 1808.
    Geliebter Bruder, Alle Deine Briefe habe ich richtig erhalten, und danke tausendmahl für alles. Wie sollte [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,I,61
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl. u. 2 S., hs. m. U
  • Format: 19,1 x 11,6 cm
    Language
  • German
[1] Wien den 15ten Oktober 1808.
Geliebter Bruder, Alle Deine Briefe habe ich richtig erhalten, und danke tausendmahl für alles. Wie sollte man nicht Muth haben, wenn man von solchen Freunden aufrecht erhalten wird! So will ich denn also meinen Weg nur muthig fortsetzen, wenn sich gleich eines und das andre nicht so günstig anläßt als ich gehofft hatte. Ich antworte unverzüglich aber deshalb für heute nur kurz und bitte Dich auch mich für heute bei Frau von Stael zu entschuldigen; denn sonst müßte ich bis nächsten Posttag warten, weil ein französischer Brief, den ich stets abschreiben muß, für mich mehr Zeit erfodert als heute noch übrig ist.
Meine Briefe vom 28ten Sept. werden Dich in der Hauptsache beruhigt haben. Währenddessen habe ich noch einen sehr theilnehmenden Brief von Graf Rottenhan erhalten, der mir auch seinen geschäftsführenden Beamten zugeschickt, um mir in allen diesen Dingen zu rathen und behülflich zu sein. Auch Graf Sickingen sprach ich noch mehremale; er bleibt sich immer gleich in seiner dauerhaft günstigen und gewogenen Gesinnung. Durch ihn lernte ich auch Ohms kennen, der mir in meinen Zwecken nützlich sein kann. Ueberhaupt mache ich jetzt von Tage zu Tage neue Bekantschaften da nun alles je mehr und mehr zur Stadt zurück kehrt. [2] Ueberhaupt ist jetzt jeder Augenblick meinen Zwecken gewidmet; ich habe in der östreichischen und Deutschen Geschichte solche Fortschritte gemacht, daß mir alles nachgerade ganz geläufig ist. Von Karl V schreibe ich nicht eher, als bis der erste Theil fertig ist. – Deine Briefe an Hormayr und Sickingen werde ich sogleich übergeben; beide sind sehr schön und zweckmäßig obgleich die nächste Veranlassung jetzt zum Theil gehoben ist. – Auch Dein Brief an den Kaiser ist sehr schön abgefaßt; jetzt gleich aber kann er nicht übergeben werden da der Kaiser vor Beendigung des ungarischen Landtages nicht zurückkehrt; ich überlege dann wohl Art und Weise mit Sickingen. Hättest Du nur etwas von Dir selbst beifügen mögen, etwa ein Gedicht zur ungarischen Krönung pp so machte sich das Ganze noch besser. Mit einem Exemplar Deiner hiesigen Vorlesungen, das möchte noch zu lange dauern. Das Couvert muß ich auf jeden Fall ändern; denn Du hast geschrieben Franz den Ersten – aus einem sonderbaren Versehn.
Ich hätte wohl noch vor Empfang des letzten schon vorigen Posttag geschrieben; was mich aber die letzte Zeit etwas abgehalten hat, war die noch bevorstehende Abreise der beiden Tieck, die ich doch gern noch sehn und manches mit ihnen besprechen wollte. Endlich ist Sophie mit den Kindern und ihrem Bruder am 13ten früh von hier nach München abgereißt. [3] Sie hatte auch in der letzten Zeit noch einige obwohl nicht bedeutende Anfechtungen wegen der Kinder. Ich habe sie recht lieb gewonnen und meine besten Wünsche begleiten sie. Stranskys waren schon einige Tage früher abgegangen. Knorring indessen ist noch hier und folgt erst die andre Woche. – In München werden sie alle ohne Zweifel einige Wochen bleiben und dort den Friedrich abwarten, der nun gewiß schon bei Dir ist und den ich herzlich zu grüßen bitte. Ob Stranskys dann doch mit nach Italien gehn, das ist mir wieder zweifelhaft geworden. Er ist eigentlich ein Mensch, vor dem man sich bei näherer Bekantschaft sehr Ursache hat in Acht zu nehmen. Nicht nur ist er von unerträglicher Laune, so daß wir oft viel Geduld während des Sommers mit ihm haben mußten, sondern er ist außerdem ein Mensch dem kein wahres Wort aus dem Munde geht und dem jedes auch noch so geringe Geschäft unter der Hand zur Intrigue wird. Daher wäre es für Sophie wohl nicht rathsam sich auf länger mit ihm einzulassen. Die Frau ist freilich ungleich besser, ja an sich sehr gut und liebenswürdig. Sophie hatte auch die zärtlichste Theilnahme für sie und hat während ihrer Krankheit als Schwester an ihr gehandelt. Aber in den äußern Verhältnissen kann man sie [4] doch natürlicherweise nur als eine Person mit ihrem Manne ansehn. –
Sei nur ja nicht böse, daß ich so ängstlich wegen des Geldes bin, oder wie es Dir wohl scheinen mag, zu viel Geld brauche. Erstlich will ich Dir meine Schwachheit gestehn, daß wenn ich nicht ungefähr so viel Geld (baar in Metall) liegen hätte, als dazu gehört, um im äußersten Nothfalle nach Dreßden oder nach München zu kommen, so würde ich gar nicht ruhig hier sein können. Du magst wohl über diese Aengstlichkeit lachen, aber in der That bin ich doch hier ohne alle Hülfsmittel, bis auf das Gold in der Tasche. Das Leben hier finde ich nun wohl ziemlich wohlfeil, und bin auch um so sparsamer darin, da mir seit Anbruch des Winters und der ersten Kälte eine strenge Diät auch von Seiten der Gesundheit nothwendig ist. Dagegen aber habe ich mir noch sehr viele Sachen anzuschaffen durchaus nothwendig gefunden, weit mehr als ich dachte; und was zur Kleidung gehört, ist nicht grade alles hier von geringem Preise. Die Hoffnung der Vorlesung schiebt sich immer weiter hinaus. Im Fall ich vorgestellt würde, macht dieß wieder eine Ausgabe von 100–150 fl mit einemmale. Auf alles [5] das muß man doch gefaßt sein, und so hätte mir allerdings der Stael ihre Hülfe nicht erwünschter als in dem jetzigen Augenblick kommen können, wo ich durchaus von dieser Seite nicht in Verlegenheit gerathen darf. Sei übrigens versichert, daß ich die kostbare Waare zu Rathe halten werde. –
Von Knorring habe ich jetzt 900 fl erhalten; die letzten 100 läßt er mir zurück. Der Cours hat nicht so hoch gestanden, als Du glaubst. Meistens stand der Karolin auf 22–23 fl während des Sommers. Nur während eines kurzen Zeitraums von etwa 10–14 Tagen stand er noch ungleich höher; jetzt wieder etwas darunter, so daß mir Frank den Karolin nur zu 21½ fl berechnet hat. Der Nachschuß auf die 1000 fl würde also bei weitem nicht so beträchtlich sein als Du denkst; es würde auch, da ich das Ganze in einzelnen Summen zu sehr verschiednen Zeiten erhalten, eine noch verwickeltere Rechnung geben; wovon um so weniger die Rede sein könnte, da ich ganzer drei Monate gastfreundschaftlich daselbst im Hause aufgenommen war, und umsonst bei ihnen lebte.
Daß der Albert einmal Schelte bekommen hat, ist vielleicht recht gut. Nun solltet Ihr ihn aber auch wieder gelinder behandeln, sonst geräth [6] der arme Junge mir ganz in Verzweiflung und wirft am Ende einen Haß auf mich.
Daß der Prometheus aufhört, ist leider fast gewiß. Steigentesch hat sich nun mit Schreivogel, Bouterweck und Böttiger verbündet um eine Zeitschrift für das südliche Deutschland herauszugeben, welches sie sonder Zweifel nach ihrer Weise bilden wollen. –
Darf ich auf Deine Theilnahme an der Europa rechnen? – Es ist nun doch um so rathsamer, Willmans Eifer für die Sache zu benutzen und sein Anerbieten anzunehmen. –
Von Stolberg habe ich einen herrlichen Brief wegen meines Werks über Indien. – Auf den Druck Deiner Vorlesungen freut sich alles und sieht dem Werk mit Begierde entgegen. Auch Dein Arbeiten am Shakespear erregt allgemeine Freude.
Solche einzelne Gedichte über Spanische Landwehr und dergleichen hatte ich längst gemacht; ich habe es mir nur eigentlich vor dem Karl nicht erlauben wollen.
Alles übrige mit nächstem Posttag.
Ewig der Deine
Friedrich S.[chlegel]

Die Empfehlungen und Danksagungen an die Stael verstehn sich von selbst; nächsten Posttag erhält sie meine Antwort.
[1] Wien den 15ten Oktober 1808.
Geliebter Bruder, Alle Deine Briefe habe ich richtig erhalten, und danke tausendmahl für alles. Wie sollte man nicht Muth haben, wenn man von solchen Freunden aufrecht erhalten wird! So will ich denn also meinen Weg nur muthig fortsetzen, wenn sich gleich eines und das andre nicht so günstig anläßt als ich gehofft hatte. Ich antworte unverzüglich aber deshalb für heute nur kurz und bitte Dich auch mich für heute bei Frau von Stael zu entschuldigen; denn sonst müßte ich bis nächsten Posttag warten, weil ein französischer Brief, den ich stets abschreiben muß, für mich mehr Zeit erfodert als heute noch übrig ist.
Meine Briefe vom 28ten Sept. werden Dich in der Hauptsache beruhigt haben. Währenddessen habe ich noch einen sehr theilnehmenden Brief von Graf Rottenhan erhalten, der mir auch seinen geschäftsführenden Beamten zugeschickt, um mir in allen diesen Dingen zu rathen und behülflich zu sein. Auch Graf Sickingen sprach ich noch mehremale; er bleibt sich immer gleich in seiner dauerhaft günstigen und gewogenen Gesinnung. Durch ihn lernte ich auch Ohms kennen, der mir in meinen Zwecken nützlich sein kann. Ueberhaupt mache ich jetzt von Tage zu Tage neue Bekantschaften da nun alles je mehr und mehr zur Stadt zurück kehrt. [2] Ueberhaupt ist jetzt jeder Augenblick meinen Zwecken gewidmet; ich habe in der östreichischen und Deutschen Geschichte solche Fortschritte gemacht, daß mir alles nachgerade ganz geläufig ist. Von Karl V schreibe ich nicht eher, als bis der erste Theil fertig ist. – Deine Briefe an Hormayr und Sickingen werde ich sogleich übergeben; beide sind sehr schön und zweckmäßig obgleich die nächste Veranlassung jetzt zum Theil gehoben ist. – Auch Dein Brief an den Kaiser ist sehr schön abgefaßt; jetzt gleich aber kann er nicht übergeben werden da der Kaiser vor Beendigung des ungarischen Landtages nicht zurückkehrt; ich überlege dann wohl Art und Weise mit Sickingen. Hättest Du nur etwas von Dir selbst beifügen mögen, etwa ein Gedicht zur ungarischen Krönung pp so machte sich das Ganze noch besser. Mit einem Exemplar Deiner hiesigen Vorlesungen, das möchte noch zu lange dauern. Das Couvert muß ich auf jeden Fall ändern; denn Du hast geschrieben Franz den Ersten – aus einem sonderbaren Versehn.
Ich hätte wohl noch vor Empfang des letzten schon vorigen Posttag geschrieben; was mich aber die letzte Zeit etwas abgehalten hat, war die noch bevorstehende Abreise der beiden Tieck, die ich doch gern noch sehn und manches mit ihnen besprechen wollte. Endlich ist Sophie mit den Kindern und ihrem Bruder am 13ten früh von hier nach München abgereißt. [3] Sie hatte auch in der letzten Zeit noch einige obwohl nicht bedeutende Anfechtungen wegen der Kinder. Ich habe sie recht lieb gewonnen und meine besten Wünsche begleiten sie. Stranskys waren schon einige Tage früher abgegangen. Knorring indessen ist noch hier und folgt erst die andre Woche. – In München werden sie alle ohne Zweifel einige Wochen bleiben und dort den Friedrich abwarten, der nun gewiß schon bei Dir ist und den ich herzlich zu grüßen bitte. Ob Stranskys dann doch mit nach Italien gehn, das ist mir wieder zweifelhaft geworden. Er ist eigentlich ein Mensch, vor dem man sich bei näherer Bekantschaft sehr Ursache hat in Acht zu nehmen. Nicht nur ist er von unerträglicher Laune, so daß wir oft viel Geduld während des Sommers mit ihm haben mußten, sondern er ist außerdem ein Mensch dem kein wahres Wort aus dem Munde geht und dem jedes auch noch so geringe Geschäft unter der Hand zur Intrigue wird. Daher wäre es für Sophie wohl nicht rathsam sich auf länger mit ihm einzulassen. Die Frau ist freilich ungleich besser, ja an sich sehr gut und liebenswürdig. Sophie hatte auch die zärtlichste Theilnahme für sie und hat während ihrer Krankheit als Schwester an ihr gehandelt. Aber in den äußern Verhältnissen kann man sie [4] doch natürlicherweise nur als eine Person mit ihrem Manne ansehn. –
Sei nur ja nicht böse, daß ich so ängstlich wegen des Geldes bin, oder wie es Dir wohl scheinen mag, zu viel Geld brauche. Erstlich will ich Dir meine Schwachheit gestehn, daß wenn ich nicht ungefähr so viel Geld (baar in Metall) liegen hätte, als dazu gehört, um im äußersten Nothfalle nach Dreßden oder nach München zu kommen, so würde ich gar nicht ruhig hier sein können. Du magst wohl über diese Aengstlichkeit lachen, aber in der That bin ich doch hier ohne alle Hülfsmittel, bis auf das Gold in der Tasche. Das Leben hier finde ich nun wohl ziemlich wohlfeil, und bin auch um so sparsamer darin, da mir seit Anbruch des Winters und der ersten Kälte eine strenge Diät auch von Seiten der Gesundheit nothwendig ist. Dagegen aber habe ich mir noch sehr viele Sachen anzuschaffen durchaus nothwendig gefunden, weit mehr als ich dachte; und was zur Kleidung gehört, ist nicht grade alles hier von geringem Preise. Die Hoffnung der Vorlesung schiebt sich immer weiter hinaus. Im Fall ich vorgestellt würde, macht dieß wieder eine Ausgabe von 100–150 fl mit einemmale. Auf alles [5] das muß man doch gefaßt sein, und so hätte mir allerdings der Stael ihre Hülfe nicht erwünschter als in dem jetzigen Augenblick kommen können, wo ich durchaus von dieser Seite nicht in Verlegenheit gerathen darf. Sei übrigens versichert, daß ich die kostbare Waare zu Rathe halten werde. –
Von Knorring habe ich jetzt 900 fl erhalten; die letzten 100 läßt er mir zurück. Der Cours hat nicht so hoch gestanden, als Du glaubst. Meistens stand der Karolin auf 22–23 fl während des Sommers. Nur während eines kurzen Zeitraums von etwa 10–14 Tagen stand er noch ungleich höher; jetzt wieder etwas darunter, so daß mir Frank den Karolin nur zu 21½ fl berechnet hat. Der Nachschuß auf die 1000 fl würde also bei weitem nicht so beträchtlich sein als Du denkst; es würde auch, da ich das Ganze in einzelnen Summen zu sehr verschiednen Zeiten erhalten, eine noch verwickeltere Rechnung geben; wovon um so weniger die Rede sein könnte, da ich ganzer drei Monate gastfreundschaftlich daselbst im Hause aufgenommen war, und umsonst bei ihnen lebte.
Daß der Albert einmal Schelte bekommen hat, ist vielleicht recht gut. Nun solltet Ihr ihn aber auch wieder gelinder behandeln, sonst geräth [6] der arme Junge mir ganz in Verzweiflung und wirft am Ende einen Haß auf mich.
Daß der Prometheus aufhört, ist leider fast gewiß. Steigentesch hat sich nun mit Schreivogel, Bouterweck und Böttiger verbündet um eine Zeitschrift für das südliche Deutschland herauszugeben, welches sie sonder Zweifel nach ihrer Weise bilden wollen. –
Darf ich auf Deine Theilnahme an der Europa rechnen? – Es ist nun doch um so rathsamer, Willmans Eifer für die Sache zu benutzen und sein Anerbieten anzunehmen. –
Von Stolberg habe ich einen herrlichen Brief wegen meines Werks über Indien. – Auf den Druck Deiner Vorlesungen freut sich alles und sieht dem Werk mit Begierde entgegen. Auch Dein Arbeiten am Shakespear erregt allgemeine Freude.
Solche einzelne Gedichte über Spanische Landwehr und dergleichen hatte ich längst gemacht; ich habe es mir nur eigentlich vor dem Karl nicht erlauben wollen.
Alles übrige mit nächstem Posttag.
Ewig der Deine
Friedrich S.[chlegel]

Die Empfehlungen und Danksagungen an die Stael verstehn sich von selbst; nächsten Posttag erhält sie meine Antwort.
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