• August Wilhelm von Schlegel to Johannes Schulze

  • Place of Dispatch: Bonn · Place of Destination: Berlin · Date: 19.01.1820
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Johannes Schulze
  • Place of Dispatch: Bonn
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 19.01.1820
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 367‒369.
  • Incipit: „Ich weiß nicht ob ich es wagen darf, nach einer so flüchtigen und kurzen Bekanntschaft als die war, welche die Gelegenheit [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-34477
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.25,Nr.51
  • Number of Pages: 3 S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 18,2 x 11,9 cm
    Language
  • German
Ich weiß nicht ob ich es wagen darf, nach einer so flüchtigen und kurzen Bekanntschaft als die war, welche die Gelegenheit Ihrer Durchreise in B.[onn] mir zu stiften vergönnt hat, über meine persönlichen Angelegenheiten im Vertrauen an Sie zu schreiben. Vor sechs Wochen ist mein Entlassungs-Gesuch an das Königliche Ministerium abgegangen: ich schrieb es, kann ich Sie versichern, mit schwerem Herzen; es kostete mich Überwindung, ein solches Gesuch einem hochverehrten Gönner vorzutragen, von dem ich seit meiner Ernennung nur belohnende Anerkennung, aufmunternde Beweise der Gewogenheit, gnädige Bewilligung meiner Wünsche empfangen hatte. Auch wußte ich ja wohl, daß das, was uns drückt, nicht von dem Ministerium des öffentlichen Unterichts herrührt, sondern durch eine Zusammenwirkung allgemeinerer Einflüsse herbeygeführt worden ist. Ich verhehlte mir nicht, daß ich bedeutenden Vortheilen, und einem Wirkungskreise entsagte, den ich, bis die Störungen eintraten, sehr angenehm gefunden hatte. Aber mir war schon seit geraumer Zeit unheimlich zu Muthe geworden, und nach den letzten Vorfällen setzte sich bei mir die Ansicht fest, daß man nicht mehr mit Unbefangenheit und Heiterkeit als akademischer Lehrer auftreten könne, und daß sich auch gar nicht voraussehen lasse, wann wieder ein günstiger Stern für die Universitäten, für die Gelehrten und Schriftsteller überhaupt aufgehen würde. Niemand springt gern zum Fenster hinaus, um der beengten Luft eines dumpfen Zimmers zu entgehen, aber es ist immer besser als zum Fenster hinausgeworfen zu werden, womit ja der Bundestagsbeschluß vom 20sten September uns arme Professoren, Leute die meistens kein Wasser trüben, insgesamt bedroht. Mit Einem Worte, ich machte es wie Gribouille, der sich ins Wasser tauchte, um nicht naß geregnet zu werden. Ich sah nun einer entscheidenden Antwort entgegen, die meiner kurzen Laufbahn als öffentlicher Lehrer ein Ende gemacht hätte, und meine Entwürfe für eine neue Lebensweise waren schon ziemlich ins reine gebracht. Eine solche Antwort ist bis jetzt nicht erfolgt dagegen habe ich Eröffnungen von Seiten Sr. Durchlaucht des Staatskanzlers durch einen Brief von Hrn. Koreff vom 8ten Januar erhalten, beruhigende Versicherungen, dringende Auffoderungen, meine Kräfte ferner dem Dienste der Wissenschaften im Preußischen Staate zu widmen. Ich muß hierin einen Beweis finden daß die Sache durch den Hrn. Minister von Altenstein auf eine für mich nicht ungünstige und milde Art aufgenommen worden ist, und dieß legt mir eine neue Verbindlichkeit gegen Se. Excellenz auf. Ich bitte Sie demnach vor allen Dingen der Dollmetscher meiner ehrerbietigen und dankbaren Gesinnungen bey dem Hrn. Staatsminister zu seyn.
Ich habe mit der heutigen Post ausführlich an Hrn. Koreff geantwortet, und es als den einzigen Ausweg angedeutet, der sich meinen Gedanken darbietet, wenn ich für jetzt einen speciellen wissenschaftlichen Auftrag bekäme; und welcher außerhalb des gewöhnlichen Kreises der akademischen Lehrämter läge. Längst hegte ich den Wunsch, das Studium des Sanskrit und der Indischen Litteratur in Deutschland auf eine gründliche Art einheimisch zu machen. Ich wollte nur erst weiter arbeiten und mehr vorbereiten, ehe ich dieses Anliegen vor das hohe Ministerium brächte. Eine lateinische Abhandlung De usu pp ist halb fertig geschrieben und ihre Vollendung bloß zufällig verzögert worden: diese wird aber nur Probe eines erschöpfenden sprachvergleichenden Werkes seyn. Ich habe mich bereitwillig erklärt, auf erhaltenen Befehl einen Bericht über die zu diesem Zwecke nöthigen Mittel und Veranstaltungen einzuliefern. Sollte dieser verlohrne Versuch über meine Erwartung Eingang finden, so wird natürlich das Ministerium des öffentlichen Unterrichts über die Thunlichkeit und Nützlichkeit der Sache zu entscheiden haben, und ich bitte Sie auf diesen Fall sich das Interesse der Wissenschaft empfohlen seyn zu lassen.
Wenn Sie sich die Mühe nehmen wollen einen Aufsatz von mir im 2ten Heft der Bonner Jahrbücher: über den gegenwärtigen Zustand der Indischen Philologie flüchtig zu durchlaufen, so werden Sie sehen, daß ich einen solchen Plan schon früher im Sinne gehabt.
Wenn ich diesen Auftrag erhielte, so würde ich einige Jahre lang alle Hände voll zu thun haben, und wie bisher (meine Indischen Bücher kosten mir schon an 3000 Franken) mich weder Aufopferungen noch Mühe reuen lassen, um die Sache zu fördern. Vielleicht klärte sich unterdessen der Horizont wieder auf, und für den akademischen Lehrer wäre nicht mehr

instabilis tellus, innabilis unda

wie es jetzt, wenigstens meiner erregbaren Einbildungskraft erscheint.
Ich wünsche durch diesen ganz uneigennützigen Vorschlag zu beweisen, daß zu dem gethanen Schritte nichts andres mich bewogen hat als das Bedürfniß mich in einer ruhigen Sphäre gelehrten Forschungen zu widmen. An der Publicität bin ich ganz unschuldig, ich habe mich nur im engsten Vertrauen wenigen Freunden eröffnet, und mich sogar für verpflichtet geachtet, da ich zu Anfang des neuen Jahres noch keine Entscheidung hatte, das Verzeichniß meiner Vorlesungen für das nächste Semester einzureichen.
Wie es nun auch kommen mag, im Auslande oder bey einem ferneren Aufenthalte in Deutschland, wünsche ich mir lebhaft die Fortdauer Ihres Wohlwollens, und bitte Sie die Versicherungen der ausgezeichnetsten Hochachtung zu empfangen, womit ich die Ehre habe zu seyn pp.
abgesendet d. 19ten Januar 1820
Ich weiß nicht ob ich es wagen darf, nach einer so flüchtigen und kurzen Bekanntschaft als die war, welche die Gelegenheit Ihrer Durchreise in B.[onn] mir zu stiften vergönnt hat, über meine persönlichen Angelegenheiten im Vertrauen an Sie zu schreiben. Vor sechs Wochen ist mein Entlassungs-Gesuch an das Königliche Ministerium abgegangen: ich schrieb es, kann ich Sie versichern, mit schwerem Herzen; es kostete mich Überwindung, ein solches Gesuch einem hochverehrten Gönner vorzutragen, von dem ich seit meiner Ernennung nur belohnende Anerkennung, aufmunternde Beweise der Gewogenheit, gnädige Bewilligung meiner Wünsche empfangen hatte. Auch wußte ich ja wohl, daß das, was uns drückt, nicht von dem Ministerium des öffentlichen Unterichts herrührt, sondern durch eine Zusammenwirkung allgemeinerer Einflüsse herbeygeführt worden ist. Ich verhehlte mir nicht, daß ich bedeutenden Vortheilen, und einem Wirkungskreise entsagte, den ich, bis die Störungen eintraten, sehr angenehm gefunden hatte. Aber mir war schon seit geraumer Zeit unheimlich zu Muthe geworden, und nach den letzten Vorfällen setzte sich bei mir die Ansicht fest, daß man nicht mehr mit Unbefangenheit und Heiterkeit als akademischer Lehrer auftreten könne, und daß sich auch gar nicht voraussehen lasse, wann wieder ein günstiger Stern für die Universitäten, für die Gelehrten und Schriftsteller überhaupt aufgehen würde. Niemand springt gern zum Fenster hinaus, um der beengten Luft eines dumpfen Zimmers zu entgehen, aber es ist immer besser als zum Fenster hinausgeworfen zu werden, womit ja der Bundestagsbeschluß vom 20sten September uns arme Professoren, Leute die meistens kein Wasser trüben, insgesamt bedroht. Mit Einem Worte, ich machte es wie Gribouille, der sich ins Wasser tauchte, um nicht naß geregnet zu werden. Ich sah nun einer entscheidenden Antwort entgegen, die meiner kurzen Laufbahn als öffentlicher Lehrer ein Ende gemacht hätte, und meine Entwürfe für eine neue Lebensweise waren schon ziemlich ins reine gebracht. Eine solche Antwort ist bis jetzt nicht erfolgt dagegen habe ich Eröffnungen von Seiten Sr. Durchlaucht des Staatskanzlers durch einen Brief von Hrn. Koreff vom 8ten Januar erhalten, beruhigende Versicherungen, dringende Auffoderungen, meine Kräfte ferner dem Dienste der Wissenschaften im Preußischen Staate zu widmen. Ich muß hierin einen Beweis finden daß die Sache durch den Hrn. Minister von Altenstein auf eine für mich nicht ungünstige und milde Art aufgenommen worden ist, und dieß legt mir eine neue Verbindlichkeit gegen Se. Excellenz auf. Ich bitte Sie demnach vor allen Dingen der Dollmetscher meiner ehrerbietigen und dankbaren Gesinnungen bey dem Hrn. Staatsminister zu seyn.
Ich habe mit der heutigen Post ausführlich an Hrn. Koreff geantwortet, und es als den einzigen Ausweg angedeutet, der sich meinen Gedanken darbietet, wenn ich für jetzt einen speciellen wissenschaftlichen Auftrag bekäme; und welcher außerhalb des gewöhnlichen Kreises der akademischen Lehrämter läge. Längst hegte ich den Wunsch, das Studium des Sanskrit und der Indischen Litteratur in Deutschland auf eine gründliche Art einheimisch zu machen. Ich wollte nur erst weiter arbeiten und mehr vorbereiten, ehe ich dieses Anliegen vor das hohe Ministerium brächte. Eine lateinische Abhandlung De usu pp ist halb fertig geschrieben und ihre Vollendung bloß zufällig verzögert worden: diese wird aber nur Probe eines erschöpfenden sprachvergleichenden Werkes seyn. Ich habe mich bereitwillig erklärt, auf erhaltenen Befehl einen Bericht über die zu diesem Zwecke nöthigen Mittel und Veranstaltungen einzuliefern. Sollte dieser verlohrne Versuch über meine Erwartung Eingang finden, so wird natürlich das Ministerium des öffentlichen Unterrichts über die Thunlichkeit und Nützlichkeit der Sache zu entscheiden haben, und ich bitte Sie auf diesen Fall sich das Interesse der Wissenschaft empfohlen seyn zu lassen.
Wenn Sie sich die Mühe nehmen wollen einen Aufsatz von mir im 2ten Heft der Bonner Jahrbücher: über den gegenwärtigen Zustand der Indischen Philologie flüchtig zu durchlaufen, so werden Sie sehen, daß ich einen solchen Plan schon früher im Sinne gehabt.
Wenn ich diesen Auftrag erhielte, so würde ich einige Jahre lang alle Hände voll zu thun haben, und wie bisher (meine Indischen Bücher kosten mir schon an 3000 Franken) mich weder Aufopferungen noch Mühe reuen lassen, um die Sache zu fördern. Vielleicht klärte sich unterdessen der Horizont wieder auf, und für den akademischen Lehrer wäre nicht mehr

instabilis tellus, innabilis unda

wie es jetzt, wenigstens meiner erregbaren Einbildungskraft erscheint.
Ich wünsche durch diesen ganz uneigennützigen Vorschlag zu beweisen, daß zu dem gethanen Schritte nichts andres mich bewogen hat als das Bedürfniß mich in einer ruhigen Sphäre gelehrten Forschungen zu widmen. An der Publicität bin ich ganz unschuldig, ich habe mich nur im engsten Vertrauen wenigen Freunden eröffnet, und mich sogar für verpflichtet geachtet, da ich zu Anfang des neuen Jahres noch keine Entscheidung hatte, das Verzeichniß meiner Vorlesungen für das nächste Semester einzureichen.
Wie es nun auch kommen mag, im Auslande oder bey einem ferneren Aufenthalte in Deutschland, wünsche ich mir lebhaft die Fortdauer Ihres Wohlwollens, und bitte Sie die Versicherungen der ausgezeichnetsten Hochachtung zu empfangen, womit ich die Ehre habe zu seyn pp.
abgesendet d. 19ten Januar 1820
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