• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Berlin · Date: 18.05.1801
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 18.05.1801
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 271‒273.
  • Incipit: „[1] Jena den 18ten Mai 1801
    Geliebter Bruder,
    Du mußt mich entschuldigen daß ich einige Zeit nicht geschrieben habe. Kaum hatte ich Dir [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34288
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.d,Nr.171
  • Number of Pages: 7S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 18,6 x 11,3 cm
    Language
  • German
[1] Jena den 18ten Mai 1801
Geliebter Bruder,
Du mußt mich entschuldigen daß ich einige Zeit nicht geschrieben habe. Kaum hatte ich Dir die lezten Zeilen geschrieben, so reiste ich nach L[eipzig] um Dor[othea] zurückzuhohlen. Ich traf Tieck noch, war einige Tage sehr vergnügt mit ihm, besorgte alle Geschäfte; kaum waren wir zurück und zwei Tage mit häuslichen Geschäften und durch einen Besuch hingegangen so wurde Dor[othea] sehr ernstlich krank. Es ist zwar keine Gefahr dabei, aber außer den übrigen Unannehmlichkeiten ist der Zeitverlust für uns beide schmerzlich genug. Daher mußt Du denn auch heute nur mit wenigem zufrieden sein[.] Unter 5, 6 Tagen wird sie zwar schwerlich das Bette verlassen können, indessen hoffe ich doch mit nächstem schon die Abschriften und alles was ich heute werde [2] übergehn müssen nachholen zu können. Ich schränke mich daher auf das wichtigste ein, auf das was uns selbst betrifft. Ich freue mich sehr daß ich nach Deinen Briefen hoffen darf, Dich sobald hier zu sehn. Ich reise gewiß nicht vor Ende Junis hier weg, Du findest mich also noch – ich habe viel mit Dir zu reden, manches Dir mitzutheilen was in Briefen nicht ging und ich hoffe mit Zuversicht daß nichts Dich in der freundschaftlichen Offenheit und künstlerischen Mittheilung stören soll. Ich werde nichts nur von ferne berühren was unangenehm sein könnte, ja ich will gern alles thun was billig ist, für die äußerliche Versöhnung die Du wünschest. Doch darauf setze ich nicht viel Hoffnung, denn es ist ja nur zu klar, daß Kar[oline] das gar nicht will, sondern nichts andres als mich in Deinem Herzen [3] auslöschen, mir Deine Freundschaft rauben.
Du bist wahrlich nicht unbefangen frage Tieck frage wen Du sonst willst der das Vergangene weiß, und jeder wird es eingestehen, daß ich wirklich weit mehr that, als K[aroline] irgend von mir erwarten durfte, daß ich sie von freien Stücken freundschaftlich besuchte. Ich konnte nur aus Liebe zu Dir den natürlichen Stolz durch diesen Schritt auf einen Augenblick vergessen. Und weil ich Dir den schlechten Erfolg dieses Schritts vielleicht in zu herben Worten schrieb, konntest Du Deinen treuesten Freund mit einer Reihe unverdienter Vorwürfe überhäufen?
Und welche Dinge läßt Du Dir nicht glauben machen? – So zum Beispiel, ich hätte es vermieden, mit Kar[oline] allein zu sprechen! – Lieber Freund, daran ist nicht ein wahres Wort. Ich habe mich im Gegentheil höchlich gewundert, daß [4] Sie mir dazu keine Veranlassung gab, daß Sie jenen zuvorkommenden Schritt nicht einmal zum Schein mit irgend einer solchen oder ähnlichen Annäherung erwiederte. So daß wenn ich die Worte streng auf die Wage legen wollte, ich nicht einmal hätte sagen dürfen, sie sei höflich gegen mich gewesen. Ich bin immer noch bereit und bereit gewesen, so bald und so oft sie mich sprechen will. Wie seltsam ist es ferner, es übel zu nehmen, daß ich den Brief von ihr bis jezt noch nicht beantwortet habe[.] Du weißt es selbst wie ich diese Monate her von einem Geschäft in das andere, von einer Störung in die andere, von einer kleinen Reise zur andern fortgerissen bin, so daß oft kaum Zeit zu ein paar nothwendigen Zeilen an dich blieb. Jener Brief ist überdem das erste Zeichen des Lebens, was sie mir nach ¾ Jahren gab; daß sie sicher kommen würde, [5] wußte ich nur so kurze Zeit, ehe sie kam, daß es nun nicht mehr Zeit war. Auch erforderte jener Brief gar nicht eine so schnelle Antwort; er ist, wenn ich ihn aufs beste und weit besser bezeichnen will als er verdient, das lezte Wort an einen Freund, der es nun nicht mehr ist. – Hast Du geglaubt, es sei seine Absicht auch nur die Möglichkeit einer Näherung zu befördern, so bist Du ganz getäuscht. Auch gestehe ich Dir, würde mich die Beantwortung in dem Fall, wo ich eine Wiederannäherung für möglich hielt, sehr in Verlegenheit setzen; denn der Brief ist von so übler Beschaffenheit daß meine Antwort, wenn sie auch noch so schonend geschrieben wäre, schwerlich Kar[olinen] günstig zu dieser stimmen könnte.
Ich hatte schon eine Entschuldigung auf den Lippen, da ich das erstemal bei Kar[oline] war, aber ihr Betragen hielt mich zurück.
Ich habe mich geflissentlich bloß auf das lezte eingeschränkt. – Nun sage selbst, was ich mehr hätte thun können, oder auch was ich noch thun soll? [6] Gern will ich alles thun was Du verlangst, und den billigen Stolz vergessen.
Was Du mir schreibst, die Art und die Gesinnung, die haben mich innig gerührt, und alles hat mich mit Schmerz und Traurigkeit erfüllt. Ja ich glaube den ruhigen Beobachter schon muß die Vorstellung Deines Schicksals mit der tiefsten Rührung erschüttern. Wie sollte es mich ohne Thränen lassen, da wir in so vielem ähnlich und durch so manches verbunden sind was heilig und mehr werth ist.
Es ist die äußerste Zeit. Ich muß schließen. Ueber die Vorwürfe die Du mir im Ganzen machst, vertheidige ich mich jezt nicht. Wenn Deine festesten Entschlüsse Deine so oft wiederhohlten Versprechungen daß Kar[olinens] Künste uns nie trennen sollten, wenn alles was geschehen ist, und was wir zusammen sprachen, nicht ganz aus Deiner Erinnerung [7] verschwunden ist, so mußt Du ja selbst die Antwort auf alles finden können.
Alles übrige mit nächstem – Gedichte und Geschäfte. – Wegen der lezten nur so viel. Ich habe Kar[oline] von L[eipzig] mitgebracht 91 R[eichsthaler] in Golde den Car[olin] à 6 R[eichsthaler], 5 Preuß[ische] Cour[ant] Agio à ½ Laubth[aler]. Nun kommen noch auf Deinen Antheil gerade 10 Carol[in] die Fromm[ann] in diesen Tagen ihr mitbringt[.]
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[1] Jena den 18ten Mai 1801
Geliebter Bruder,
Du mußt mich entschuldigen daß ich einige Zeit nicht geschrieben habe. Kaum hatte ich Dir die lezten Zeilen geschrieben, so reiste ich nach L[eipzig] um Dor[othea] zurückzuhohlen. Ich traf Tieck noch, war einige Tage sehr vergnügt mit ihm, besorgte alle Geschäfte; kaum waren wir zurück und zwei Tage mit häuslichen Geschäften und durch einen Besuch hingegangen so wurde Dor[othea] sehr ernstlich krank. Es ist zwar keine Gefahr dabei, aber außer den übrigen Unannehmlichkeiten ist der Zeitverlust für uns beide schmerzlich genug. Daher mußt Du denn auch heute nur mit wenigem zufrieden sein[.] Unter 5, 6 Tagen wird sie zwar schwerlich das Bette verlassen können, indessen hoffe ich doch mit nächstem schon die Abschriften und alles was ich heute werde [2] übergehn müssen nachholen zu können. Ich schränke mich daher auf das wichtigste ein, auf das was uns selbst betrifft. Ich freue mich sehr daß ich nach Deinen Briefen hoffen darf, Dich sobald hier zu sehn. Ich reise gewiß nicht vor Ende Junis hier weg, Du findest mich also noch – ich habe viel mit Dir zu reden, manches Dir mitzutheilen was in Briefen nicht ging und ich hoffe mit Zuversicht daß nichts Dich in der freundschaftlichen Offenheit und künstlerischen Mittheilung stören soll. Ich werde nichts nur von ferne berühren was unangenehm sein könnte, ja ich will gern alles thun was billig ist, für die äußerliche Versöhnung die Du wünschest. Doch darauf setze ich nicht viel Hoffnung, denn es ist ja nur zu klar, daß Kar[oline] das gar nicht will, sondern nichts andres als mich in Deinem Herzen [3] auslöschen, mir Deine Freundschaft rauben.
Du bist wahrlich nicht unbefangen frage Tieck frage wen Du sonst willst der das Vergangene weiß, und jeder wird es eingestehen, daß ich wirklich weit mehr that, als K[aroline] irgend von mir erwarten durfte, daß ich sie von freien Stücken freundschaftlich besuchte. Ich konnte nur aus Liebe zu Dir den natürlichen Stolz durch diesen Schritt auf einen Augenblick vergessen. Und weil ich Dir den schlechten Erfolg dieses Schritts vielleicht in zu herben Worten schrieb, konntest Du Deinen treuesten Freund mit einer Reihe unverdienter Vorwürfe überhäufen?
Und welche Dinge läßt Du Dir nicht glauben machen? – So zum Beispiel, ich hätte es vermieden, mit Kar[oline] allein zu sprechen! – Lieber Freund, daran ist nicht ein wahres Wort. Ich habe mich im Gegentheil höchlich gewundert, daß [4] Sie mir dazu keine Veranlassung gab, daß Sie jenen zuvorkommenden Schritt nicht einmal zum Schein mit irgend einer solchen oder ähnlichen Annäherung erwiederte. So daß wenn ich die Worte streng auf die Wage legen wollte, ich nicht einmal hätte sagen dürfen, sie sei höflich gegen mich gewesen. Ich bin immer noch bereit und bereit gewesen, so bald und so oft sie mich sprechen will. Wie seltsam ist es ferner, es übel zu nehmen, daß ich den Brief von ihr bis jezt noch nicht beantwortet habe[.] Du weißt es selbst wie ich diese Monate her von einem Geschäft in das andere, von einer Störung in die andere, von einer kleinen Reise zur andern fortgerissen bin, so daß oft kaum Zeit zu ein paar nothwendigen Zeilen an dich blieb. Jener Brief ist überdem das erste Zeichen des Lebens, was sie mir nach ¾ Jahren gab; daß sie sicher kommen würde, [5] wußte ich nur so kurze Zeit, ehe sie kam, daß es nun nicht mehr Zeit war. Auch erforderte jener Brief gar nicht eine so schnelle Antwort; er ist, wenn ich ihn aufs beste und weit besser bezeichnen will als er verdient, das lezte Wort an einen Freund, der es nun nicht mehr ist. – Hast Du geglaubt, es sei seine Absicht auch nur die Möglichkeit einer Näherung zu befördern, so bist Du ganz getäuscht. Auch gestehe ich Dir, würde mich die Beantwortung in dem Fall, wo ich eine Wiederannäherung für möglich hielt, sehr in Verlegenheit setzen; denn der Brief ist von so übler Beschaffenheit daß meine Antwort, wenn sie auch noch so schonend geschrieben wäre, schwerlich Kar[olinen] günstig zu dieser stimmen könnte.
Ich hatte schon eine Entschuldigung auf den Lippen, da ich das erstemal bei Kar[oline] war, aber ihr Betragen hielt mich zurück.
Ich habe mich geflissentlich bloß auf das lezte eingeschränkt. – Nun sage selbst, was ich mehr hätte thun können, oder auch was ich noch thun soll? [6] Gern will ich alles thun was Du verlangst, und den billigen Stolz vergessen.
Was Du mir schreibst, die Art und die Gesinnung, die haben mich innig gerührt, und alles hat mich mit Schmerz und Traurigkeit erfüllt. Ja ich glaube den ruhigen Beobachter schon muß die Vorstellung Deines Schicksals mit der tiefsten Rührung erschüttern. Wie sollte es mich ohne Thränen lassen, da wir in so vielem ähnlich und durch so manches verbunden sind was heilig und mehr werth ist.
Es ist die äußerste Zeit. Ich muß schließen. Ueber die Vorwürfe die Du mir im Ganzen machst, vertheidige ich mich jezt nicht. Wenn Deine festesten Entschlüsse Deine so oft wiederhohlten Versprechungen daß Kar[olinens] Künste uns nie trennen sollten, wenn alles was geschehen ist, und was wir zusammen sprachen, nicht ganz aus Deiner Erinnerung [7] verschwunden ist, so mußt Du ja selbst die Antwort auf alles finden können.
Alles übrige mit nächstem – Gedichte und Geschäfte. – Wegen der lezten nur so viel. Ich habe Kar[oline] von L[eipzig] mitgebracht 91 R[eichsthaler] in Golde den Car[olin] à 6 R[eichsthaler], 5 Preuß[ische] Cour[ant] Agio à ½ Laubth[aler]. Nun kommen noch auf Deinen Antheil gerade 10 Carol[in] die Fromm[ann] in diesen Tagen ihr mitbringt[.]
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