• August Wilhelm von Schlegel to Anne Louise Germaine de Staël-Holstein

  • Place of Dispatch: Bern · Place of Destination: Unknown · Date: 02.02.1812
Edition Status: Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Anne Louise Germaine de Staël-Holstein
  • Place of Dispatch: Bern
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 02.02.1812
  • Notations: Aus rechtlichen Gründen wird vorerst die deutsche Übersetzung angezeigt.
    Printed Text
  • Bibliography: Pange, Pauline de: August Wilhelm Schlegel und Frau von Staël. Eine schicksalhafte Begegnung. Nach unveröffentlichten Briefen erzählt von Pauline Gräfin de Pange. Dt. Ausg. von Willy Grabert. Hamburg 1940, S. 286–287.
  • Incipit: „Bern, den 2. Februar 1812
    Liebe Freundin! Unsere Brieftage sind nicht gut gewählt: an den Sonntagen habe ich seit Donnerstag nichts erhalten, [...]“
    Language
  • German
Bern, den 2. Februar 1812
Liebe Freundin! Unsere Brieftage sind nicht gut gewählt: an den Sonntagen habe ich seit Donnerstag nichts erhalten, worauf ich antworten könnte, und den Brief, den ich nach Abgang der Post bekomme, muß ich dann bis zum nächsten Donnerstag unbeantwortet lassen.
Ich habe mir noch keinen Camoëns verschaffen können, um Ihnen einige ausführliche Anmerkungen zu geben. Inzwischen will ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie den Artikel Voltaires in seiner Abhandlung über die epische Poesie erwähnen müssen. Im allgemeinen stammen die Gedanken der Franzosen über diesen Dichter daher; sie wissen aber nicht, daß inzwischen die portugiesischen Gelehrten nicht nur die historischen Irrtümer Voltaires, sondern auch die Oberflächlichkeit seiner Urteile nachgewiesen haben. U. a. läßt Volt[aire] Camoëns seinen Helden Vasco da Gama auf seiner Entdeckungsfahrt begleiten – ein Anachronismus von etwa hundert Jahren, der beweist, daß er das Gedicht nie gelesen hat.
Ich erfuhr, daß Herr de St.-Pr[iest] bei Herrn von Falk einen Schritt unternommen hat: er fragte bei ihm an, ob er, ohne behelligt zu werden, in Lausanne wohnen könnte. Dieser hat ihm geantwortet, er habe keinerlei Anordnung erhalten, die ihn beträfe. Herr de St.-Priest tut also trotz all seiner Diplomatie immer gerade das, was seinem Ansehen schadet und darüber hinaus unklug ist.
Man sagte mir, daß Becker in Gotha verhaftet worden sei, weil man glaubte, bei ihm Schriftstücke des ›Jugend-Vereinsordens‹ finden zu können.
Tieck ist hier. Er geht nach Italien und unterbricht meinetwegen seine Reise für einige Tage.
Seine Schwester fährt demnächst nach Livland. Ich weiß nicht, was für Wetter Sie in Genf haben; hier ist es noch nicht allzu gut, – wir haben leichtes Tauwetter gehabt, dann aber Neuschnee und Rückkehr der Kälte.
Da die Biographie Universelle bereits beim C angelangt ist – wer schreibt denn den Calderon-Artikel? Sismondi? Ich würde mich doch nicht so leicht dazu verstehen, in der Massenproduktion mitzuarbeiten.
Immer noch schulde ich Albert einen Brief und bitte ihn deswegen um Entschuldigung. August und Albertine haben mir nicht geantwortet.
Ich aß letzthin bei Herrn von Schraut zu Mittag. Herr von Olvie war da. Man sprach mit Bedauern von der Unterdrückung Ihres Buches und setzte mir sehr zu, ob ich nicht ein Exemplar hätte. Feierlichst habe ich beteuert, keins zu haben. Herr von Sch[raut] sagte mir: ›Wenn Sie wetten wollten, daß man keins bei Ihnen finden würde, so würde das einigen Eindruck auf mich machen, aber schwören – nein, das genügt mir nicht!‹
Auf Wiedersehen, liebe Freundin. Ich wünschte, meine Briefe interessanter gestalten zu können. – Setzen Sie wenigstens in jedem Falle bei mir den besten Willen der Welt voraus.
Bern, den 2. Februar 1812
Liebe Freundin! Unsere Brieftage sind nicht gut gewählt: an den Sonntagen habe ich seit Donnerstag nichts erhalten, worauf ich antworten könnte, und den Brief, den ich nach Abgang der Post bekomme, muß ich dann bis zum nächsten Donnerstag unbeantwortet lassen.
Ich habe mir noch keinen Camoëns verschaffen können, um Ihnen einige ausführliche Anmerkungen zu geben. Inzwischen will ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie den Artikel Voltaires in seiner Abhandlung über die epische Poesie erwähnen müssen. Im allgemeinen stammen die Gedanken der Franzosen über diesen Dichter daher; sie wissen aber nicht, daß inzwischen die portugiesischen Gelehrten nicht nur die historischen Irrtümer Voltaires, sondern auch die Oberflächlichkeit seiner Urteile nachgewiesen haben. U. a. läßt Volt[aire] Camoëns seinen Helden Vasco da Gama auf seiner Entdeckungsfahrt begleiten – ein Anachronismus von etwa hundert Jahren, der beweist, daß er das Gedicht nie gelesen hat.
Ich erfuhr, daß Herr de St.-Pr[iest] bei Herrn von Falk einen Schritt unternommen hat: er fragte bei ihm an, ob er, ohne behelligt zu werden, in Lausanne wohnen könnte. Dieser hat ihm geantwortet, er habe keinerlei Anordnung erhalten, die ihn beträfe. Herr de St.-Priest tut also trotz all seiner Diplomatie immer gerade das, was seinem Ansehen schadet und darüber hinaus unklug ist.
Man sagte mir, daß Becker in Gotha verhaftet worden sei, weil man glaubte, bei ihm Schriftstücke des ›Jugend-Vereinsordens‹ finden zu können.
Tieck ist hier. Er geht nach Italien und unterbricht meinetwegen seine Reise für einige Tage.
Seine Schwester fährt demnächst nach Livland. Ich weiß nicht, was für Wetter Sie in Genf haben; hier ist es noch nicht allzu gut, – wir haben leichtes Tauwetter gehabt, dann aber Neuschnee und Rückkehr der Kälte.
Da die Biographie Universelle bereits beim C angelangt ist – wer schreibt denn den Calderon-Artikel? Sismondi? Ich würde mich doch nicht so leicht dazu verstehen, in der Massenproduktion mitzuarbeiten.
Immer noch schulde ich Albert einen Brief und bitte ihn deswegen um Entschuldigung. August und Albertine haben mir nicht geantwortet.
Ich aß letzthin bei Herrn von Schraut zu Mittag. Herr von Olvie war da. Man sprach mit Bedauern von der Unterdrückung Ihres Buches und setzte mir sehr zu, ob ich nicht ein Exemplar hätte. Feierlichst habe ich beteuert, keins zu haben. Herr von Sch[raut] sagte mir: ›Wenn Sie wetten wollten, daß man keins bei Ihnen finden würde, so würde das einigen Eindruck auf mich machen, aber schwören – nein, das genügt mir nicht!‹
Auf Wiedersehen, liebe Freundin. Ich wünschte, meine Briefe interessanter gestalten zu können. – Setzen Sie wenigstens in jedem Falle bei mir den besten Willen der Welt voraus.
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