• Johann Gottlieb Fichte to August Wilhelm von Schlegel , Friedrich von Schlegel

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Jena · Date: 23.12.1799
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel, Friedrich von Schlegel
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Jena
  • Date: 23.12.1799
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 33‒38.
  • Weitere Drucke: J. G. Fichte. Briefwechsel. Kritische Gesamtausgabe. Hg. v. Hans Karl Schulz. Bd. 2. Leipzig 1925, S. 196‒202.
    Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Hg. v. Reinhard Lauth und Hans Gliwitzky. Abteilung III, Bd. 4: Briefwechsel. Stuttgart u.a. 1973, S. 168‒174.
  • Incipit: „[1] V[on] H[ause] d[en] 23.Xbr. [Dezember] 99.

    Hier, meine verehrten Freunde, der versprochne Entwurf.
    Vergeben Sie mir die Flüchtigkeit, und daraus ohne Zweifel [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-33563
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.8,Nr.49
  • Number of Pages: 1S., hs.
  • Format: 11,9 x 18,8 cm
    Language
  • German
[1] V[on] H[ause] d[en] 23.Xbr. [Dezember] 99.

Hier, meine verehrten Freunde, der versprochne Entwurf.
Vergeben Sie mir die Flüchtigkeit, und daraus ohne Zweifel hier, und da entsprechende Unbestimmtheit des Ausdruks, sowie die blasse Dinte, und schwer zu lesende Schreiberei. In Absicht des erstern war ja nichts weiter mein Zwek, als der verstanden zu seyn; und dies werde ich von Ihnen ohne Zweifel aufs halbe Wort.
F[ichte]
[2]
[3]

Entwurf zu einem Plane über ein zu errichtendes kritisches Institut.

Einleitung


1.). Vor allen müssen wir uns, jeder gegen sich selbst, und unter einander, heilig verbinden, daß keine Rük- und NebenAbsicht auf unsern Plan Einfluß habe, sondern daß wir lediglich darauf ausgehen, das von uns selbst für das beste anerkannte auf die beste Weise auszuführen. Die Ausführung wird ohnedies hinter dem Entwurfe zurükbleiben; Fehler im Entwurfe selbst aber so unbedeutend sie scheinen möchten, würden in der Ausführung uns himmelweit vom rechten Wege ableiten…
Lassen Sie uns bedenken a.) daß im Felde der Halbheit und Stümperei wir selbst die ärgsten Stümper sind, und daß, wenn es darauf ankommt, etwas ungeschikt unternommenes zu verkleistern, zu verkleben, und in der Ausführung nachzuhelfen, jene die ihr Leben lang nichts als dies getrieben haben, Uns, die wir uns der Vollkommenheit befleissen, stets übertreffen werden. b.) daß, falls über die Ausführbarkeit des entworfnen (wie ich glaube, einzig gründlichen Plans) uns selbst Zweifel entständen, es viel besser ist, gar nichts zu thun, als zu scheitern und dadurch auch die künftige Ausführung eines solchen Plans überhaupt zu verhindern, und uns selbst einen zweifelhaften Namen für andere Unternehmungen zu machen.

2). Begriff.

Unser Unternehmen, wenn es etwas rechtes, und ordentliches, und kein Flikwerk seyn soll, kann nichts anderes seyn, noch seyn wollen, denn eine pragmatische Zeitgeschichte der Litteratur und Kunst. Aus diesem Begriffe allein fliessen alle die Anfoderungen, die wir an uns zu machen haben.
[4] 3.) Unsre Arbeit zerfällt sonach in zwei Haupttheile. Wir müssen nemlich zuerst unsre Geschichte in der Zeit anknüpfen, – den Punkt, von welchem sie ausgeht, durchaus bestimmt, klar, und durchsichtig hinstellen: – dann, die Zeit durch sie begleiten.
4.) Was das erste anbelangt, haben wir aufzustellen a.) einen bestimmten Begriff von Wissenschaft und Kunst überhaupt, und den Geist derselben; so wie von den besondern Wissenschaften b.). die Epoche, von welcher unsre Revision anhebt, (und welche sehr füglich das Ende des 18ten Jahrhunderts seyn könnte) mit jener Idee zu vergleichen, und an ihr zu messen: also zu zeigen, was bis jezt geleistet sey, woran es noch fehle, und welchen Weg von nun an der menschliche Geist nehmen müsse. – Es gehört dahin auch eine Geschichte der öffentlichen Kritik bis zu diesem Zeitpunkte; nebst einer Anzeige der tollsten herrschenden Vorurtheile, die auf den Zustand derselben Einfluß haben. Die Principien unsrer eignen Kritik gehen von selbst aus jener Ansicht hervor.
5.) Das zweite Geschäft ergiebt aus dem ersten sich von selbst. Alles erscheinende wird, Classen, und Rubrikenweise, nach jenen erwiesenen Anfoderungen an die Wissenschaft geprüft, und nach dieser Prüfung ihm sein Plaz angewiesen.
6.) Es geht aus dem soeben gesagten, – aus dem Begriff des Pragmatischen, – ja, aus den gewöhnlichsten Regeln der Ordnung, und des Zusammenhangs hervor, daß einzelne Recensionen, in unserm Plane nicht Statt finden. Alles muß systematische Uebersicht seyn, und bleiben. – Die Bequemlichkeit über ein einzelnes Buch hin und her zu discuriren, und dabei eigene Winke, und Ahnungen anzubringen, für die man nun jezt eben keinen schiklichern Plaz weiß, wird von keinem unter uns in Anschlag gebracht werden: Denn dem Reiche der blossen Winke, und Einfälle wollen wir ja eben ein Ende machen, und sie können darum nicht selbst in unsern Plan eingehen. – Bliebe allein die merkantilische Rüksicht. Aber nachdem wir (nach 1.) Verzicht thun auf die NebenAbsicht, mit [5] stümperhaften Instituten uns auf ihrem eignen Felde zu messen; – um sie, vielleicht um einige Jahre später, dann aber auch von Grund aus, zu stürzen, fällt auch dieser Betrachtung Gewicht hinweg. Das Publicum wird sich sehr bald an die ungewöhnlichere, aber wahrhaft weit bequemere Form, in der ihm das wirklich gute dargeboten wird, gewöhnen.
7.) Die Zeitgeschichte geht von Bücher Messe zu Bücher Messe; und ist (es versteht sich für ihren Plan) vollständig. z.B. in der OsterMesse 1802. erscheint die Relation von der OsterMesse 1801. in der MichaelisMesse die von der vorigen MichaelisMesse u.s.w.
N[ota] Es wäre freilich wünschenswerther, daß die Relation nur ein halbes, nicht ein ganzes Jahr hinter der Begebenheit zurükbliebe. Aber, durch das weiter unten folgende wird die Unmöglichkeit davon sich ergeben.
8.) Unsere HauptArbeit ist doch stets die Geschichte der gegenwärtigen Zeit: Die erste Lieferung muß daher, ausser dem Einleitungs Bande, oder Bänden, auch noch die Relation einer in unsre Epoche wirklich fallenden Messe enthalten. z.B. Ostern 1802. erschienen die Einleitung, und die Relation, von Ostern 1801. – und nun fort jedes halbe Jahr ein Band.
9.) Das Werk lobe den Meister; nicht umgekehrt. Meine unmaaßgebliche Meinung wäre daher, daß wir nicht ankündigten, ja, uns sogar mündlich nichts verlauten liessen, sondern ganz in der Stille arbeiteten, und dann auf einmal und allen unversehens mit dem ganzen Werke da stünden. Die Wirkung ist dann auch eine ganz andere.

Eintheilung.

10.) Zustand des Wissenschaftlichen Geistes, und KünstlerSinnes überhaupt. – Bei der Beschreibung des bisherigen Zustandes wird angeknüpft. Wie es sich weiterhin damit verhalten wird, geht aus den Relationen von selbst hervor. Es könnte aber nicht schaden, wenn von Zeit zu Zeit, – etwa von einem Quinquennio zum [6] andern, noch besonders Bericht darüber abgestattet würde: So über den Zustand der öffentl[ichen] Kritik: die unter den Gelehrten herrschenden Meinungen, u.s.w.
11.) Philosophie. – In ihr keine stehende Eintheilung. Der Redacteur und die Mitarbeiter [in] diesem Fache ordnen nach dem Zeitbedürfnisse. z.B. gegenwärtig knüpfen alle Begebenheiten in diesem Fache sich an an den noch auf die mannigfaltigste Weise fortdauernden Widerstreit des Dogmatism gegen den tr[ansscendentalen] Idealism, nebst der Begierde, die Philosophie überhaupt los zu werden, um sich entweder in den gedan[ken]losesten Empirism, oder in einen gewissen Mysticism zu verlieren. Dies geht durch alle Zweige dieser Wissenschaft.
12.) Mathematische Wissenschaften. Das bekannte wird vorausgesezt. Vielleicht verdienen neuerliche Entdekungen in der Astronomie, und die combinatorische Analyse für das vergangne, ehrenvolle Meldung.
Mangel einer Philosophie der Mathematik, und Nachtheile, die der Math[ematik] daraus erwachsen; wird in der Zeitgeschichte fortgesezt, bis diesem Mangel einst abgeholfen wird.
13.) Wissenschaftl[iche] Physik in allen ihren Theilen, mit den verwandten Fächern. Tendenz des Zeitalters; Hauptstreit zwischen den Empirikern, und Aprioristen, ist der Hauptstandpunkt der Zeitgeschichte.
Die eigentl[iche] Therapie gehört hieher nicht. Inwiefern sie in das ganze Institut gehören könne, davon tiefer unten.
14.) Geschichte. – a.) beschreibende: Natur- und Länderkunde. b.). eigentl[ich] erzählende. – Geist, und gegenwärtiger Zustand derselben. Die Einleitung sagt, was sie seyn sollte: und die Zeitgeschichte prüft fortdauernd nach dieser Idee, bis Besserung erfolgt. – Universal-(Menschen) Geschichte. Ob es eine solche gebe? Allgemeine Cultur-Geschichte; Staatengeschichte: allgemeine, und besondere. Geschichte der Meinungen: Litterar-Geschichte, Gesch[ichte] der Philosophie. gelehrte Theologie (als seyn sollende historische Darstellung der χstl. [christlichen] Lehre. Das praktische bleibt hier ganz weg.) Jurisprudenz (als Geschichte dessen, [7] was als Recht gegolten, und noch gilt. Die juridische Beurtheilung ist philosophisch. Das praktische kommt tiefer unten vor.)
15.) Hülfswissenschaften. Philologie (als Sprachkunde; vieles, was man hier treibt, gehört zur Historie) Hermeneutik: für sich, und als Quelle der Sprachkunde. Unablässige Rüksicht auf die Modificationen, welche andere lebende Sprachen, besonders aber die Muttersprache erhält (als Sprache, nicht Kunst, oder Styl.) nebst unmaaßgeblichen Andeutungen über die künftigen Schiksaale dieser Modificationen.
16.) Kunst.
17.) redende und bildende. Reine. Dichtkunst, Musik; Mahlerei p[erge]p[erge] Bildhauerkunst pp. (In der Einleitung Ideen, wie die Kunst gegenwärtig stehe und was sie noch zu leisten habe. Darnach beurtheilt die Zeitgeschichte. Aus der bildenden Kunst zeigt sie die merkwürdigsten Producte aller Länder an, und beurtheilt sie.) Angewandte. Styl überhaupt; philosophischer, historischer, beschreibender Styl. (Diese Beurtheilung ist eine der Hauptobliegenheiten unsers Instituts. Es können, und sollen Werke, die wissenschaftlich in den Fächern, wohin sie gehören, schon beurtheilt sind, hier in Rüksicht des Styls noch besonders beurtheilt werden: es versteht sich, nicht gerade alle, sondern nur die in dieser Rüksicht durch Vorzüge, oder Fehler besonders lehrreichen. (Es gehören hieher auch alle theoretischen Werke über die Kunst.)
18.) mechanische Kunst. – Therapie (i[d] e[st] materia medica, Chirurgie, und dergl[eichen].) Technologie, Ackerbau, Oeconomie überhaupt. MilitärWissenschaften. (Bücher darüber: besonders aber historische Notizen über neue in- und ausländische Erfindungen.[)]
19.) Pädagogik (im weitesten Sinne des Worts.) Erziehung der physisch unmündigen. Bücher darüber. Nachrichten von niedern und höhern Erziehungsinstituten; auch dem herrschenden Zustande der häuslichen Erziehung. Volkserziehung: durch die Kirche (die praktische Theologie, Predigten, Catechismen, Agenden: theoretische Schriften darüber) durch den Staat (das praktische der Jurisprudenz, Politik. pp theoretische Schriften darüber. Historische Nachrichten von neuen Constitutionen, Gesetzen, Verordnungen pp.[)]

[8] Mitarbeiter, und ihre Organisation.

Es bedarf
a.) eines HauptRedacteurs, der das Ganze ordnet, das unter 10) bemerkte arbeitet, sich allein öffentlich nennt, mit dem Verleger unmittelbar im Contracte steht; und überhaupt dem Senate, dem Publicum, dem Verleger, und den Mitarbeitern für alles verantwortlich ist.
b.) eines besondern Redacteurs für jedes einzelne wissenschaftliche Fach, das seines besondern Mannes bedarf. Dieser ordnet den Artikel seines Fachs zu einem Ganzen. Er wählt die Mitarbeiter seines Fachs, die ganz allein mit ihm in Verbindung stehen, und die er sogar dem Hauptredacteur nicht zu nennen braucht.
c.) Unter- und Zuarbeiter, wovon unter b.
d.) Der Redacteur des Fachs hat das unbeschränkte Recht, in den eingesandten Aufsätzen seiner Zuarbeiter zu streichen, zu verändern, und überhaupt so damit umzugehen, daß ein ihm gefälliges Ganzes daraus entstehe. –. Eben dasselbe Recht hat der HauptRedacteur mit den von den UnterRedacteurs ihm eingesandten Arbeiten.
e.) Der Verleger honorirt ganz allein den HauptRedacteur, welchen er sonach allein zu ken[ne]n bedarf: Dieser die Redacteurs des Fachs; dieser seine Zuarbeiter. – Es würde das zwekmässigste seyn, daß ein Band wie stark oder schwach er sey – (je kürzer, und dabei gründlich, und vollständig, desto besser ist er) dem Publicum dieselbe bestimmte Summe z.B. 3 rh. [Reichsthaler] koste, an den Hauptredacteur durch dieselbe bestimmte Summe honorirt werde, und dieser jedes Fach mit der bestimmten Summe honorire.
Nach einem ohngefähren Ueberschlage bedürften wir folgende Mitarbeiter: eines Hauptredacteurs; der jedoch zugleich noch Redacteur eines besonders Fachs z.B. der Philosophie seyn könnte; eines Redacteurs für Mathematik, für Physik, für Natur- und Erdbeschreibung, für (gewöhnlich sogenannte) Historie, für Litterär- und PhilosophieGeschichte, einen gelehrten Theologen, einen gelehrten Juristen, einen Redacteur für die Hülfswissenschaften, für Rede-Künste, für bildende, für Musik, für Technologie, und Oeconomie, einen ausübenden Religionslehrer, und Erzieher: also 14. Redacteurs. Zuarbeiter: 2 bis 3. für Philosophie, soviel für Mathematik, 4–5. für physicalische Wissenschaften. Für Historie 2–3. Litterär- und Philosophie-Gesch[ichte] 1. Hülfswissenschaften 2–3. Redekünste 3. für bildende Künste, und alle die Fächer in denen es historische Notizen giebt, mehrere Correspondenten (N[ota] der Redacteur eines Fachs, der da correspondiren muß, erhält dafür eine besondre Vergütung) also: 16 bis 20 Zuarbeiter, und mehrere Correspon[9]denten, sonach ein Personale gegen 40.

Anhang

einen mit dem Institute zu verknüpfenden mächtigen Einfluß in den Buchhandel betreffend.
1.) Der Verleger des kritischen Werkes hat auf alle Handschriften der Mitarbeiter das Vorkaufsrecht, d.h. wenn er die Bedingungen eingehen will, die irgend ein andrer Verleger erweislich dem Verf[asser] zugestanden, so erhält er den Verlag.
2.) Dagegen ist der Verleger verbunden, Handschriften der Mitarbeiter, die ihm von den Redacteurs empfohlen werden (die sie deswegen ex officio durchzulesen, und ihr Urtheil darüber auszustellen haben) auf billige, (d.h. über die er sich mit den Redacteurs vereinigen kann.) Bedingungen in Verlag zu nehmen.
3.) Es sollen auch andere Gelehrten, die nicht Mitarbeiter sind, das Recht haben, und eingeladen werden, ihre Handschriften zur Beurtheilung und zur Empfehlung zum Verlage, an die Gesellschaft einzuschiken. – Es folgt hieraus, daß der Verleger des kritischen Werks für die ihm angebotnen Handschriften dieses Recht gleichfalls hat[.]
4.) Die obenstehenden Bedingungen werden dem feierlichen Contracte einverleibt, so daß Klage beim Senate über die Verletzung derselben Statt finde.
– – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Das erste, was wir von nun an zu thun haben ist – nicht, einen Verleger zu suchen. Ich für meine Person glaube, der Plan sey, besonders auch durch den obenstehenden Anhang von der Art, daß jeder vermögende Mann von einigem Kopfe (Buchhändler oder nicht) dem er vorgelegt wird, ihn mit Begierde ergreifen müsse: Daß also der Verleger gerade die allerlezte Sorge ist. Sondern das muß unsre Sorge seyn, nachzudenken, woher wir das oben berechnete Personale, tüchtig zu seinem [10] Geschäft, finden, wie wir es vereinigen, wie wir uns seiner versichern können.
Stillschweigen ist uns um so nöthiger, da ich auch nun wieder aus andern Quellen von einem solchen Unternehmen reden höre.
[1] V[on] H[ause] d[en] 23.Xbr. [Dezember] 99.

Hier, meine verehrten Freunde, der versprochne Entwurf.
Vergeben Sie mir die Flüchtigkeit, und daraus ohne Zweifel hier, und da entsprechende Unbestimmtheit des Ausdruks, sowie die blasse Dinte, und schwer zu lesende Schreiberei. In Absicht des erstern war ja nichts weiter mein Zwek, als der verstanden zu seyn; und dies werde ich von Ihnen ohne Zweifel aufs halbe Wort.
F[ichte]
[2]
[3]

Entwurf zu einem Plane über ein zu errichtendes kritisches Institut.

Einleitung


1.). Vor allen müssen wir uns, jeder gegen sich selbst, und unter einander, heilig verbinden, daß keine Rük- und NebenAbsicht auf unsern Plan Einfluß habe, sondern daß wir lediglich darauf ausgehen, das von uns selbst für das beste anerkannte auf die beste Weise auszuführen. Die Ausführung wird ohnedies hinter dem Entwurfe zurükbleiben; Fehler im Entwurfe selbst aber so unbedeutend sie scheinen möchten, würden in der Ausführung uns himmelweit vom rechten Wege ableiten…
Lassen Sie uns bedenken a.) daß im Felde der Halbheit und Stümperei wir selbst die ärgsten Stümper sind, und daß, wenn es darauf ankommt, etwas ungeschikt unternommenes zu verkleistern, zu verkleben, und in der Ausführung nachzuhelfen, jene die ihr Leben lang nichts als dies getrieben haben, Uns, die wir uns der Vollkommenheit befleissen, stets übertreffen werden. b.) daß, falls über die Ausführbarkeit des entworfnen (wie ich glaube, einzig gründlichen Plans) uns selbst Zweifel entständen, es viel besser ist, gar nichts zu thun, als zu scheitern und dadurch auch die künftige Ausführung eines solchen Plans überhaupt zu verhindern, und uns selbst einen zweifelhaften Namen für andere Unternehmungen zu machen.

2). Begriff.

Unser Unternehmen, wenn es etwas rechtes, und ordentliches, und kein Flikwerk seyn soll, kann nichts anderes seyn, noch seyn wollen, denn eine pragmatische Zeitgeschichte der Litteratur und Kunst. Aus diesem Begriffe allein fliessen alle die Anfoderungen, die wir an uns zu machen haben.
[4] 3.) Unsre Arbeit zerfällt sonach in zwei Haupttheile. Wir müssen nemlich zuerst unsre Geschichte in der Zeit anknüpfen, – den Punkt, von welchem sie ausgeht, durchaus bestimmt, klar, und durchsichtig hinstellen: – dann, die Zeit durch sie begleiten.
4.) Was das erste anbelangt, haben wir aufzustellen a.) einen bestimmten Begriff von Wissenschaft und Kunst überhaupt, und den Geist derselben; so wie von den besondern Wissenschaften b.). die Epoche, von welcher unsre Revision anhebt, (und welche sehr füglich das Ende des 18ten Jahrhunderts seyn könnte) mit jener Idee zu vergleichen, und an ihr zu messen: also zu zeigen, was bis jezt geleistet sey, woran es noch fehle, und welchen Weg von nun an der menschliche Geist nehmen müsse. – Es gehört dahin auch eine Geschichte der öffentlichen Kritik bis zu diesem Zeitpunkte; nebst einer Anzeige der tollsten herrschenden Vorurtheile, die auf den Zustand derselben Einfluß haben. Die Principien unsrer eignen Kritik gehen von selbst aus jener Ansicht hervor.
5.) Das zweite Geschäft ergiebt aus dem ersten sich von selbst. Alles erscheinende wird, Classen, und Rubrikenweise, nach jenen erwiesenen Anfoderungen an die Wissenschaft geprüft, und nach dieser Prüfung ihm sein Plaz angewiesen.
6.) Es geht aus dem soeben gesagten, – aus dem Begriff des Pragmatischen, – ja, aus den gewöhnlichsten Regeln der Ordnung, und des Zusammenhangs hervor, daß einzelne Recensionen, in unserm Plane nicht Statt finden. Alles muß systematische Uebersicht seyn, und bleiben. – Die Bequemlichkeit über ein einzelnes Buch hin und her zu discuriren, und dabei eigene Winke, und Ahnungen anzubringen, für die man nun jezt eben keinen schiklichern Plaz weiß, wird von keinem unter uns in Anschlag gebracht werden: Denn dem Reiche der blossen Winke, und Einfälle wollen wir ja eben ein Ende machen, und sie können darum nicht selbst in unsern Plan eingehen. – Bliebe allein die merkantilische Rüksicht. Aber nachdem wir (nach 1.) Verzicht thun auf die NebenAbsicht, mit [5] stümperhaften Instituten uns auf ihrem eignen Felde zu messen; – um sie, vielleicht um einige Jahre später, dann aber auch von Grund aus, zu stürzen, fällt auch dieser Betrachtung Gewicht hinweg. Das Publicum wird sich sehr bald an die ungewöhnlichere, aber wahrhaft weit bequemere Form, in der ihm das wirklich gute dargeboten wird, gewöhnen.
7.) Die Zeitgeschichte geht von Bücher Messe zu Bücher Messe; und ist (es versteht sich für ihren Plan) vollständig. z.B. in der OsterMesse 1802. erscheint die Relation von der OsterMesse 1801. in der MichaelisMesse die von der vorigen MichaelisMesse u.s.w.
N[ota] Es wäre freilich wünschenswerther, daß die Relation nur ein halbes, nicht ein ganzes Jahr hinter der Begebenheit zurükbliebe. Aber, durch das weiter unten folgende wird die Unmöglichkeit davon sich ergeben.
8.) Unsere HauptArbeit ist doch stets die Geschichte der gegenwärtigen Zeit: Die erste Lieferung muß daher, ausser dem Einleitungs Bande, oder Bänden, auch noch die Relation einer in unsre Epoche wirklich fallenden Messe enthalten. z.B. Ostern 1802. erschienen die Einleitung, und die Relation, von Ostern 1801. – und nun fort jedes halbe Jahr ein Band.
9.) Das Werk lobe den Meister; nicht umgekehrt. Meine unmaaßgebliche Meinung wäre daher, daß wir nicht ankündigten, ja, uns sogar mündlich nichts verlauten liessen, sondern ganz in der Stille arbeiteten, und dann auf einmal und allen unversehens mit dem ganzen Werke da stünden. Die Wirkung ist dann auch eine ganz andere.

Eintheilung.

10.) Zustand des Wissenschaftlichen Geistes, und KünstlerSinnes überhaupt. – Bei der Beschreibung des bisherigen Zustandes wird angeknüpft. Wie es sich weiterhin damit verhalten wird, geht aus den Relationen von selbst hervor. Es könnte aber nicht schaden, wenn von Zeit zu Zeit, – etwa von einem Quinquennio zum [6] andern, noch besonders Bericht darüber abgestattet würde: So über den Zustand der öffentl[ichen] Kritik: die unter den Gelehrten herrschenden Meinungen, u.s.w.
11.) Philosophie. – In ihr keine stehende Eintheilung. Der Redacteur und die Mitarbeiter [in] diesem Fache ordnen nach dem Zeitbedürfnisse. z.B. gegenwärtig knüpfen alle Begebenheiten in diesem Fache sich an an den noch auf die mannigfaltigste Weise fortdauernden Widerstreit des Dogmatism gegen den tr[ansscendentalen] Idealism, nebst der Begierde, die Philosophie überhaupt los zu werden, um sich entweder in den gedan[ken]losesten Empirism, oder in einen gewissen Mysticism zu verlieren. Dies geht durch alle Zweige dieser Wissenschaft.
12.) Mathematische Wissenschaften. Das bekannte wird vorausgesezt. Vielleicht verdienen neuerliche Entdekungen in der Astronomie, und die combinatorische Analyse für das vergangne, ehrenvolle Meldung.
Mangel einer Philosophie der Mathematik, und Nachtheile, die der Math[ematik] daraus erwachsen; wird in der Zeitgeschichte fortgesezt, bis diesem Mangel einst abgeholfen wird.
13.) Wissenschaftl[iche] Physik in allen ihren Theilen, mit den verwandten Fächern. Tendenz des Zeitalters; Hauptstreit zwischen den Empirikern, und Aprioristen, ist der Hauptstandpunkt der Zeitgeschichte.
Die eigentl[iche] Therapie gehört hieher nicht. Inwiefern sie in das ganze Institut gehören könne, davon tiefer unten.
14.) Geschichte. – a.) beschreibende: Natur- und Länderkunde. b.). eigentl[ich] erzählende. – Geist, und gegenwärtiger Zustand derselben. Die Einleitung sagt, was sie seyn sollte: und die Zeitgeschichte prüft fortdauernd nach dieser Idee, bis Besserung erfolgt. – Universal-(Menschen) Geschichte. Ob es eine solche gebe? Allgemeine Cultur-Geschichte; Staatengeschichte: allgemeine, und besondere. Geschichte der Meinungen: Litterar-Geschichte, Gesch[ichte] der Philosophie. gelehrte Theologie (als seyn sollende historische Darstellung der χstl. [christlichen] Lehre. Das praktische bleibt hier ganz weg.) Jurisprudenz (als Geschichte dessen, [7] was als Recht gegolten, und noch gilt. Die juridische Beurtheilung ist philosophisch. Das praktische kommt tiefer unten vor.)
15.) Hülfswissenschaften. Philologie (als Sprachkunde; vieles, was man hier treibt, gehört zur Historie) Hermeneutik: für sich, und als Quelle der Sprachkunde. Unablässige Rüksicht auf die Modificationen, welche andere lebende Sprachen, besonders aber die Muttersprache erhält (als Sprache, nicht Kunst, oder Styl.) nebst unmaaßgeblichen Andeutungen über die künftigen Schiksaale dieser Modificationen.
16.) Kunst.
17.) redende und bildende. Reine. Dichtkunst, Musik; Mahlerei p[erge]p[erge] Bildhauerkunst pp. (In der Einleitung Ideen, wie die Kunst gegenwärtig stehe und was sie noch zu leisten habe. Darnach beurtheilt die Zeitgeschichte. Aus der bildenden Kunst zeigt sie die merkwürdigsten Producte aller Länder an, und beurtheilt sie.) Angewandte. Styl überhaupt; philosophischer, historischer, beschreibender Styl. (Diese Beurtheilung ist eine der Hauptobliegenheiten unsers Instituts. Es können, und sollen Werke, die wissenschaftlich in den Fächern, wohin sie gehören, schon beurtheilt sind, hier in Rüksicht des Styls noch besonders beurtheilt werden: es versteht sich, nicht gerade alle, sondern nur die in dieser Rüksicht durch Vorzüge, oder Fehler besonders lehrreichen. (Es gehören hieher auch alle theoretischen Werke über die Kunst.)
18.) mechanische Kunst. – Therapie (i[d] e[st] materia medica, Chirurgie, und dergl[eichen].) Technologie, Ackerbau, Oeconomie überhaupt. MilitärWissenschaften. (Bücher darüber: besonders aber historische Notizen über neue in- und ausländische Erfindungen.[)]
19.) Pädagogik (im weitesten Sinne des Worts.) Erziehung der physisch unmündigen. Bücher darüber. Nachrichten von niedern und höhern Erziehungsinstituten; auch dem herrschenden Zustande der häuslichen Erziehung. Volkserziehung: durch die Kirche (die praktische Theologie, Predigten, Catechismen, Agenden: theoretische Schriften darüber) durch den Staat (das praktische der Jurisprudenz, Politik. pp theoretische Schriften darüber. Historische Nachrichten von neuen Constitutionen, Gesetzen, Verordnungen pp.[)]

[8] Mitarbeiter, und ihre Organisation.

Es bedarf
a.) eines HauptRedacteurs, der das Ganze ordnet, das unter 10) bemerkte arbeitet, sich allein öffentlich nennt, mit dem Verleger unmittelbar im Contracte steht; und überhaupt dem Senate, dem Publicum, dem Verleger, und den Mitarbeitern für alles verantwortlich ist.
b.) eines besondern Redacteurs für jedes einzelne wissenschaftliche Fach, das seines besondern Mannes bedarf. Dieser ordnet den Artikel seines Fachs zu einem Ganzen. Er wählt die Mitarbeiter seines Fachs, die ganz allein mit ihm in Verbindung stehen, und die er sogar dem Hauptredacteur nicht zu nennen braucht.
c.) Unter- und Zuarbeiter, wovon unter b.
d.) Der Redacteur des Fachs hat das unbeschränkte Recht, in den eingesandten Aufsätzen seiner Zuarbeiter zu streichen, zu verändern, und überhaupt so damit umzugehen, daß ein ihm gefälliges Ganzes daraus entstehe. –. Eben dasselbe Recht hat der HauptRedacteur mit den von den UnterRedacteurs ihm eingesandten Arbeiten.
e.) Der Verleger honorirt ganz allein den HauptRedacteur, welchen er sonach allein zu ken[ne]n bedarf: Dieser die Redacteurs des Fachs; dieser seine Zuarbeiter. – Es würde das zwekmässigste seyn, daß ein Band wie stark oder schwach er sey – (je kürzer, und dabei gründlich, und vollständig, desto besser ist er) dem Publicum dieselbe bestimmte Summe z.B. 3 rh. [Reichsthaler] koste, an den Hauptredacteur durch dieselbe bestimmte Summe honorirt werde, und dieser jedes Fach mit der bestimmten Summe honorire.
Nach einem ohngefähren Ueberschlage bedürften wir folgende Mitarbeiter: eines Hauptredacteurs; der jedoch zugleich noch Redacteur eines besonders Fachs z.B. der Philosophie seyn könnte; eines Redacteurs für Mathematik, für Physik, für Natur- und Erdbeschreibung, für (gewöhnlich sogenannte) Historie, für Litterär- und PhilosophieGeschichte, einen gelehrten Theologen, einen gelehrten Juristen, einen Redacteur für die Hülfswissenschaften, für Rede-Künste, für bildende, für Musik, für Technologie, und Oeconomie, einen ausübenden Religionslehrer, und Erzieher: also 14. Redacteurs. Zuarbeiter: 2 bis 3. für Philosophie, soviel für Mathematik, 4–5. für physicalische Wissenschaften. Für Historie 2–3. Litterär- und Philosophie-Gesch[ichte] 1. Hülfswissenschaften 2–3. Redekünste 3. für bildende Künste, und alle die Fächer in denen es historische Notizen giebt, mehrere Correspondenten (N[ota] der Redacteur eines Fachs, der da correspondiren muß, erhält dafür eine besondre Vergütung) also: 16 bis 20 Zuarbeiter, und mehrere Correspon[9]denten, sonach ein Personale gegen 40.

Anhang

einen mit dem Institute zu verknüpfenden mächtigen Einfluß in den Buchhandel betreffend.
1.) Der Verleger des kritischen Werkes hat auf alle Handschriften der Mitarbeiter das Vorkaufsrecht, d.h. wenn er die Bedingungen eingehen will, die irgend ein andrer Verleger erweislich dem Verf[asser] zugestanden, so erhält er den Verlag.
2.) Dagegen ist der Verleger verbunden, Handschriften der Mitarbeiter, die ihm von den Redacteurs empfohlen werden (die sie deswegen ex officio durchzulesen, und ihr Urtheil darüber auszustellen haben) auf billige, (d.h. über die er sich mit den Redacteurs vereinigen kann.) Bedingungen in Verlag zu nehmen.
3.) Es sollen auch andere Gelehrten, die nicht Mitarbeiter sind, das Recht haben, und eingeladen werden, ihre Handschriften zur Beurtheilung und zur Empfehlung zum Verlage, an die Gesellschaft einzuschiken. – Es folgt hieraus, daß der Verleger des kritischen Werks für die ihm angebotnen Handschriften dieses Recht gleichfalls hat[.]
4.) Die obenstehenden Bedingungen werden dem feierlichen Contracte einverleibt, so daß Klage beim Senate über die Verletzung derselben Statt finde.
– – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Das erste, was wir von nun an zu thun haben ist – nicht, einen Verleger zu suchen. Ich für meine Person glaube, der Plan sey, besonders auch durch den obenstehenden Anhang von der Art, daß jeder vermögende Mann von einigem Kopfe (Buchhändler oder nicht) dem er vorgelegt wird, ihn mit Begierde ergreifen müsse: Daß also der Verleger gerade die allerlezte Sorge ist. Sondern das muß unsre Sorge seyn, nachzudenken, woher wir das oben berechnete Personale, tüchtig zu seinem [10] Geschäft, finden, wie wir es vereinigen, wie wir uns seiner versichern können.
Stillschweigen ist uns um so nöthiger, da ich auch nun wieder aus andern Quellen von einem solchen Unternehmen reden höre.
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