• Sophie Bernhardi to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: München · Place of Destination: Unknown · Date: 26.01.1809
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Sophie Bernhardi
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: München
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 26.01.1809
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 13‒14.
  • Incipit: „[1] München den 26ten Januar 1809
    Ich eile auf Ihren so freundschaftlichen Brief Ihnen theuerster Freund, nur einige Worte zu antworten, weil [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-5
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,20,7
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,9 x 12 cm
[1] München den 26ten Januar 1809
Ich eile auf Ihren so freundschaftlichen Brief Ihnen theuerster Freund, nur einige Worte zu antworten, weil meine Gesundheit mir das viele Schreiben nicht erlaubt. Das lezte große Unglück hat einen schrecklichen Einfluß auf meinen Körper gehabt, ich leide im beständigen Fieber, und mein Blut scheint es will aus allen Adern fliessen, dabei leide ich periodisch an einer völligen abwesenheit des Geistes, und meine Augen sind so geschwächt daß ich fast erblindet bin. Um mein Unglück zu vermehren liegt mein Bruder an der Gicht heftig kranck darnieder, und Knorring ist noch nicht hier. Sie sehen also wie übel meine Lage von allen Seiten ist, und wie Ihr Brief eine wahre Wohlthat für mich war, weil er mich von Ihrer fortwährenden Theilnahme überzeugte. Ich werde vieleicht gezwungen sein von Ihrem Anerbiethen Gebrauch zu machen [2] und deshalb an Hardenberg zu schreiben.
Ich glaube es wird für meine Gesundheit unumgänglich nöthig sein die Bäder in Pisa zu brauchen, meine Sehnsucht aber Sie wiederzusehen ist so groß, daß ich gewiß alles anwenden werde um nach Coppet zu kommen. Ich muß es jezt vermeiden über mein Schicksall viel zu denken weil ich sonst eine völlige Verwirrung des Verstandes befürchten muß. Daß ich von hier bald weg muß ist mein einziger unablässiger Gedancke und ich erwarte Knorring mit brennender Sehnsucht um darüber zu bestimmen. Wenn ich zum Fenster trete und sehe die Menschen von der Polizei auf der Straße gehen, welche in meinem Hause waren und mir meine Kinder entreißen wolten so meine ich, ich müßte verzweifeln. Ich kann mich selbst nicht mehr regieren, und fliehe alle Menschen, und suche Trost bei Gott, auch ohne ihn zu finden. Ich leide hier viel von Carrolinens alter Boßheit, die [3] im Grunde einen Triumpf über mein Elend hat; auch deshalb muß ich hier weg. Ich bin hier in meinem Schmerz einsam den[n] das mein Bruder kein Trost ist wissen Sie wohl, vielmehr ist der mit seiner Kranckheit und seinen herrischen Launen noch eine Plage mehr.
Oft möchte ich muthloß meine Seele sinken lassen, und mich gar nicht darum mehr kümmern, waß aus meinem Schicksall wird.
Ich wolte meinem Bruder schreiben, aber ich kann es nicht. ich bitte sagen Sie ihm daß, es wirden dan alle Bande des Schmerzes sich wieder lösen, und ich wirde mich in der Verzweiflung zerstöhren, den[n] alle Ärzte verlangen ja Ruhe. Nun ich werde ja endlich im Grabe ruhig sein, und mich gar nicht mehr regen.
Ich weiß nicht ob mein Bruder dort wird Geld haben oder nicht, wenn er etwaß hat, so soll er mir doch weissen feinen Zeug mitbringen baumwollen wie Sie Hemden tragen, denn wenn ich soll nach Coppet kommen, so muß ich einige Morgen[4]anzüge haben, doch wenn er nicht kann so ist es auch einerlei, mir kommen soll er jezt, sonst verdirbt er sich den guten Empfang beim Kronprinzen, wenn er noch länger ausbleibt. Ich könte Ihnen noch manches schreiben, wenn mir nicht alles und selbst das Leben gleichgültig wäre. Best ist jezt hier, und unterrichtet Felix. Er läßt sich Ihnen sehr empfehlen, und wird Ihnen nächstens selbst schreiben. Felix hat mit großer Anstrengung beiliegenden Brief geschrieben, er hat fast einen halben Tag daran gearbeitet. Grüßen Sie meinen Bruder sehr, ich hoffe sehnlich auf ihn. Gott gebe daß ich ihn bald wiedersehe. Wenn meine Seele ruhiger ist, will ich vieles und besser schreiben, heute quälen mich zerreißende Kopfschmerzen daß ich nicht weiter kann. Leben Sie wohl mein Freund, Gott bewahre Ihr Herz vor jeden Gram. Leben Sie wohl.
S[ophie] Tieck
[1] München den 26ten Januar 1809
Ich eile auf Ihren so freundschaftlichen Brief Ihnen theuerster Freund, nur einige Worte zu antworten, weil meine Gesundheit mir das viele Schreiben nicht erlaubt. Das lezte große Unglück hat einen schrecklichen Einfluß auf meinen Körper gehabt, ich leide im beständigen Fieber, und mein Blut scheint es will aus allen Adern fliessen, dabei leide ich periodisch an einer völligen abwesenheit des Geistes, und meine Augen sind so geschwächt daß ich fast erblindet bin. Um mein Unglück zu vermehren liegt mein Bruder an der Gicht heftig kranck darnieder, und Knorring ist noch nicht hier. Sie sehen also wie übel meine Lage von allen Seiten ist, und wie Ihr Brief eine wahre Wohlthat für mich war, weil er mich von Ihrer fortwährenden Theilnahme überzeugte. Ich werde vieleicht gezwungen sein von Ihrem Anerbiethen Gebrauch zu machen [2] und deshalb an Hardenberg zu schreiben.
Ich glaube es wird für meine Gesundheit unumgänglich nöthig sein die Bäder in Pisa zu brauchen, meine Sehnsucht aber Sie wiederzusehen ist so groß, daß ich gewiß alles anwenden werde um nach Coppet zu kommen. Ich muß es jezt vermeiden über mein Schicksall viel zu denken weil ich sonst eine völlige Verwirrung des Verstandes befürchten muß. Daß ich von hier bald weg muß ist mein einziger unablässiger Gedancke und ich erwarte Knorring mit brennender Sehnsucht um darüber zu bestimmen. Wenn ich zum Fenster trete und sehe die Menschen von der Polizei auf der Straße gehen, welche in meinem Hause waren und mir meine Kinder entreißen wolten so meine ich, ich müßte verzweifeln. Ich kann mich selbst nicht mehr regieren, und fliehe alle Menschen, und suche Trost bei Gott, auch ohne ihn zu finden. Ich leide hier viel von Carrolinens alter Boßheit, die [3] im Grunde einen Triumpf über mein Elend hat; auch deshalb muß ich hier weg. Ich bin hier in meinem Schmerz einsam den[n] das mein Bruder kein Trost ist wissen Sie wohl, vielmehr ist der mit seiner Kranckheit und seinen herrischen Launen noch eine Plage mehr.
Oft möchte ich muthloß meine Seele sinken lassen, und mich gar nicht darum mehr kümmern, waß aus meinem Schicksall wird.
Ich wolte meinem Bruder schreiben, aber ich kann es nicht. ich bitte sagen Sie ihm daß, es wirden dan alle Bande des Schmerzes sich wieder lösen, und ich wirde mich in der Verzweiflung zerstöhren, den[n] alle Ärzte verlangen ja Ruhe. Nun ich werde ja endlich im Grabe ruhig sein, und mich gar nicht mehr regen.
Ich weiß nicht ob mein Bruder dort wird Geld haben oder nicht, wenn er etwaß hat, so soll er mir doch weissen feinen Zeug mitbringen baumwollen wie Sie Hemden tragen, denn wenn ich soll nach Coppet kommen, so muß ich einige Morgen[4]anzüge haben, doch wenn er nicht kann so ist es auch einerlei, mir kommen soll er jezt, sonst verdirbt er sich den guten Empfang beim Kronprinzen, wenn er noch länger ausbleibt. Ich könte Ihnen noch manches schreiben, wenn mir nicht alles und selbst das Leben gleichgültig wäre. Best ist jezt hier, und unterrichtet Felix. Er läßt sich Ihnen sehr empfehlen, und wird Ihnen nächstens selbst schreiben. Felix hat mit großer Anstrengung beiliegenden Brief geschrieben, er hat fast einen halben Tag daran gearbeitet. Grüßen Sie meinen Bruder sehr, ich hoffe sehnlich auf ihn. Gott gebe daß ich ihn bald wiedersehe. Wenn meine Seele ruhiger ist, will ich vieles und besser schreiben, heute quälen mich zerreißende Kopfschmerzen daß ich nicht weiter kann. Leben Sie wohl mein Freund, Gott bewahre Ihr Herz vor jeden Gram. Leben Sie wohl.
S[ophie] Tieck
· Beiliegender Brief von/an A.W. Schlegel , [26. Januar 1809]
· Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
· Mscr.Dresd.App.2712,B,20,1
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