• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Frankfurt am Main · Place of Destination: Coppet · Date: 27.07.1816 bis 05.08.1816
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Frankfurt am Main
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 27.07.1816 bis 05.08.1816
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 29. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Vom Wiener Kongress zum Frankfurter Bundestag (10. September 1814 ‒ 31. Oktober 1818). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Jean-Jacques Anstett unter Mitarbeit von Ursula Behler. Paderborn 1980, S. 216‒219.
  • Incipit: „[1] Frankfurt, den 27ten July 1816.
    Geliebter Bruder!
    Ich würde Dir schon früher nach Florenz geschrieben <haben>, wenn ich nicht einmal fest überzeugt [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34288
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.d,Nr.200
  • Number of Pages: 8S. auf Doppelbl. u. 2 S., hs. m. U.
  • Format: 19,7 x 12,5 cm
    Language
  • German
[1] Frankfurt, den 27ten July 1816.
Geliebter Bruder!
Ich würde Dir schon früher nach Florenz geschrieben <haben>, wenn ich nicht einmal fest überzeugt gewesen wäre, Euern Aufenthalt jenseits der Alpen für sehr wandelbar und beweglich zu halten. Dein letzter Brief aus Coppet hat mich mit der größten Freude erfüllt, da er mir die Hoffnung <giebt>, daß wir wieder vereint, <oder> doch weniger getrennt leben könnten, als bisher. Wie glücklich würde ich nicht seyn, wenn ich etwas dazu beytragen könnte! Daß ich nun unablässig darauf sinnen werde, dahin zu wirken; das darf ich Dir nicht erst versichern. Doch zuerst von Nina; Du weißt, wie sehr wir es schon früher wünschten, daß Du sie möchtest kennen lernen. Es freut mich herzlich, Deinet- und auch Ihretwegen, daß Ihr Euch nun gefunden habt. Sie ist ein sehr ausgezeichnetes Mädchen, von vielen vortreflichen Eigenschaften; was nun eine dauernde Verbindung zwischen Euch betrift, so sollte ich denken, bey einem Mädchen [2] von so ausgezeichnetem und gebildetem Charakter, wäre nichts besser, als ihr selbst zu folgen und die Entscheidung nur ihrem Sinn zu überlaßen. Ein Mann irrt sich wohl in der Wahl, aus Leidenschaft oder vorübergehenden Eindrücken und Ideen. Wenn aber eine Frau <von Verstand und Gefühl> mit Besonnenheit sich entscheidet, so wird ihre Wahl gewiß immer die rechte seyn. – [Ver]anlaße doch, daß Nina uns einmal schreibt; zu meiner Frau schien sie immer sehr viel Zutrauen zu haben; gieb uns auch Nachricht von ihrer Gesundheit. Du hast nun eigentlich zwey Geliebten, die eine nach der Du zunächst strebst; die andre, der Du etwas untreu geworden <bist>, Dich aber jetzt ihr wieder näherst – weil sie Dich zu jener führen soll. Ich meyne unser aller gemeinsame Mutter und Meisterin, Germania; der ich jetzt nun doppelt verbunden und verfehmt bin. Was Du, lieber Bruder, von der Stumpfheit unsrer Herrschenden und Lenkenden gegen Geistesadel und Verdienste im Allgemeinen sagst, das ist sehr wahr. [3] Was aber Dich insbesondere betrift, so war man eigentlich allgemein überzeugt, Du wolltest gar nicht nach Deutschland zurückkehren. Sobald Du nur einmal diesen Willen zu erkennen giebst, zweifle ich gar nicht daran, daß alles sehr bald nach Wunsch gehen wird. Mit Hannover anzuknüpfen, das hätte in England geschehen müssen, als Du selbst da warst; und daß es versäumt worden <ist>, hat mir oft leid genug gethan. Münster ist ein unglaublich schwerfälliger und ungeschickter Patron. Uebrigens glaube ich doch, daß Du Dich in Deiner Vermuthung wegen des Katholizismus, als dem Grunde, daß man dort nichts für Dich thun wolle, durchaus irrst. Das müßte ja denn auch auf die andern Brüder in Hannover und Harburg erstreckt werden. Unsre guten Landsleute sind in manchen andern Stücken stockicht und vernagelt genug; aber grade über diesen Punkt höre ich sie im Gegentheil <eher> loben, als daß man ihnen etwas so ganz Unvernünftiges zutrauen könnte. Die Gemeinheiten dieser Art dürfen überhaupt jetzt in Deutschland fast nirgends mehr laut werden, und bald wird man gar [4] nichts mehr <davon> wissen und hören. –

Den 5ten August.
So sehr ich auch beynah selbst die Hoffnung aufgegeben hatte, daß Du nach Deutschland würdest zurückkehren wollen; so hatte ich doch schon seit langer Zeit einen Plan im Stillen für Dich gebildet. Du weißt, es ist schon oft die Rede gewesen von einer Deutschen Akademie der Wissenschaften für Österreich; jetzt wenn Friede bleibt, wird es doch wohl dazu kommen; ich habe einen Plan im Sinne, den ich Metternich sobald der schickliche Augenblick gekommen ist, vortragen will, da er doch unstreitig Protector davon wird und auch werden muß. Vieles bey dieser Akademie müßte nach meinen Wünschen und Ideen ganz anders eingerichtet werden, als bey andern Akademieen. Daß Du, mehr wie jeder andre Deutsche berühmte Schriftsteller, zu der Stelle eines GeneralSecretärs an einer solchen Akademie geeignet bist, ist so einleuchtend <und anerkannt>, daß sogar ich dieß gradezu sagen darf, ohne die Furcht eines indiscreten brüderlichen [5] Eifers beschuldigt zu werden. <Eine solche Stelle würde Dir in Wien gewiß eine sehr angenehme Existenz geben und uns wieder vereinigen.> – Dein Gedanke zu einem „Entwurfe einer gelehrten Gesellschaft für Deutsche Geschicht- und Sprachforschung“ – „einer Akademie, die nicht den einzelnen Staaten, sondern dem ganzen Bunde angehörte“ – ist ganz vortreflich; denn wenn es mir freylich noch zweifelhaft ist, in wie fern etwas solches durch den Bund ausführbar ist, so wird es doch dienen, die größeren Staaten und nahment[lich] Oesterreich aufmerksam auf das zu machen, was sie im Nahmen und im Geiste des Bundes thun <sollten und könnten>, vor allem aber wird es dienen, Dich selbst in dieser Angelegenheit als den Schriftsteller hinzustellen, der vor allen andern berufen ist und dazu beytragen kann, das zur Wirklichkeit zu bringen, was schon recht viele Staatsmänner als wünschenswerth und nothwendig einsehen und es immer mehr einsehen werden. – Vollende d. h. schreibe diesen Entwurf nur so bald als möglich, wenn es <auch> nicht gleich ein Werk-opus perfectum – sondern nur ein Entwurf ist; aber doch zum Druck eingerichtet, denn [6] ohnedas richtet man heut zu Tage nichts aus, vollends beym Bundestage nicht, und in allen solchen Dingen, wo die öffentl.[iche] Meynung zunächst entscheidet. – Uebrigens steht mir die Nothwendigkeit einer solchen allgemeinen Deutschen Akademie sehr lebhaft vor Augen, um so mehr, da es sich in mehreren <Deutschen Staaten> zu einem höchst verderblichen Particularismus in der Litteratur und Geschichte anläßt; wir bekommen am Ende wirklich eine eigne bairische, würtembergische etc. Litteratur, Geschichtsbehandlung und Sprechart etc. statt der allgemeinen Deutschen. Das Uebel ist schon jetzt sehr groß und dabey treiben es auch in der Sprache die Neuerer und Reindeutschen ziemlich wüst und wild; es zersplittert und vereinzelt sich alles und fehlt am zusammenhaltenden Urtheil. Ich wünschte, Du schriebest baldmöglichst einen solchen Entwurf einer wahren, allgemeindeutschen Akademie – und schicktest ihn mir dann, um ihn hier so zu gebrauchen und auf die Art ins Publikum zu [7] bringen, wie es mir am zweckmäßigsten und wirksamsten scheint.
Noch habe ich eine andre Bitte an Dich. Möchtest Du nicht alle oder doch eine Zahl der vornehmsten echt christlichen und geistig mystischen Lieder und kleineren Gedichte aus der Sammlung der Minnelieder und andrer des Mittelalters – grade ebenso behandeln wie Du einmal mit den geschichtlichen von Kaiser Rudolf <für das Deutsche Museum> einen so schönen Anfang gemacht hast? – Es ist für ein Unternehmen bestimmt, welches mir sehr am Herzen liegt, und zu dem ich Deine Theilnahme sehr wünschte. Nächstens mehr darüber; gefällt Dir indeß mein Vorschlag, so laß ihn Dir eine Veranlaßung seyn, daß Du uns einmal wieder etwas Altdeutsches giebst, wonach wir uns alle herzlich sehnen, und gehe bald an die Ausführung. Ueber alles Litterarische werde ich übrigens ein andresmal besonders schreiben; ich nehme indessen an allem, was von Dir <kömmt>, den innigsten Antheil und freue mich von Herzen darüber [8] wenn ich auch nicht gleich schreiben kann. Heute nur noch etwas weniges, mehr Geschichtliches über Augustens Heirath und über Buttlar; denn ich sehe, meine Frau hat sich nur an den TotalEindruck gehalten, der eigentl[ich] nicht sehr günstig ist. Die sämmtlichen Briefe von Charlotten darüber, die sie mir aufgetragen hat, Dir mitzutheilen, schicke ich Dir heute noch nicht mit; sie werden ein starkes Packet machen, ich will in jedem Fall die wesentlichsten aussuchen, vielleicht findet sich auch eine Gelegenheit. Für jetzt nur so viel: der Freiherr v. Buttlar, gebürtig aus einem der kleinern sächs[ischen] Herzogthümer war schon länger in Preuß.[ischen] Diensten, nahm 1812 seinen Abschied, trat 1813 in russische Dienste, wo er jetzt als Oberster den Abschied erhalten hat. Nach einer nicht sehr langen Bekanntschaft und heftigen Leidenschaft heirathete er Auguste am 21ten Januar d. J. Er hatte vorgegeben, Vermögen zu haben, und hatte den Wunsch in eine diplomatische Carriere zu kommen, Vermögen hat er nicht – und also ist es auch mit dieser Carriere nicht wohl ausführbar; indessen waren es die Eltern auch so zufrieden, daß er den Abschied von Rußland nähme. Während er zu diesem Behuf nach Warschau ging aber nur bis Glogau kam, reiste Auguste zu uns und ist seit 14ten May hier wohl und gesund. Für Buttlar suchen wir nun eine Stelle in andern [9] Deutschen Militär-Diensten, wozu ich mir hier alle mögliche Mühe geben will. In Preußen scheint es nicht zu gehen, theils weil man reducirt, theils scheint er sich auch durch den Abschied von 1812 dort die Verhältnisse etwas verdorben zu haben. Charlotte hat sich die Sache ganz außerordentlich zu Herzen gezogen und mir mehreremal ganz verzweiflungsvoll geschrieben. Nicht zu entschuldigen ist von Buttlar, daß er Vermögen vorgegeben, was er nicht hatte. Auch scheint er etwas unbeholfen zu seyn, um sich weiter zu bringen; nicht anstellig genug, doch nach allem was ich höre, muß er mit vieler Auszeichnung gedient haben, Orden hat er auch genugsam. Ich denke also doch, es wird wohl gehen und sich noch <wieder> ins Gleiche bringen lassen. Wir müssen nun dafür thun, was irgend möglich ist. Auguste hat sich übrigens geistig und körperlich recht glücklich entwikkelt und hat bey der ganzen Sache einen sehr festen und entschiedenen Charakter gezeigt. Ihr [10] kann man übrigens gar keinen Vorwurf machen. Erst nachdem das Zureden der Eltern selbst, sich mit der stürmenden Leidenschaft des Mannes vereinigte, hat sie eingestimmt, aber nun hält sie auch fest an ihm. –
Nächstens mehr, schreibe mir bald wieder lieber Bruder; wir sind ja jetzt viel näher beysammen. Ich will das mögliche thun, daß Du nicht über mich zu klagen hast. Schon fangen die Arbeiten an, sich ziemlich schwer über mich anzuthürmen.
Dein treuer Bruder
Friedrich.
[1] Frankfurt, den 27ten July 1816.
Geliebter Bruder!
Ich würde Dir schon früher nach Florenz geschrieben <haben>, wenn ich nicht einmal fest überzeugt gewesen wäre, Euern Aufenthalt jenseits der Alpen für sehr wandelbar und beweglich zu halten. Dein letzter Brief aus Coppet hat mich mit der größten Freude erfüllt, da er mir die Hoffnung <giebt>, daß wir wieder vereint, <oder> doch weniger getrennt leben könnten, als bisher. Wie glücklich würde ich nicht seyn, wenn ich etwas dazu beytragen könnte! Daß ich nun unablässig darauf sinnen werde, dahin zu wirken; das darf ich Dir nicht erst versichern. Doch zuerst von Nina; Du weißt, wie sehr wir es schon früher wünschten, daß Du sie möchtest kennen lernen. Es freut mich herzlich, Deinet- und auch Ihretwegen, daß Ihr Euch nun gefunden habt. Sie ist ein sehr ausgezeichnetes Mädchen, von vielen vortreflichen Eigenschaften; was nun eine dauernde Verbindung zwischen Euch betrift, so sollte ich denken, bey einem Mädchen [2] von so ausgezeichnetem und gebildetem Charakter, wäre nichts besser, als ihr selbst zu folgen und die Entscheidung nur ihrem Sinn zu überlaßen. Ein Mann irrt sich wohl in der Wahl, aus Leidenschaft oder vorübergehenden Eindrücken und Ideen. Wenn aber eine Frau <von Verstand und Gefühl> mit Besonnenheit sich entscheidet, so wird ihre Wahl gewiß immer die rechte seyn. – [Ver]anlaße doch, daß Nina uns einmal schreibt; zu meiner Frau schien sie immer sehr viel Zutrauen zu haben; gieb uns auch Nachricht von ihrer Gesundheit. Du hast nun eigentlich zwey Geliebten, die eine nach der Du zunächst strebst; die andre, der Du etwas untreu geworden <bist>, Dich aber jetzt ihr wieder näherst – weil sie Dich zu jener führen soll. Ich meyne unser aller gemeinsame Mutter und Meisterin, Germania; der ich jetzt nun doppelt verbunden und verfehmt bin. Was Du, lieber Bruder, von der Stumpfheit unsrer Herrschenden und Lenkenden gegen Geistesadel und Verdienste im Allgemeinen sagst, das ist sehr wahr. [3] Was aber Dich insbesondere betrift, so war man eigentlich allgemein überzeugt, Du wolltest gar nicht nach Deutschland zurückkehren. Sobald Du nur einmal diesen Willen zu erkennen giebst, zweifle ich gar nicht daran, daß alles sehr bald nach Wunsch gehen wird. Mit Hannover anzuknüpfen, das hätte in England geschehen müssen, als Du selbst da warst; und daß es versäumt worden <ist>, hat mir oft leid genug gethan. Münster ist ein unglaublich schwerfälliger und ungeschickter Patron. Uebrigens glaube ich doch, daß Du Dich in Deiner Vermuthung wegen des Katholizismus, als dem Grunde, daß man dort nichts für Dich thun wolle, durchaus irrst. Das müßte ja denn auch auf die andern Brüder in Hannover und Harburg erstreckt werden. Unsre guten Landsleute sind in manchen andern Stücken stockicht und vernagelt genug; aber grade über diesen Punkt höre ich sie im Gegentheil <eher> loben, als daß man ihnen etwas so ganz Unvernünftiges zutrauen könnte. Die Gemeinheiten dieser Art dürfen überhaupt jetzt in Deutschland fast nirgends mehr laut werden, und bald wird man gar [4] nichts mehr <davon> wissen und hören. –

Den 5ten August.
So sehr ich auch beynah selbst die Hoffnung aufgegeben hatte, daß Du nach Deutschland würdest zurückkehren wollen; so hatte ich doch schon seit langer Zeit einen Plan im Stillen für Dich gebildet. Du weißt, es ist schon oft die Rede gewesen von einer Deutschen Akademie der Wissenschaften für Österreich; jetzt wenn Friede bleibt, wird es doch wohl dazu kommen; ich habe einen Plan im Sinne, den ich Metternich sobald der schickliche Augenblick gekommen ist, vortragen will, da er doch unstreitig Protector davon wird und auch werden muß. Vieles bey dieser Akademie müßte nach meinen Wünschen und Ideen ganz anders eingerichtet werden, als bey andern Akademieen. Daß Du, mehr wie jeder andre Deutsche berühmte Schriftsteller, zu der Stelle eines GeneralSecretärs an einer solchen Akademie geeignet bist, ist so einleuchtend <und anerkannt>, daß sogar ich dieß gradezu sagen darf, ohne die Furcht eines indiscreten brüderlichen [5] Eifers beschuldigt zu werden. <Eine solche Stelle würde Dir in Wien gewiß eine sehr angenehme Existenz geben und uns wieder vereinigen.> – Dein Gedanke zu einem „Entwurfe einer gelehrten Gesellschaft für Deutsche Geschicht- und Sprachforschung“ – „einer Akademie, die nicht den einzelnen Staaten, sondern dem ganzen Bunde angehörte“ – ist ganz vortreflich; denn wenn es mir freylich noch zweifelhaft ist, in wie fern etwas solches durch den Bund ausführbar ist, so wird es doch dienen, die größeren Staaten und nahment[lich] Oesterreich aufmerksam auf das zu machen, was sie im Nahmen und im Geiste des Bundes thun <sollten und könnten>, vor allem aber wird es dienen, Dich selbst in dieser Angelegenheit als den Schriftsteller hinzustellen, der vor allen andern berufen ist und dazu beytragen kann, das zur Wirklichkeit zu bringen, was schon recht viele Staatsmänner als wünschenswerth und nothwendig einsehen und es immer mehr einsehen werden. – Vollende d. h. schreibe diesen Entwurf nur so bald als möglich, wenn es <auch> nicht gleich ein Werk-opus perfectum – sondern nur ein Entwurf ist; aber doch zum Druck eingerichtet, denn [6] ohnedas richtet man heut zu Tage nichts aus, vollends beym Bundestage nicht, und in allen solchen Dingen, wo die öffentl.[iche] Meynung zunächst entscheidet. – Uebrigens steht mir die Nothwendigkeit einer solchen allgemeinen Deutschen Akademie sehr lebhaft vor Augen, um so mehr, da es sich in mehreren <Deutschen Staaten> zu einem höchst verderblichen Particularismus in der Litteratur und Geschichte anläßt; wir bekommen am Ende wirklich eine eigne bairische, würtembergische etc. Litteratur, Geschichtsbehandlung und Sprechart etc. statt der allgemeinen Deutschen. Das Uebel ist schon jetzt sehr groß und dabey treiben es auch in der Sprache die Neuerer und Reindeutschen ziemlich wüst und wild; es zersplittert und vereinzelt sich alles und fehlt am zusammenhaltenden Urtheil. Ich wünschte, Du schriebest baldmöglichst einen solchen Entwurf einer wahren, allgemeindeutschen Akademie – und schicktest ihn mir dann, um ihn hier so zu gebrauchen und auf die Art ins Publikum zu [7] bringen, wie es mir am zweckmäßigsten und wirksamsten scheint.
Noch habe ich eine andre Bitte an Dich. Möchtest Du nicht alle oder doch eine Zahl der vornehmsten echt christlichen und geistig mystischen Lieder und kleineren Gedichte aus der Sammlung der Minnelieder und andrer des Mittelalters – grade ebenso behandeln wie Du einmal mit den geschichtlichen von Kaiser Rudolf <für das Deutsche Museum> einen so schönen Anfang gemacht hast? – Es ist für ein Unternehmen bestimmt, welches mir sehr am Herzen liegt, und zu dem ich Deine Theilnahme sehr wünschte. Nächstens mehr darüber; gefällt Dir indeß mein Vorschlag, so laß ihn Dir eine Veranlaßung seyn, daß Du uns einmal wieder etwas Altdeutsches giebst, wonach wir uns alle herzlich sehnen, und gehe bald an die Ausführung. Ueber alles Litterarische werde ich übrigens ein andresmal besonders schreiben; ich nehme indessen an allem, was von Dir <kömmt>, den innigsten Antheil und freue mich von Herzen darüber [8] wenn ich auch nicht gleich schreiben kann. Heute nur noch etwas weniges, mehr Geschichtliches über Augustens Heirath und über Buttlar; denn ich sehe, meine Frau hat sich nur an den TotalEindruck gehalten, der eigentl[ich] nicht sehr günstig ist. Die sämmtlichen Briefe von Charlotten darüber, die sie mir aufgetragen hat, Dir mitzutheilen, schicke ich Dir heute noch nicht mit; sie werden ein starkes Packet machen, ich will in jedem Fall die wesentlichsten aussuchen, vielleicht findet sich auch eine Gelegenheit. Für jetzt nur so viel: der Freiherr v. Buttlar, gebürtig aus einem der kleinern sächs[ischen] Herzogthümer war schon länger in Preuß.[ischen] Diensten, nahm 1812 seinen Abschied, trat 1813 in russische Dienste, wo er jetzt als Oberster den Abschied erhalten hat. Nach einer nicht sehr langen Bekanntschaft und heftigen Leidenschaft heirathete er Auguste am 21ten Januar d. J. Er hatte vorgegeben, Vermögen zu haben, und hatte den Wunsch in eine diplomatische Carriere zu kommen, Vermögen hat er nicht – und also ist es auch mit dieser Carriere nicht wohl ausführbar; indessen waren es die Eltern auch so zufrieden, daß er den Abschied von Rußland nähme. Während er zu diesem Behuf nach Warschau ging aber nur bis Glogau kam, reiste Auguste zu uns und ist seit 14ten May hier wohl und gesund. Für Buttlar suchen wir nun eine Stelle in andern [9] Deutschen Militär-Diensten, wozu ich mir hier alle mögliche Mühe geben will. In Preußen scheint es nicht zu gehen, theils weil man reducirt, theils scheint er sich auch durch den Abschied von 1812 dort die Verhältnisse etwas verdorben zu haben. Charlotte hat sich die Sache ganz außerordentlich zu Herzen gezogen und mir mehreremal ganz verzweiflungsvoll geschrieben. Nicht zu entschuldigen ist von Buttlar, daß er Vermögen vorgegeben, was er nicht hatte. Auch scheint er etwas unbeholfen zu seyn, um sich weiter zu bringen; nicht anstellig genug, doch nach allem was ich höre, muß er mit vieler Auszeichnung gedient haben, Orden hat er auch genugsam. Ich denke also doch, es wird wohl gehen und sich noch <wieder> ins Gleiche bringen lassen. Wir müssen nun dafür thun, was irgend möglich ist. Auguste hat sich übrigens geistig und körperlich recht glücklich entwikkelt und hat bey der ganzen Sache einen sehr festen und entschiedenen Charakter gezeigt. Ihr [10] kann man übrigens gar keinen Vorwurf machen. Erst nachdem das Zureden der Eltern selbst, sich mit der stürmenden Leidenschaft des Mannes vereinigte, hat sie eingestimmt, aber nun hält sie auch fest an ihm. –
Nächstens mehr, schreibe mir bald wieder lieber Bruder; wir sind ja jetzt viel näher beysammen. Ich will das mögliche thun, daß Du nicht über mich zu klagen hast. Schon fangen die Arbeiten an, sich ziemlich schwer über mich anzuthürmen.
Dein treuer Bruder
Friedrich.
×
×