• Caroline von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Berlin · Date: 05.05.1801
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Caroline von Schelling
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 05.05.1801
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 370516575
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 113‒120 u. S. 611‒612 (Kommentar).
  • Incipit: „Jena d. 5ten May [1801].
    Wir fuhren am Sonnabend nach Weimar, ich hatte aber Rosen aufgetragen, wenn ich wiederkäme, müsten Briefe da [...]“
    Language
  • German
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Jena d. 5ten May [1801].
Wir fuhren am Sonnabend nach Weimar, ich hatte aber Rosen aufgetragen, wenn ich wiederkäme, müsten Briefe da sein, es war ihr und Dein Glück, daß sie mir denn auch wirklich etwas von Dir zu geben hatte, mein lieber Schlegel.
Die Gotter schrieb mir, sie würde am Sonnabend Cecilen hinbringen und bat herzlich um eine Zusammenkunft, also ging ich hin, nicht aus bloßer Lust den Don Juan und den Bassisten Gern zu hören, das war indeß eine wohlgefällige Zugabe. Schelling ritt erst spät hinüber, weil ihn seine Correkturen fest hielten, er kam grade zum Schauspiel. Ich sprach Gotters bei Leibmedikus Huschke, wo Cecile unter prosaischen Umgebungen ihre poetische Laufbahn antreten wird, mit großen Eifer indeß und einem Muth, von dem ich nun wirklich etwas hoffe. Bis etwas andres für sie eingerichtet ist, mag dieß denn doch besser seyn, als wenn sie in Gotha geblieben wäre, und sie denkt nicht den Sommer in Weimar zu verbringen, wenn sie sich früher besser placiren kann. Ich habe Dir den Brief der Gotter geschickt, lieber Freund, und wenn Du auch jetzt keine Zeit hast an diese Dinge zu denken, so bist Du doch gewiß so gut und errinnerst Dich, wenn Du bey Tischbeins bist. 200 rh. ist mehr, als ich glaubte, daß die Gotter würde daran wenden können, aber es ist ihnen wirklich sehr Ernst. Julchen war nicht mitgekommen, sonst hätte ich sie vielleicht mit mir herübergebracht, sie hat auf nächstens eine Aussicht herkommen zu können, und ich habe mich der Einladung nicht enthalten, weil sie Dir doch auch ein angenehmer Gegenstand im Hause seyn wird. Die Plane der Mutter mit ihr gehen ordentlich ins Große, sie will sie nach Lyon zu Verwandten schicken, da soll sie sich formiren und das Französische, das sie schon jetzt sehr in ihrer Gewalt hat, bis zur Vollkommenheit bringen ‒ am Ende läuft dies alles aber doch auf das leidige Erzieherinnen pis aller hinaus, und ich wünschte wohl, daß Julchen dieses könnte erspart werden. Im Winter könnte ich sie immer zu mir nehmen, und wenn Du kommst, wollen wir solches weiter besprechen. ‒ Àpropos mit dem Kommen sieht es mislich aus. Du wirst doch nicht verrätherisch an mir handeln und gar nicht kommen, oder etwa erst Michaelis? Fr. Tiek abwarten ‒ ist das nöthig, denn Tiek komt doch zuverläßig durch Weimar und kann übrigens eben so gut noch 8 als 4 Wochen ausbleiben. Wenn Du nur mit Unger und dem Shakesp. in Ordnung bist ‒ dichten und übersetzen kannst Du hier. So seh ich es an, aber ich darf nicht in Dich dringen ‒ ich habe Dir nichts zu bieten ‒ und wer weiß, was den Freund hält, wenn er gleich so exemplarisch im Thiergarten lebt. Ich will es nur noch so eine Weile mit ansehn und Dir weiter erzählen ‒ daß ich nun mit Gotters in eine Loge ging und Luft und Raum etwas enge fand gegen unsern alten großen Guckkasten in Braunschweig und den neueren und eleganteren in Hamburg, auch das Spiel der Minen und Geberden, und das Ensemble sehr leblos gegen unsre Franzosen. Ich sah wenig hin und hörte nur; eine so schöne Stimme wie die der Jagemann und des Bassisten waren mir lange nicht vorgekommen, überhaupt keine so musikalische Musik. Diese abgerechnet war aber der eigenthümliche Geist dieses Schauspieles wahrlich noch mehr in unserm Stück des Corneille, das einmal für uns allein aufgeführt wurde, zu finden, als er hier sich blicken ließ. Don Juan war gar schlecht. Übrigens erfahre hiemit als ein tiefes Geheimniß, das Schillers nächstes Stück ein Don Juan seyn wird. Er hat es Schellingen offenbart, daß er eben da an der Säule stehe um die Studien dazu zu machen. Sieh nur, wie der Mann sich in die Popularität hineinstürzt wie sein Taucher in den Schlund der Charybdis. Man muß doch sehn, ob er nicht Einmal wird den Becher herausbringen ‒ zulezt muß er seinen Untergang dabey finden, daran ist kein Zweifel. Die Aufregung ist zu groß, und die Seeungethüme werden ihm keinen Frieden lassen.
Goethe war in die Stadt gekommen den Tag und suchte Schelling auf in Schillers Loge, weil er ihn bei sich behalten wollte; dieser schlug es aus, weil er mit mir zurückführe. Darauf hat er sich denn sehr freundlich nach mir erkundigt und mich grüßen lassen. Nachher grüßte er mich aus dem Parterre. Schelling hat ihm vom Nicolai gesagt, was ihm Spaß machte und er sich gleich ausbat. Wir haben ihm das Exemplar geschickt, was ich mir von Friedrich habe ausgebeten in dieser Woche, was aber, wie ich gestern von diesen hörte, nicht vollständig ist; er wird mir erst heut eins schicken mit dem 13ten Capitel. Morgen kommt Goethe auf ein paar Tage hieher, da soll er denn auch das Packet haben, von dem alle Siegel abgesprungen sind, denn das Wachstuch, welches das Ganze faßte, war los und ledig und der Bindfaden hing daran. Wer Dir es gepackt hat, ist nicht so geschickt wie ich, und ich muß es bey Goethe entschuldigen lassen. ‒ Für den Shakesp. dank ich Dir und wollte nur, der 8te Theil wär schon dabey. Eine considerable Portion Unsinn muß der Unger in aller Stille vorräthig gehabt haben, den er nun laut werden läßt. Sollte er nicht nächstens gegen Friedrich losbrechen, und dann kan der nichts machen, es wär niederträchtig die bewusten Briefe in Geldsachen zu gebrauchen.
Gestern früh kam Friedrich ins Haus um ein Buch von Deinem Zimmer zu holen; ich ließ ihm hinaus sagen, er möchte nachher zu mir kommen; er kam also und ich gab ihm den Brief und sprach mit ihm von den andern Geschäftssachen. Er war ungemein beklommen, obgleich niemand da war wie lezthin, der ihn möglicher weise geniren konnte. Kein Wort von meinem Briefe, oder irgend eine Annäherung, er konnte nur einige leise Töne mit mir wechseln. Er sah Augustens Bild stehen mit dem Schleyer bedeckt und ich nahm wahr, daß er es ahndete, aber er hob diesen Schleyer nicht, so wenig wie den, der über unsern Verhältniß liegt. Schreib mir, ob er sich denn auch gegen Dich nicht erklärt. Du mußt mir zugestehn, daß ich alles gethan habe, und glaub mir auch, mein Freund, ich hege keinen Haß, und Du thust mir sehr Unrecht je von Spötteln und dergl. geredet zu haben. Was ich gegen ihn habe, werd ich auch gegen Dich, ohngeachtet Deiner großen Partheylichkeit des Momentes ‒ denn auch in Dir, redlichster aller Freunde, sind die Partheylichkeiten vorübergehend ‒ immer freymüthig sagen. Ich konnte nie aufhören freymüthig seyn zu dürfen.
Auf wessen Seite das Unedle und besonders die Gemeinheit ist, wird Dir nicht entgehn nach einiger Zeit; ich beschuldige Friedrich nicht von dieser Seite. Ich habe ihn jetzt wieder aufs schonendste behandelt, da ich gezwungen bin, über die häuslichen Dinge mit ihm zu verkehren und täglich noch Sachen von dort abholen zu lassen. Er ist selbst doch unruhig darüber, und von nun an lasse ich alles gut seyn. Ich hab es nicht erwähnt, daß sich kein Glas mehr im Hause findet, daß das Porcelan so eingeschmolzen ist, daß ich nicht 2 Fremde über unsre gewöhnliche Zahl mehr würde bewirthen können ‒ ich nehme es an, als habest Du ihnen den Gebrauch aller Sachen, als wenn es ihr Eigenthum wäre, zugestanden. Laß Dir auch jetzt weiter nichts merken. Die Veit ist noch nicht wieder da.
Wegen des Wekhrlin wird er Dir wohl selbst schreiben, daß ihn Ritter verlohren hat.
Ich gab ihm Deine Gedichte gestern mit, worüber er Dir seine Meynung auch selbst schreiben mag. Wegen der überzählichen Stanze bin ich ganz entschieden; sie muß deswegen weg, weil sie den Akzent zu sehr auf die Sünder legen würde, die doch nur eine bloße Dekorazion abgeben müssen. Dein Sonnet ist schön wie alle Deine Sonnette, und ob ich Dir wohl die Stellung nicht beschreiben kann, so habe ich das Bild doch im Geiste gesehn.
Hier schickt Dir Schelling das von Röschlaub. Das muß ein Manusscript für Freunde bleiben, denk ich. Sch. hat übrigens auch eine Menge Manusscript, das nicht einmal für Freunde ist. Ich habe nur noch Einzelnes davon zu sehen Zeit gehabt. Sollte etwas dabey seyn, daß er wirklich unbefangen, ohne seinem eignen Gefühl zu nahe zu treten, geben könnte, so will ich es seinem Eigensinn noch entführen. Es ist fast alles im elegischen Sylbenmaß. Auch eine gute Zahl Epigramme sind dabey und ich will Dir nur eins mittheilen, des Spaßes wegen, daß Friedrich der nehmliche Gegenstand aufgefallen ist. Ich kan mich aber gar nicht besinnen, ob mit der nehmlichen Wendung.
Ey Kalathiskos nennst du das Werk? So willst du denn, Gute,
Daß dir nun öffentlich auch geben die Musen den Korb?
Er ist nur sehr unzufrieden mit seinen Hexametern, und wenn Du kommst, wird er Dir keine Ruhe lassen, bis Du einen Gesang im Homer mit ihm liesest und sie ihm machen lehrst.
Ich kann heut gar nicht recht schreiben, mein lieber Wilhelm, mir ist nicht wohl und ich soll noch obendrein bey der Fromman Thee trinken.
Denk Dir, Schelling hat diesen Morgen Hufeland besucht, denn Hufel. ist seit langer Zeit so unendlich freundlich gegen ihn gewesen, daß er sagte, er müste etwas für ihn thun, und wenn Sch. das meynt, so muß es Hufel. arg mit der Holdseligkeit gemacht haben. Ich habe die H. noch nicht gesehn, Luise ißt diesen Abend da. So viel bin ich mir schuldig, daß ich auch nicht den kleinsten Schritt thue, und besonders da Sch. das gethan, was mir für jetzt noch unerwartet war, muß ich mich desto mehr zurückhalten, sonst giebt das einen dummen Zusammenhang. Es ist mir auch sehr bequem, daß sie nicht so ungenirt herüber kommt, da ich mir noch gar keine Retirade habe einrichten können und mich nicht mehr zur Frivolität zwingen mag. Es wird sich schon früh genug machen. Du kannst mit dem besten Anstande zu ihm gehn. Er ist sehr eingenommen für die Ehrenpforte, wie ich höre; Loder schimpft darauf. Ganz neu war es mir, daß Loders und Hufelands den ganzen Winter über in entschiedner Spannung gelebt haben. Hufeland ist über einige Etourderien und Klatschereyen von Loder lebhaft geworden, und Loder endlich empfindlich. Er hat seiner Frau auch den Umgang untersagt. Vor wenig Tagen ist er aber auf einmal wieder zu Hufeland gekommen. Höre, dieses gute alte Jena ist denn doch ein kleines Mordnest. Du hast keinen Begriff davon, wie sich alles unter einander beklatscht hat und welche Menschen daran Theil genommen. Wir haben uns das bisher so sehr fern zu halten gewußt, und ich denke, es soll auch wieder so werden, und eine reine gesäuberte Luft um uns wehen.
Es ist sehr still hier, sehr viele Studenten sollen wieder abgegangen seyn, wenige kommen. Indessen kann sich dieses in Jahresfrist auch wieder machen. Mediziner haben jetzt fast keine Veranlassung mehr herzukommen, und der Herzog will die Stelle nicht besetzen, besonders mit keinem Brownianer, und hat doch immer die Brantweinflasche bey sich.
Wenn alles still ist, desto besser ließe sich hier dichten, mein guter Wilhelm. Es sind doch gar schöne Spaziergänge und der Frühling ist hier vielleicht noch lieblicher wie im Thiergarten. So lieblich, daß er mir bittre, bittre Schmerzen macht, und ich gestehe Dir, ich bin krank von wehevollen Thränen. Wo ich gehe, da sind ihre Spuren, der ich nun so hülflos nachweine.
Schelling ist gelassen, aber seine Gesundheit blickt mehr daraus hervor als seine Fassung.
Denk nur, daß Deine Gegenwart mir oft wohlthätig seyn wird, und entziehe sie mir nicht zu lange.
Es bekümmert mich freylich, daß Tiek nicht kommt. Die Fromman meynt, ihr Mann brächte ihn doch wohl noch mit.
Friedrich hatte mir in einem gelegentlichen Billet auch die gute Nachricht von Deiner Schwester mitgetheilt. ‒ Ich werde Deiner Mutter, ich werde nach Bamberg schreiben und überhaupt alles besorgen, was Du mir aufgetragen hast.
Wiedemann hat aus Mainz geschrieben und ist sehr vergnügt ‒ gewiß mit darüber so frey umher zu schweifen.
Mr. und Mad. Froriep haben mir eine Karte geschickt.
Ich schreibe nächsten Postag wieder, weil es heut so im Flug geschehn ist.
Deine C.
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Jena d. 5ten May [1801].
Wir fuhren am Sonnabend nach Weimar, ich hatte aber Rosen aufgetragen, wenn ich wiederkäme, müsten Briefe da sein, es war ihr und Dein Glück, daß sie mir denn auch wirklich etwas von Dir zu geben hatte, mein lieber Schlegel.
Die Gotter schrieb mir, sie würde am Sonnabend Cecilen hinbringen und bat herzlich um eine Zusammenkunft, also ging ich hin, nicht aus bloßer Lust den Don Juan und den Bassisten Gern zu hören, das war indeß eine wohlgefällige Zugabe. Schelling ritt erst spät hinüber, weil ihn seine Correkturen fest hielten, er kam grade zum Schauspiel. Ich sprach Gotters bei Leibmedikus Huschke, wo Cecile unter prosaischen Umgebungen ihre poetische Laufbahn antreten wird, mit großen Eifer indeß und einem Muth, von dem ich nun wirklich etwas hoffe. Bis etwas andres für sie eingerichtet ist, mag dieß denn doch besser seyn, als wenn sie in Gotha geblieben wäre, und sie denkt nicht den Sommer in Weimar zu verbringen, wenn sie sich früher besser placiren kann. Ich habe Dir den Brief der Gotter geschickt, lieber Freund, und wenn Du auch jetzt keine Zeit hast an diese Dinge zu denken, so bist Du doch gewiß so gut und errinnerst Dich, wenn Du bey Tischbeins bist. 200 rh. ist mehr, als ich glaubte, daß die Gotter würde daran wenden können, aber es ist ihnen wirklich sehr Ernst. Julchen war nicht mitgekommen, sonst hätte ich sie vielleicht mit mir herübergebracht, sie hat auf nächstens eine Aussicht herkommen zu können, und ich habe mich der Einladung nicht enthalten, weil sie Dir doch auch ein angenehmer Gegenstand im Hause seyn wird. Die Plane der Mutter mit ihr gehen ordentlich ins Große, sie will sie nach Lyon zu Verwandten schicken, da soll sie sich formiren und das Französische, das sie schon jetzt sehr in ihrer Gewalt hat, bis zur Vollkommenheit bringen ‒ am Ende läuft dies alles aber doch auf das leidige Erzieherinnen pis aller hinaus, und ich wünschte wohl, daß Julchen dieses könnte erspart werden. Im Winter könnte ich sie immer zu mir nehmen, und wenn Du kommst, wollen wir solches weiter besprechen. ‒ Àpropos mit dem Kommen sieht es mislich aus. Du wirst doch nicht verrätherisch an mir handeln und gar nicht kommen, oder etwa erst Michaelis? Fr. Tiek abwarten ‒ ist das nöthig, denn Tiek komt doch zuverläßig durch Weimar und kann übrigens eben so gut noch 8 als 4 Wochen ausbleiben. Wenn Du nur mit Unger und dem Shakesp. in Ordnung bist ‒ dichten und übersetzen kannst Du hier. So seh ich es an, aber ich darf nicht in Dich dringen ‒ ich habe Dir nichts zu bieten ‒ und wer weiß, was den Freund hält, wenn er gleich so exemplarisch im Thiergarten lebt. Ich will es nur noch so eine Weile mit ansehn und Dir weiter erzählen ‒ daß ich nun mit Gotters in eine Loge ging und Luft und Raum etwas enge fand gegen unsern alten großen Guckkasten in Braunschweig und den neueren und eleganteren in Hamburg, auch das Spiel der Minen und Geberden, und das Ensemble sehr leblos gegen unsre Franzosen. Ich sah wenig hin und hörte nur; eine so schöne Stimme wie die der Jagemann und des Bassisten waren mir lange nicht vorgekommen, überhaupt keine so musikalische Musik. Diese abgerechnet war aber der eigenthümliche Geist dieses Schauspieles wahrlich noch mehr in unserm Stück des Corneille, das einmal für uns allein aufgeführt wurde, zu finden, als er hier sich blicken ließ. Don Juan war gar schlecht. Übrigens erfahre hiemit als ein tiefes Geheimniß, das Schillers nächstes Stück ein Don Juan seyn wird. Er hat es Schellingen offenbart, daß er eben da an der Säule stehe um die Studien dazu zu machen. Sieh nur, wie der Mann sich in die Popularität hineinstürzt wie sein Taucher in den Schlund der Charybdis. Man muß doch sehn, ob er nicht Einmal wird den Becher herausbringen ‒ zulezt muß er seinen Untergang dabey finden, daran ist kein Zweifel. Die Aufregung ist zu groß, und die Seeungethüme werden ihm keinen Frieden lassen.
Goethe war in die Stadt gekommen den Tag und suchte Schelling auf in Schillers Loge, weil er ihn bei sich behalten wollte; dieser schlug es aus, weil er mit mir zurückführe. Darauf hat er sich denn sehr freundlich nach mir erkundigt und mich grüßen lassen. Nachher grüßte er mich aus dem Parterre. Schelling hat ihm vom Nicolai gesagt, was ihm Spaß machte und er sich gleich ausbat. Wir haben ihm das Exemplar geschickt, was ich mir von Friedrich habe ausgebeten in dieser Woche, was aber, wie ich gestern von diesen hörte, nicht vollständig ist; er wird mir erst heut eins schicken mit dem 13ten Capitel. Morgen kommt Goethe auf ein paar Tage hieher, da soll er denn auch das Packet haben, von dem alle Siegel abgesprungen sind, denn das Wachstuch, welches das Ganze faßte, war los und ledig und der Bindfaden hing daran. Wer Dir es gepackt hat, ist nicht so geschickt wie ich, und ich muß es bey Goethe entschuldigen lassen. ‒ Für den Shakesp. dank ich Dir und wollte nur, der 8te Theil wär schon dabey. Eine considerable Portion Unsinn muß der Unger in aller Stille vorräthig gehabt haben, den er nun laut werden läßt. Sollte er nicht nächstens gegen Friedrich losbrechen, und dann kan der nichts machen, es wär niederträchtig die bewusten Briefe in Geldsachen zu gebrauchen.
Gestern früh kam Friedrich ins Haus um ein Buch von Deinem Zimmer zu holen; ich ließ ihm hinaus sagen, er möchte nachher zu mir kommen; er kam also und ich gab ihm den Brief und sprach mit ihm von den andern Geschäftssachen. Er war ungemein beklommen, obgleich niemand da war wie lezthin, der ihn möglicher weise geniren konnte. Kein Wort von meinem Briefe, oder irgend eine Annäherung, er konnte nur einige leise Töne mit mir wechseln. Er sah Augustens Bild stehen mit dem Schleyer bedeckt und ich nahm wahr, daß er es ahndete, aber er hob diesen Schleyer nicht, so wenig wie den, der über unsern Verhältniß liegt. Schreib mir, ob er sich denn auch gegen Dich nicht erklärt. Du mußt mir zugestehn, daß ich alles gethan habe, und glaub mir auch, mein Freund, ich hege keinen Haß, und Du thust mir sehr Unrecht je von Spötteln und dergl. geredet zu haben. Was ich gegen ihn habe, werd ich auch gegen Dich, ohngeachtet Deiner großen Partheylichkeit des Momentes ‒ denn auch in Dir, redlichster aller Freunde, sind die Partheylichkeiten vorübergehend ‒ immer freymüthig sagen. Ich konnte nie aufhören freymüthig seyn zu dürfen.
Auf wessen Seite das Unedle und besonders die Gemeinheit ist, wird Dir nicht entgehn nach einiger Zeit; ich beschuldige Friedrich nicht von dieser Seite. Ich habe ihn jetzt wieder aufs schonendste behandelt, da ich gezwungen bin, über die häuslichen Dinge mit ihm zu verkehren und täglich noch Sachen von dort abholen zu lassen. Er ist selbst doch unruhig darüber, und von nun an lasse ich alles gut seyn. Ich hab es nicht erwähnt, daß sich kein Glas mehr im Hause findet, daß das Porcelan so eingeschmolzen ist, daß ich nicht 2 Fremde über unsre gewöhnliche Zahl mehr würde bewirthen können ‒ ich nehme es an, als habest Du ihnen den Gebrauch aller Sachen, als wenn es ihr Eigenthum wäre, zugestanden. Laß Dir auch jetzt weiter nichts merken. Die Veit ist noch nicht wieder da.
Wegen des Wekhrlin wird er Dir wohl selbst schreiben, daß ihn Ritter verlohren hat.
Ich gab ihm Deine Gedichte gestern mit, worüber er Dir seine Meynung auch selbst schreiben mag. Wegen der überzählichen Stanze bin ich ganz entschieden; sie muß deswegen weg, weil sie den Akzent zu sehr auf die Sünder legen würde, die doch nur eine bloße Dekorazion abgeben müssen. Dein Sonnet ist schön wie alle Deine Sonnette, und ob ich Dir wohl die Stellung nicht beschreiben kann, so habe ich das Bild doch im Geiste gesehn.
Hier schickt Dir Schelling das von Röschlaub. Das muß ein Manusscript für Freunde bleiben, denk ich. Sch. hat übrigens auch eine Menge Manusscript, das nicht einmal für Freunde ist. Ich habe nur noch Einzelnes davon zu sehen Zeit gehabt. Sollte etwas dabey seyn, daß er wirklich unbefangen, ohne seinem eignen Gefühl zu nahe zu treten, geben könnte, so will ich es seinem Eigensinn noch entführen. Es ist fast alles im elegischen Sylbenmaß. Auch eine gute Zahl Epigramme sind dabey und ich will Dir nur eins mittheilen, des Spaßes wegen, daß Friedrich der nehmliche Gegenstand aufgefallen ist. Ich kan mich aber gar nicht besinnen, ob mit der nehmlichen Wendung.
Ey Kalathiskos nennst du das Werk? So willst du denn, Gute,
Daß dir nun öffentlich auch geben die Musen den Korb?
Er ist nur sehr unzufrieden mit seinen Hexametern, und wenn Du kommst, wird er Dir keine Ruhe lassen, bis Du einen Gesang im Homer mit ihm liesest und sie ihm machen lehrst.
Ich kann heut gar nicht recht schreiben, mein lieber Wilhelm, mir ist nicht wohl und ich soll noch obendrein bey der Fromman Thee trinken.
Denk Dir, Schelling hat diesen Morgen Hufeland besucht, denn Hufel. ist seit langer Zeit so unendlich freundlich gegen ihn gewesen, daß er sagte, er müste etwas für ihn thun, und wenn Sch. das meynt, so muß es Hufel. arg mit der Holdseligkeit gemacht haben. Ich habe die H. noch nicht gesehn, Luise ißt diesen Abend da. So viel bin ich mir schuldig, daß ich auch nicht den kleinsten Schritt thue, und besonders da Sch. das gethan, was mir für jetzt noch unerwartet war, muß ich mich desto mehr zurückhalten, sonst giebt das einen dummen Zusammenhang. Es ist mir auch sehr bequem, daß sie nicht so ungenirt herüber kommt, da ich mir noch gar keine Retirade habe einrichten können und mich nicht mehr zur Frivolität zwingen mag. Es wird sich schon früh genug machen. Du kannst mit dem besten Anstande zu ihm gehn. Er ist sehr eingenommen für die Ehrenpforte, wie ich höre; Loder schimpft darauf. Ganz neu war es mir, daß Loders und Hufelands den ganzen Winter über in entschiedner Spannung gelebt haben. Hufeland ist über einige Etourderien und Klatschereyen von Loder lebhaft geworden, und Loder endlich empfindlich. Er hat seiner Frau auch den Umgang untersagt. Vor wenig Tagen ist er aber auf einmal wieder zu Hufeland gekommen. Höre, dieses gute alte Jena ist denn doch ein kleines Mordnest. Du hast keinen Begriff davon, wie sich alles unter einander beklatscht hat und welche Menschen daran Theil genommen. Wir haben uns das bisher so sehr fern zu halten gewußt, und ich denke, es soll auch wieder so werden, und eine reine gesäuberte Luft um uns wehen.
Es ist sehr still hier, sehr viele Studenten sollen wieder abgegangen seyn, wenige kommen. Indessen kann sich dieses in Jahresfrist auch wieder machen. Mediziner haben jetzt fast keine Veranlassung mehr herzukommen, und der Herzog will die Stelle nicht besetzen, besonders mit keinem Brownianer, und hat doch immer die Brantweinflasche bey sich.
Wenn alles still ist, desto besser ließe sich hier dichten, mein guter Wilhelm. Es sind doch gar schöne Spaziergänge und der Frühling ist hier vielleicht noch lieblicher wie im Thiergarten. So lieblich, daß er mir bittre, bittre Schmerzen macht, und ich gestehe Dir, ich bin krank von wehevollen Thränen. Wo ich gehe, da sind ihre Spuren, der ich nun so hülflos nachweine.
Schelling ist gelassen, aber seine Gesundheit blickt mehr daraus hervor als seine Fassung.
Denk nur, daß Deine Gegenwart mir oft wohlthätig seyn wird, und entziehe sie mir nicht zu lange.
Es bekümmert mich freylich, daß Tiek nicht kommt. Die Fromman meynt, ihr Mann brächte ihn doch wohl noch mit.
Friedrich hatte mir in einem gelegentlichen Billet auch die gute Nachricht von Deiner Schwester mitgetheilt. ‒ Ich werde Deiner Mutter, ich werde nach Bamberg schreiben und überhaupt alles besorgen, was Du mir aufgetragen hast.
Wiedemann hat aus Mainz geschrieben und ist sehr vergnügt ‒ gewiß mit darüber so frey umher zu schweifen.
Mr. und Mad. Froriep haben mir eine Karte geschickt.
Ich schreibe nächsten Postag wieder, weil es heut so im Flug geschehn ist.
Deine C.
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