• August Wilhelm von Schlegel to Ludwig Ferdinand Huber

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Unknown · Date: 28.12.1799
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Ludwig Ferdinand Huber
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 28.12.1799
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 35357001X-18610000
  • Bibliography: Schlegel, August Wilhelm: Ein Brief A. W. Schlegel’s an Huber. Hg. v. Rudolf Haym. In: Preußische Jahrbücher 8 (1861), S. 231‒235.
  • Incipit: „Den 28. Dec. 99.
    Caroline hat ihren zweyten Brief an Sie, nebst dem Zettel womit Sie ihn begleiten, richtig zurück erhalten. Da [...]“
    Language
  • German
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Den 28. Dec. 99.
Caroline hat ihren zweyten Brief an Sie, nebst dem Zettel womit Sie ihn begleiten, richtig zurück erhalten. Da sie gar kein Bedenken hat ihn in Ihren Händen zu wissen, und ihn Ihnen vielmehr zu jedem schicklichen Gebrauch anvertraut hatte, so war sie bereit, ihn nach Ihrem Verlangen auf diesen Fall sogleich wieder an Sie abgehn zu lassen. Ich sehe aber nicht ein, was dabey heraus kommt, diesen Brief zwischen Jena und Stuttgart Post reiten zu lassen, und habe ihn deswegen zurückbehalten. Er ist immer zu Ihrem Befehl, sobald Sie ihn ausdrücklich fodern.
Ueber seinen Inhalt kann ich nichts sagen, als daß alles was die äußern Verhältnisse des Athenäums betrifft, seine vollkommene Richtigkeit hat. Die Lebhaftigkeit des Vortrags muß Ihnen selbst wohl sehr natürlich vorgekommen seyn. Ich könnte leicht in der von C. angefangenen Demonstrazion fortfahren: aber wozu? Wenn jemand die Billigkeit bis zur Pedanterey hat öffentlich handhaben wollen, und man beweist ihm, daß er selbst die einleuchtendsten Gesetze der Billigkeit aus der Acht gelassen hat; wenn er einem vermeynten Fakzionsgeiste hat steuern wollen, und man macht ihm klar, daß er einer erbärmlichen Kabale in die Hände gearbeitet: das muß gewiß sehr verdrießlich seyn. Sie haben, wie ich gern auf Ihre Versicherung glaube, bey der Beurtheilung des Ath. die besten Absichten gehabt. Ich möchte Sie also lieber bitten, sich diesen Vorfall nicht zu sehr anzuziehen, und kann dieß nicht kräftiger unterstützen, als wenn ich Ihnen nach gründlicher Ueberlegung versichre, daß uns die Recension wesentlich gar nicht schaden kann. Es ist wahr, unsre Gegner bilden sich für jetzt ein, daß es völlig mit uns aus ist, daß man nie wieder von uns hören wird, und daß sie keine Störung mehr von uns in ihren respektiven Gewerben zu befürchten haben. Wir müssen sie auch eine Weile in diesem Glauben lassen, denn wir haben mehr zu thun, und können die Jagd auf Lumpenhunde nur sehr im Vorbeygehn treiben. Allein was thutʼs? Sie werden zu seiner Zeit schon das Gegentheil erfahren. Dann hat die A. L. Z. ein großes Ansehn beym Haufen, und wenn sie sich einmal ein dreistes Wort über vornehme Schriftsteller, wie man uns doch gewissermaßen zu seyn zugesteht, herausnimmt, so macht es viel Eindruck. Hier, wo sie nur Vorsängerin der gemeinen Denkart ist, muß dieß doppelt der Fall seyn. Die ehrlichen Deutschen Leser Ihrer Recension finden ihren eingewurzelten Abscheu vor dem Witze, ihre beständige Beimischung der Moralität in das litterarische Gebiet (während man sie im handelnden Leben mit Oekonomie ziemlich in die Enge treibt), ihre Ansicht der Kritik nach Grundsätzen der geselligen Höflichkeit wieder. Man fragt gleich, wenn man ein strenges Urtheil über eine Schrift liest: muß der Mann nicht davon leben? hat er Frau und Kinder? welchʼ ein Gesicht wird er machen, wenn er zu Tisch kömmt? Sie selbst ersuchen mich ja in Ihrem Briefe verbindlichst, Wielandʼs Werke doch vortrefflich zu finden, weil er sichʼs sauer hat damit werden lassen, und nunmehr ein alter Mann ist. ‒ Da diesem nach Kritik und böses Herz für Synonyme gelten, und ein großer Theil des Ath. aus wirklicher Kritik besteht, so ist die Rez. einer sehr allgemeinen Beystimmung gewiß. Allein diese Gesinnungen haben nicht darauf gewartet, sie ist vielmehr nur Eine Stimme in dem großen Choral des Zeters und Wehes über uns. Wir müßten die Welt wenig kennen, wenn uns dieß unerwartet käme: wir haben aufʼs Bestimmteste vorausgesehn, welchen Sturm wir erregten. Der Umfang und die Heftigkeit der Opposizion beweist uns eben, daß wir unsern Zweck erreicht haben. Wir konnten nichts befürchten, als unter dem Wust gleichgültiger Schriften unbemerkt zu bleiben. Aber man haßt uns ‒ gut! ‒ man schimpft auf uns ‒ desto besser! ‒ man schlägt Kreuze vor uns wie vor Lästerern, Jakobinern, Sittenverderbern ‒ Gott sey gepriesen! das gelingt über alle Erwartung. Diese Kontorsionen, in denen sichʼs zwischendurch denn doch verräth, daß man sich leider vor uns fürchtet, unterhalten uns zwischen ernsteren Arbeiten. So benimmt sich ein goldenes Zeitalter, sagen wir uns, dem sein Untergang angekündigt wird, und geben genau Acht, weil wir keine Hoffnung haben, dieß Schauspiel noch einmal zu erleben. Sie haben vermuthlich meine Erklärung über die A. L. Z. und das feige, hinterlistige Gewäsch der Redaktoren dagegen gelesen, und werden also überzeugt seyn, daß sie jetzt eine günstige Recension des Ath. gar nicht hätten abdrucken lassen, sowie sie vorher nicht das Herz gehabt hätten, die Ihrige wie sie ist aufzunehmen. Dieß muß also noch mehr zu Ihrer Beruhigung dienen, daß ich mir den Abdruck der Rec. durch meinen Bruch mit den Redaktoren selbst zugezogen habe. Ohne diesen Vorfall hätte die A. L. Z. unstreitig über das Athenäum ganz geschwiegen. Im Bewußtseyn ihrer inneren Nullität hat sie eine tödliche Antipathie gegen alles, was freyen Geist athmet. Sie konnte uns nie anerkennen wollen, wenn sie es gleich gerathen fand, unsre Dienste bestmöglichst zu benutzen. Sie haben Recht, es ist ein lumpiges Institut, ich kann ihr gar nicht mehr die Ehre gönnen, gehörig über uns zu sprechen. Sie mag nun so hinter dem Zeitalter dreinhinken, und wer Lust daran findet, auf einer lahmen Ziege zu reiten, sey Mitarbeiter.
Was endlich solche Leser der Recension und ‒ wohl gemerkt! des Athenäums (denn sehr viele erheben ein Zetergeschrei gegen uns, die dieses Buch nie gesehn haben) betrifft, an deren Urtheil uns etwas gelegen seyn kann, so werden diese leicht einsehn, daß die Rec. gar nicht davon handelt.
Dieser letzte Punkt führt mich sogleich auf etwas, worüber ich Ihnen meine Entschuldigung zu machen habe. Wir können Sie nemlich nicht als unsren Gegner anerkennen, und werden nichts auf Ihre Rec. erwiedern. Sie sehen leicht, welche Anforderungen in dieser Art an uns gemacht werden würden, wenn wir uns einmal einließen. Keine Antithese ohne These: wo Antikritik stattfinden soll, muß vorher Kritik vorhergegangen seyn. Das Athenäum enthält theils Werke, über die Sie so gut wie nichts gesagt haben, und die sich ohnehin durch sich selber bewähren müssen; theils philosophische Sätze, die Sie als völlig unverständlich verwerfen, d. h. bekennen nicht zu verstehn; theils Kritiken, die Sie gar nicht von der kritischen, sondern von der Moralischen Seite angreifen. Hiegegen haben wir nichts einzuwenden, da wir nun einmal wo von Wissenschaft und Kunst die Rede ist nicht mit guten Herzen aufwarten können. Zu widerlegen ist also nichts, und unser Humor steht eben nicht darnach, Klagen zu den von uns prophezeihten Annalen der leidenden Schriftstellerey beizutragen, zu welchen vielmehr die Rec. selbst recht gut als Einleitung dienen könnte.
Noch einiges über die besondern Eröffnungen in Ihrem Brief an mich. Sie sprechen von einem Schutz- und Trutzbündniß zu gegenseitigem Lob. Zeigen Sie uns doch nur eine einzige Stelle in den Schriften unsrer Freunde, die wie ein bestelltes Lob aussähe? Wir loben unsre Freunde, natürlich, sie wären es gar nicht geworden, wenn sie uns nicht lobenswerth erschienen wären. Ich habe von Tieck eben so geurtheilt wie jetzt, da ich noch nichts von ihm wußte, da noch niemand auf ihn achtete, und er hat es freylich glänzend gerechtfertigt. Lesen Sie nur die Rec. des Blaubart und gestiefelten Katers, in der A. L. Z. Die Poesie hat erst die Freundschaft zwischen uns gestiftet, so wie die Philosophie zwischen meinem Bruder und dem Vrf. der Reden über die Religion. ‒ Daß unsre Freunde Verstand haben, ist also leider nicht zu läugnen. Daß wir aber niemanden außer ihnen wollten Verstand haben lassen ist so wenig begründet, daß wir uns vielmehr eifrig um Freundschaft bemühn werden, wo wir eine Spur von dergleichen gewahr werden. Es thut uns leid genug, daß die Fakzion der ächten Kunst und Wissenschaft so wenig zahlreich ist. Unsre geheimen Ränke bestehn darin, freymüthig zu urtheilen und an andre und uns selbst die höchsten Foderungen zu machen, niemals an das Interesse unsrer eignen Personen zu denken, sondern blos auf die Sache zu gehn. ‒ Unsre Art von den ersten Schriftstellern der Nation zu reden kann eben so wenig eigennütziger Zwecke verdächtig seyn, da diese Männer die uns hochachten keine Veranlassung haben öffentlich für uns zu sprechen, und wenn sie es auch thäten, dieß nach der Gemeinheit der herrschenden Gesinnungen jetzt doch nur für erwiedernde Partheilichkeit gehalten werden würde. ‒ Ich möchte es doch sehen, wie es einer anfangen wollte vom Fortgange der Poesie und Philosophie, oder eigentlich von ihrer Wiedergeburt zu sprechen, ohne dabei immer auf Göthe und Fichte zurückzukommen. ‒ Sie ermahnen mich schließlich von dem verkehrten Wesen abzulassen, und umzukehren. Das heißt ich soll die Resultate langer Studien und Anstrengungen mit einemmal wegschaffen, die auswendige Seite meines Geistes wie eines Handschuhes hineinkehren, und auf diese Art einen neuen Adam anziehen. Sie versichern, ich könne zurück. Freylich man hat in diesen Zeiten schreckende und erstaunenswürdige Beyspiele erlebt, wie gar leicht das Stillstehn, und Zurückkommen ist, allein Sie bedenken nicht, daß für jemand, der die höchsten Ziele der Wissenschaft und Kunst vor Augen hat, und mit allen Kräften des Geistes sich darauf hinrichtet, ein solches avancement retrograde ärger ist als der Tod. Ist mein Zurückgehen die einzige Bedingung unsers Zusammenkommens, so muß ich der Hoffnung darauf gänzlich entsagen. Uebrigens sehe ich nicht ein, wie ein Urtheil von Ihnen, welches unter den unzähligen, die über uns gefällt werden, gar nicht bedeutend vorkommen kann, allem Verkehr ein Ende machen und mündliches und schriftliches Zusammentreffen für die Zukunft verhindern sollte, und das pathetische „vielleicht zum letztenmal,“ als ob man sich erst beym jüngsten Gericht wieder sprechen werde, ist mir, ich muß es gestehn, sowohl in Ihrem als in Carolinens Briefe ein wenig drollig vorgekommen. Es ist wahr, bey dieser Gelegenheit ist es mir klar geworden, daß Sie von dem, worauf es uns bey unsren Bestrebungen ankömmt, auch nicht die entfernteste Ahndung haben; allein man geht ja in diesem Leben mit so manchen Menschen um, und man soll es auch, für die unsre eigentlichen Gedanken so unverständlich sind wie hebräisch, also mag auch unser Umgang in dieser Art mit in den Kauf gehn. Zur Freundschaft, die Sie vorschlagen, wollen wir die näheren Veranlassungen in Ruhe abwarten; allein vor jedem Schatten von Feindschaft von meiner Seite können Sie ganz unbekümmert seyn. Recensiren Sie ruhig fort, wie es Ihnen Ihr Gang und Ihre Besorgniß für das Heil der Litteratur eingiebt. Die Recension der Lucinde ist immer noch nicht erschienen, diese Unterhaltung steht uns noch bevor, wiewohl es für uns eigentlich schon ein alter Spaß ist, daß diese Lucinde der kleine Husar der Notizen und Fragmente seyn muß. Recensiren Sie, würde ich Ihnen zuerst vorschlagen, den hyperboräischen Esel, Sie prostituiren zuvörderst die A. L. Z. dadurch, daß von einer solchen Charteke überhaupt Notiz darin genommen wird; alsdann haben Sie Gelegenheit unsre Lächerlichkeit als eine schon ausgemachte Sache in Erinnerung zu bringen. Hierauf rügen Sie glimpflich den freylich nicht abzuläugnenden Bankerott des Witzes, und berühren am Ende ganz leise (weil Sie sich doch nicht zum zweytenmal in den Fall einer förmlichen Retractation und Ehrenerklärung gegen Herrn v. Kotzebue setzen können) das was Sie in dem Briefe an mich für höchst schändlich erklärt haben, das Aufbieten der Regierung gegen uns; doch dies letzte könnte Ihnen ganz erlassen werden, es ist ja die schmählichste Beleidigung der Regierungen, zu glauben, daß Insinuationen von derley Lumpenhunden etwas gelten könnten. Wir haben uns übrigens in diesem Punkt auf den Fuß der möglichsten Unabhängigkeit gesetzt. Wir sind an keine besondre Regierung gebunden, fürʼs erste sizen wir hier noch in bester Ruh und Gemächlichkeit; und es wird uns in Deutschland nie an guten Zufluchtsörtern fehlen.
So würde ich Ihnen also unmaßgeblich rathen, es mit dem hyperboräischen Esel zu machen. ‒ Aber wenn Sie sich nicht dazu gehalten haben, so kömmt dies zu spät, denn heute stand schon grade eine solche Recension davon in der A. L. Z. Hiermit empfehle ich mich Ihnen, und vielleicht nicht zum letztenmahl!
A. W. Schlegel.
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Den 28. Dec. 99.
Caroline hat ihren zweyten Brief an Sie, nebst dem Zettel womit Sie ihn begleiten, richtig zurück erhalten. Da sie gar kein Bedenken hat ihn in Ihren Händen zu wissen, und ihn Ihnen vielmehr zu jedem schicklichen Gebrauch anvertraut hatte, so war sie bereit, ihn nach Ihrem Verlangen auf diesen Fall sogleich wieder an Sie abgehn zu lassen. Ich sehe aber nicht ein, was dabey heraus kommt, diesen Brief zwischen Jena und Stuttgart Post reiten zu lassen, und habe ihn deswegen zurückbehalten. Er ist immer zu Ihrem Befehl, sobald Sie ihn ausdrücklich fodern.
Ueber seinen Inhalt kann ich nichts sagen, als daß alles was die äußern Verhältnisse des Athenäums betrifft, seine vollkommene Richtigkeit hat. Die Lebhaftigkeit des Vortrags muß Ihnen selbst wohl sehr natürlich vorgekommen seyn. Ich könnte leicht in der von C. angefangenen Demonstrazion fortfahren: aber wozu? Wenn jemand die Billigkeit bis zur Pedanterey hat öffentlich handhaben wollen, und man beweist ihm, daß er selbst die einleuchtendsten Gesetze der Billigkeit aus der Acht gelassen hat; wenn er einem vermeynten Fakzionsgeiste hat steuern wollen, und man macht ihm klar, daß er einer erbärmlichen Kabale in die Hände gearbeitet: das muß gewiß sehr verdrießlich seyn. Sie haben, wie ich gern auf Ihre Versicherung glaube, bey der Beurtheilung des Ath. die besten Absichten gehabt. Ich möchte Sie also lieber bitten, sich diesen Vorfall nicht zu sehr anzuziehen, und kann dieß nicht kräftiger unterstützen, als wenn ich Ihnen nach gründlicher Ueberlegung versichre, daß uns die Recension wesentlich gar nicht schaden kann. Es ist wahr, unsre Gegner bilden sich für jetzt ein, daß es völlig mit uns aus ist, daß man nie wieder von uns hören wird, und daß sie keine Störung mehr von uns in ihren respektiven Gewerben zu befürchten haben. Wir müssen sie auch eine Weile in diesem Glauben lassen, denn wir haben mehr zu thun, und können die Jagd auf Lumpenhunde nur sehr im Vorbeygehn treiben. Allein was thutʼs? Sie werden zu seiner Zeit schon das Gegentheil erfahren. Dann hat die A. L. Z. ein großes Ansehn beym Haufen, und wenn sie sich einmal ein dreistes Wort über vornehme Schriftsteller, wie man uns doch gewissermaßen zu seyn zugesteht, herausnimmt, so macht es viel Eindruck. Hier, wo sie nur Vorsängerin der gemeinen Denkart ist, muß dieß doppelt der Fall seyn. Die ehrlichen Deutschen Leser Ihrer Recension finden ihren eingewurzelten Abscheu vor dem Witze, ihre beständige Beimischung der Moralität in das litterarische Gebiet (während man sie im handelnden Leben mit Oekonomie ziemlich in die Enge treibt), ihre Ansicht der Kritik nach Grundsätzen der geselligen Höflichkeit wieder. Man fragt gleich, wenn man ein strenges Urtheil über eine Schrift liest: muß der Mann nicht davon leben? hat er Frau und Kinder? welchʼ ein Gesicht wird er machen, wenn er zu Tisch kömmt? Sie selbst ersuchen mich ja in Ihrem Briefe verbindlichst, Wielandʼs Werke doch vortrefflich zu finden, weil er sichʼs sauer hat damit werden lassen, und nunmehr ein alter Mann ist. ‒ Da diesem nach Kritik und böses Herz für Synonyme gelten, und ein großer Theil des Ath. aus wirklicher Kritik besteht, so ist die Rez. einer sehr allgemeinen Beystimmung gewiß. Allein diese Gesinnungen haben nicht darauf gewartet, sie ist vielmehr nur Eine Stimme in dem großen Choral des Zeters und Wehes über uns. Wir müßten die Welt wenig kennen, wenn uns dieß unerwartet käme: wir haben aufʼs Bestimmteste vorausgesehn, welchen Sturm wir erregten. Der Umfang und die Heftigkeit der Opposizion beweist uns eben, daß wir unsern Zweck erreicht haben. Wir konnten nichts befürchten, als unter dem Wust gleichgültiger Schriften unbemerkt zu bleiben. Aber man haßt uns ‒ gut! ‒ man schimpft auf uns ‒ desto besser! ‒ man schlägt Kreuze vor uns wie vor Lästerern, Jakobinern, Sittenverderbern ‒ Gott sey gepriesen! das gelingt über alle Erwartung. Diese Kontorsionen, in denen sichʼs zwischendurch denn doch verräth, daß man sich leider vor uns fürchtet, unterhalten uns zwischen ernsteren Arbeiten. So benimmt sich ein goldenes Zeitalter, sagen wir uns, dem sein Untergang angekündigt wird, und geben genau Acht, weil wir keine Hoffnung haben, dieß Schauspiel noch einmal zu erleben. Sie haben vermuthlich meine Erklärung über die A. L. Z. und das feige, hinterlistige Gewäsch der Redaktoren dagegen gelesen, und werden also überzeugt seyn, daß sie jetzt eine günstige Recension des Ath. gar nicht hätten abdrucken lassen, sowie sie vorher nicht das Herz gehabt hätten, die Ihrige wie sie ist aufzunehmen. Dieß muß also noch mehr zu Ihrer Beruhigung dienen, daß ich mir den Abdruck der Rec. durch meinen Bruch mit den Redaktoren selbst zugezogen habe. Ohne diesen Vorfall hätte die A. L. Z. unstreitig über das Athenäum ganz geschwiegen. Im Bewußtseyn ihrer inneren Nullität hat sie eine tödliche Antipathie gegen alles, was freyen Geist athmet. Sie konnte uns nie anerkennen wollen, wenn sie es gleich gerathen fand, unsre Dienste bestmöglichst zu benutzen. Sie haben Recht, es ist ein lumpiges Institut, ich kann ihr gar nicht mehr die Ehre gönnen, gehörig über uns zu sprechen. Sie mag nun so hinter dem Zeitalter dreinhinken, und wer Lust daran findet, auf einer lahmen Ziege zu reiten, sey Mitarbeiter.
Was endlich solche Leser der Recension und ‒ wohl gemerkt! des Athenäums (denn sehr viele erheben ein Zetergeschrei gegen uns, die dieses Buch nie gesehn haben) betrifft, an deren Urtheil uns etwas gelegen seyn kann, so werden diese leicht einsehn, daß die Rec. gar nicht davon handelt.
Dieser letzte Punkt führt mich sogleich auf etwas, worüber ich Ihnen meine Entschuldigung zu machen habe. Wir können Sie nemlich nicht als unsren Gegner anerkennen, und werden nichts auf Ihre Rec. erwiedern. Sie sehen leicht, welche Anforderungen in dieser Art an uns gemacht werden würden, wenn wir uns einmal einließen. Keine Antithese ohne These: wo Antikritik stattfinden soll, muß vorher Kritik vorhergegangen seyn. Das Athenäum enthält theils Werke, über die Sie so gut wie nichts gesagt haben, und die sich ohnehin durch sich selber bewähren müssen; theils philosophische Sätze, die Sie als völlig unverständlich verwerfen, d. h. bekennen nicht zu verstehn; theils Kritiken, die Sie gar nicht von der kritischen, sondern von der Moralischen Seite angreifen. Hiegegen haben wir nichts einzuwenden, da wir nun einmal wo von Wissenschaft und Kunst die Rede ist nicht mit guten Herzen aufwarten können. Zu widerlegen ist also nichts, und unser Humor steht eben nicht darnach, Klagen zu den von uns prophezeihten Annalen der leidenden Schriftstellerey beizutragen, zu welchen vielmehr die Rec. selbst recht gut als Einleitung dienen könnte.
Noch einiges über die besondern Eröffnungen in Ihrem Brief an mich. Sie sprechen von einem Schutz- und Trutzbündniß zu gegenseitigem Lob. Zeigen Sie uns doch nur eine einzige Stelle in den Schriften unsrer Freunde, die wie ein bestelltes Lob aussähe? Wir loben unsre Freunde, natürlich, sie wären es gar nicht geworden, wenn sie uns nicht lobenswerth erschienen wären. Ich habe von Tieck eben so geurtheilt wie jetzt, da ich noch nichts von ihm wußte, da noch niemand auf ihn achtete, und er hat es freylich glänzend gerechtfertigt. Lesen Sie nur die Rec. des Blaubart und gestiefelten Katers, in der A. L. Z. Die Poesie hat erst die Freundschaft zwischen uns gestiftet, so wie die Philosophie zwischen meinem Bruder und dem Vrf. der Reden über die Religion. ‒ Daß unsre Freunde Verstand haben, ist also leider nicht zu läugnen. Daß wir aber niemanden außer ihnen wollten Verstand haben lassen ist so wenig begründet, daß wir uns vielmehr eifrig um Freundschaft bemühn werden, wo wir eine Spur von dergleichen gewahr werden. Es thut uns leid genug, daß die Fakzion der ächten Kunst und Wissenschaft so wenig zahlreich ist. Unsre geheimen Ränke bestehn darin, freymüthig zu urtheilen und an andre und uns selbst die höchsten Foderungen zu machen, niemals an das Interesse unsrer eignen Personen zu denken, sondern blos auf die Sache zu gehn. ‒ Unsre Art von den ersten Schriftstellern der Nation zu reden kann eben so wenig eigennütziger Zwecke verdächtig seyn, da diese Männer die uns hochachten keine Veranlassung haben öffentlich für uns zu sprechen, und wenn sie es auch thäten, dieß nach der Gemeinheit der herrschenden Gesinnungen jetzt doch nur für erwiedernde Partheilichkeit gehalten werden würde. ‒ Ich möchte es doch sehen, wie es einer anfangen wollte vom Fortgange der Poesie und Philosophie, oder eigentlich von ihrer Wiedergeburt zu sprechen, ohne dabei immer auf Göthe und Fichte zurückzukommen. ‒ Sie ermahnen mich schließlich von dem verkehrten Wesen abzulassen, und umzukehren. Das heißt ich soll die Resultate langer Studien und Anstrengungen mit einemmal wegschaffen, die auswendige Seite meines Geistes wie eines Handschuhes hineinkehren, und auf diese Art einen neuen Adam anziehen. Sie versichern, ich könne zurück. Freylich man hat in diesen Zeiten schreckende und erstaunenswürdige Beyspiele erlebt, wie gar leicht das Stillstehn, und Zurückkommen ist, allein Sie bedenken nicht, daß für jemand, der die höchsten Ziele der Wissenschaft und Kunst vor Augen hat, und mit allen Kräften des Geistes sich darauf hinrichtet, ein solches avancement retrograde ärger ist als der Tod. Ist mein Zurückgehen die einzige Bedingung unsers Zusammenkommens, so muß ich der Hoffnung darauf gänzlich entsagen. Uebrigens sehe ich nicht ein, wie ein Urtheil von Ihnen, welches unter den unzähligen, die über uns gefällt werden, gar nicht bedeutend vorkommen kann, allem Verkehr ein Ende machen und mündliches und schriftliches Zusammentreffen für die Zukunft verhindern sollte, und das pathetische „vielleicht zum letztenmal,“ als ob man sich erst beym jüngsten Gericht wieder sprechen werde, ist mir, ich muß es gestehn, sowohl in Ihrem als in Carolinens Briefe ein wenig drollig vorgekommen. Es ist wahr, bey dieser Gelegenheit ist es mir klar geworden, daß Sie von dem, worauf es uns bey unsren Bestrebungen ankömmt, auch nicht die entfernteste Ahndung haben; allein man geht ja in diesem Leben mit so manchen Menschen um, und man soll es auch, für die unsre eigentlichen Gedanken so unverständlich sind wie hebräisch, also mag auch unser Umgang in dieser Art mit in den Kauf gehn. Zur Freundschaft, die Sie vorschlagen, wollen wir die näheren Veranlassungen in Ruhe abwarten; allein vor jedem Schatten von Feindschaft von meiner Seite können Sie ganz unbekümmert seyn. Recensiren Sie ruhig fort, wie es Ihnen Ihr Gang und Ihre Besorgniß für das Heil der Litteratur eingiebt. Die Recension der Lucinde ist immer noch nicht erschienen, diese Unterhaltung steht uns noch bevor, wiewohl es für uns eigentlich schon ein alter Spaß ist, daß diese Lucinde der kleine Husar der Notizen und Fragmente seyn muß. Recensiren Sie, würde ich Ihnen zuerst vorschlagen, den hyperboräischen Esel, Sie prostituiren zuvörderst die A. L. Z. dadurch, daß von einer solchen Charteke überhaupt Notiz darin genommen wird; alsdann haben Sie Gelegenheit unsre Lächerlichkeit als eine schon ausgemachte Sache in Erinnerung zu bringen. Hierauf rügen Sie glimpflich den freylich nicht abzuläugnenden Bankerott des Witzes, und berühren am Ende ganz leise (weil Sie sich doch nicht zum zweytenmal in den Fall einer förmlichen Retractation und Ehrenerklärung gegen Herrn v. Kotzebue setzen können) das was Sie in dem Briefe an mich für höchst schändlich erklärt haben, das Aufbieten der Regierung gegen uns; doch dies letzte könnte Ihnen ganz erlassen werden, es ist ja die schmählichste Beleidigung der Regierungen, zu glauben, daß Insinuationen von derley Lumpenhunden etwas gelten könnten. Wir haben uns übrigens in diesem Punkt auf den Fuß der möglichsten Unabhängigkeit gesetzt. Wir sind an keine besondre Regierung gebunden, fürʼs erste sizen wir hier noch in bester Ruh und Gemächlichkeit; und es wird uns in Deutschland nie an guten Zufluchtsörtern fehlen.
So würde ich Ihnen also unmaßgeblich rathen, es mit dem hyperboräischen Esel zu machen. ‒ Aber wenn Sie sich nicht dazu gehalten haben, so kömmt dies zu spät, denn heute stand schon grade eine solche Recension davon in der A. L. Z. Hiermit empfehle ich mich Ihnen, und vielleicht nicht zum letztenmahl!
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