• August Wilhelm von Schlegel to Hans Georg Nägeli

  • Place of Dispatch: Bonn · Place of Destination: Zürich · Date: 26.12.1832
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Hans Georg Nägeli
  • Place of Dispatch: Bonn
  • Place of Destination: Zürich
  • Date: 26.12.1832
  • Notations: Spätere Abschrift, s. Vermerk: „Drei Briefe, die aus S. Hirzels Nachlaß der Autographensammlung von Frau Betty Escher-Schindler im T...nach, Zürich, geschenkt wurden. An Herrn Erziehungsrath Nägeli, in Zürich“.
    Manuscript
  • Provider: Zürich, Zentralbibliothek
  • Classification Number: FA Hirzel 431e
  • Incipit: „[1] Bonn, d. 26 Dec. 1832.
    Mein hochgeehrtester Herr.
    Ihr Schreiben vom 10. dieses Monats, welches ich gestern empfing, war mir unendlich [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Bürger, Thomas
[1] Bonn, d. 26 Dec. 1832.
Mein hochgeehrtester Herr.
Ihr Schreiben vom 10. dieses Monats, welches ich gestern empfing, war mir unendlich schmeichelhaft. Es ist ehrenvoll von einem Manne, der sich selbst um den öffentlichen Unterricht in seinem Vaterlande große Verdienste erworben hat, in einer Angelegenheit dieses Faches zu Rathe zugezogen zu werden. Ich eile Ihren Auftrag zu erfüllen.
Herr Dr. Bobrik ist ein wackrer junger Gelehrter, der sich schon bei der ersten Bekanntschaft durch Bescheidenheit und feine Sittenbildung empfiehlt, und vermöge seiner rüstigen und beharrlichen Thätigkeit im Stande ist, einer Lehranstalt sehr nützlich zu werden. Er kam vor viertehalb Jahren von Königsberg zu uns, und habilitirte sich bei unserer Fakultät als Privatdocent. Die hiebei abzulegenden Proben gaben mir Gelegenheit, eine ungemeine Gabe des klaren, wohlgeordneten Vortrages an ihm zu bemerken, und mein damaliges Urtheil wurde durch den Erfolg bestätigt. Wie wohl hier nicht weniger als vier Professoren, die Herren [2] Windischmann, Delbrück, Brandes und van Calker, über eigentlich philosophische Disciplinen Vorlesungen halten, so fand er doch eine verhältnißmäßig beträchtliche Anzahl von Zuhörern, und ist ein beliebter Dozent.
Praktische Fertigkeit in den neuern Sprachen ist unter den deutschen Gelehrten äußerst selten, weil sie nur durch frühe Uebung und Reisen erworben werden kann. Beides hat Herr Bobrik zu diesem Zwecke benutzt, und ich habe verschiedentlich in Gesellschaften, wo Ausländer waren, bemerkt, daß er im Französischen und Englischen sowohl den Ausdruck als die Aussprache in seiner Gewalt hat.
Hier war seiner fernern Beförderung, wie es scheint, nur der einzige Umstand hinderlich, daß er nicht aus der Hegelschen Schule hervorgegangen ist, welche von Berlin aus begünstigt wird. Hegel selbst war allerdings ein originaler Kopf; obwohl ein sehr abstruser Schriftsteller und ein ungenießbarer Dozent; aber von seinen Schülern habe ich noch nichts ersprießliches gesehen.
Ich stehe mit Herrn Bobrik in keinem nähern gesellschaftlichen Verhältnisse, mache mir jedoch ein wahres Vergnügen daraus, ihn meiner Ueberzeugung gemäß nachdrücklich zu empfehlen.
Ihrer neuen Stiftung wünsche ich von Herzen das beste Gedeihen. Zürich besitzt in der Gelehrsamkeit einen alten Ruhm, und hat sich von jeher vor den Städten der deutschen Schweiz von dieser Seite ausgezeichnet. Unsere Literatur hat Ihren Mitbürgern viel zu verdanken
Genehmigen Sie, mein hochverehrtester Herr, die Versicherung meiner ausgezeichnetesten Hochachtung, womit ich die Ehre habe zu sein Ihr ergebenster
A. W. von Schlegel.
[1] Bonn, d. 26 Dec. 1832.
Mein hochgeehrtester Herr.
Ihr Schreiben vom 10. dieses Monats, welches ich gestern empfing, war mir unendlich schmeichelhaft. Es ist ehrenvoll von einem Manne, der sich selbst um den öffentlichen Unterricht in seinem Vaterlande große Verdienste erworben hat, in einer Angelegenheit dieses Faches zu Rathe zugezogen zu werden. Ich eile Ihren Auftrag zu erfüllen.
Herr Dr. Bobrik ist ein wackrer junger Gelehrter, der sich schon bei der ersten Bekanntschaft durch Bescheidenheit und feine Sittenbildung empfiehlt, und vermöge seiner rüstigen und beharrlichen Thätigkeit im Stande ist, einer Lehranstalt sehr nützlich zu werden. Er kam vor viertehalb Jahren von Königsberg zu uns, und habilitirte sich bei unserer Fakultät als Privatdocent. Die hiebei abzulegenden Proben gaben mir Gelegenheit, eine ungemeine Gabe des klaren, wohlgeordneten Vortrages an ihm zu bemerken, und mein damaliges Urtheil wurde durch den Erfolg bestätigt. Wie wohl hier nicht weniger als vier Professoren, die Herren [2] Windischmann, Delbrück, Brandes und van Calker, über eigentlich philosophische Disciplinen Vorlesungen halten, so fand er doch eine verhältnißmäßig beträchtliche Anzahl von Zuhörern, und ist ein beliebter Dozent.
Praktische Fertigkeit in den neuern Sprachen ist unter den deutschen Gelehrten äußerst selten, weil sie nur durch frühe Uebung und Reisen erworben werden kann. Beides hat Herr Bobrik zu diesem Zwecke benutzt, und ich habe verschiedentlich in Gesellschaften, wo Ausländer waren, bemerkt, daß er im Französischen und Englischen sowohl den Ausdruck als die Aussprache in seiner Gewalt hat.
Hier war seiner fernern Beförderung, wie es scheint, nur der einzige Umstand hinderlich, daß er nicht aus der Hegelschen Schule hervorgegangen ist, welche von Berlin aus begünstigt wird. Hegel selbst war allerdings ein originaler Kopf; obwohl ein sehr abstruser Schriftsteller und ein ungenießbarer Dozent; aber von seinen Schülern habe ich noch nichts ersprießliches gesehen.
Ich stehe mit Herrn Bobrik in keinem nähern gesellschaftlichen Verhältnisse, mache mir jedoch ein wahres Vergnügen daraus, ihn meiner Ueberzeugung gemäß nachdrücklich zu empfehlen.
Ihrer neuen Stiftung wünsche ich von Herzen das beste Gedeihen. Zürich besitzt in der Gelehrsamkeit einen alten Ruhm, und hat sich von jeher vor den Städten der deutschen Schweiz von dieser Seite ausgezeichnet. Unsere Literatur hat Ihren Mitbürgern viel zu verdanken
Genehmigen Sie, mein hochverehrtester Herr, die Versicherung meiner ausgezeichnetesten Hochachtung, womit ich die Ehre habe zu sein Ihr ergebenster
A. W. von Schlegel.
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