Gnädigster Herr!
Ew. Königl. Hoheit haben durch den Besuch im vorigen Sommer dem Schlosse von Coppet, ja der ganzen Schweiz ein kostbares unvergeßliches Andenken zurückgelassen. Es ist erhebend und tröstlich, bey einem großen Beruf den reinsten Adel der Gesinnung, die liebenswürdigste Wärme für alles Gute und Schöne, und ein ringsum ausströmendes Wohlwollen zu erblicken; und dieß alles mit herrlicher Jugendkraft ausgerüstet, welche noch auf eine späte Zukunft über diese stürmischen Zeiten hinaus wohlthätig zu wirken verheißt.
Was mich insbesondre betrifft, so bin ich stolz auf jeden Augenblick, den Ew. Königl. Hoheit unter bedeutenden Mittheilungen aus einem hellen Geist und offnen Gemüth mir schenkten, und die Zeilen, [2] welche das Wesen des wahren Genusses in so zarten Bildern darstellen, habe ich oft mit inniger Freude wieder gelesen.
Ein vortrefflicher Dichter, mit dem ich seitdem Bekanntschaft, ich darf beynah sagen, Freundschaft stiftete, und der das Glück gehabt hatte, auf der Reise durch die Schweiz mit Ew. Königl. Hoheit zusammenzutreffen, Werner, ist von der gleichen Verehrung für Sie durchdrungen, wie es wohl alle ächten Deutschen seyn müssen, denen es einmal zu Teil geworden, sich Ihnen persönlich nähern zu dürfen.
Werner hat mir viel schöne einzelne Gedichte, die ihm die Schweiz und Italien eingegeben, und Stücke aus seinen neueren dramatischen Hervorbringungen mitgetheilt. Ich glaube, unsre Bühne kann sich sehr viel von ihm versprechen, wenn sich nur nicht der Aufführung ausgezeichneter Werke immer so viel Hindernisse in den Weg stellten.
Von mir wünschte ich dieselbe Rüstigkeit rühmen zu können, indessen hoffe ich gegen Ende des Winters Ew. Königl. Hoheit einiges neue von meiner Arbeit zu Füßen zu legen.
Seit einiger Zeit ist mein Freund, der Bildhauer Tieck, bey uns, und hat die Büste der Frau von Stael und die meinige, wie mich dünkt mit sprechender Ähnlichkeit und meisterlich vollendet. Er denkt in kurzem nach Deutschland zu gehen, und zwar zuvörderst [3] das an Kunstschätzen so reiche München zu besuchen, wo er sich mit der Hoffnung schmeichelt, Ew. Königl. Hoheit unterthänigst aufwarten zu dürfen. Kaum wage ich es, Ihnen durch ihn meine Büste überreichen zu lassen. Aber unter dem Vorwande, dem Beschützer der deutschen Kunst ein in der That schätzbares Kunstwerk vor Augen zu bringen, mag der eigennützige Wunsch mit durchschlüpfen, bey Ew. Königl. Hoheit mein Andenken zu erneuern.
Als Ew. Königl. Hoheit die Gnade hatten, mich über die bisherigen Arbeiten des Bildhauers Tieck in dem Fache, worin Sie sammeln, den Bildnissen berühmter Deutschen, zu befragen, wußte ich außer dem von Goethe nur das von Wolf zu nennen. Er hat aber auch die Büsten von Herder und Voß verfertigt, welche bey einer Ausstellung in Weimar viel Beyfall gefunden haben.
Möge die von Ew. Königl. Hoheit begonnene Kunstsammlung zum Ruhme des deutschen Namens, in gutem Frieden und bey heiterm Muthe ihres Besitzers anhaltend gedeihen. In tiefster Ehrerbietung verharre ich
Ew. Königl. Hoheit
unterthänigster
A. W. Schlegel
Genf d. 24ten Dec. 1808
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