• Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Stuttgart · Place of Destination: Coppet · Date: 12.03.1810
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Stuttgart
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 12.03.1810
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 119‒121.
  • Incipit: „[1] Ihren Brief vom 19ten August v. Jahrs, werthester Freund, erhielt ich in Stuttgardt, kurze Zeit, nachdem ich Caroline verloren hatte. [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-7
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,24,7
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20,4 x 12,7 cm
    Language
  • German
[1] Ihren Brief vom 19ten August v. Jahrs, werthester Freund, erhielt ich in Stuttgardt, kurze Zeit, nachdem ich Caroline verloren hatte. Ich gestehe Ihnen, er weckte keine Empfindung bey mir, die mit den Gefühlen dieses Schmerzens und meiner Wehmuth verträglich war. Es war unmöglich ihn zu beantworten: doch hoffte ich, Sie kennen mich so weit, um mein Stillschweigen nicht als Feindseligkeit auszulegen.
Der Gedanke Ihres Briefs vom 21sten Febr., den ich, weil er hieher zurückgehen mußte, erst heute erhielt, war gleich auch der meinige gewesen; nur mußte ich, weil die Selige keinen lezten Willen zurückgelassen hatte und die Verfügung über Ihr Vermögen den Verwandten anheimfiel, erst diese darüber verständigen. Sie willigten ohne Umstände ein und bevollmächtigten mich, die Errichtung des Denkmals zu besorgen. Ich habe auch gleich mit Fr.[iedrich] Tiek deshalb Abrede genommen. Ihrer Idee über die Wahl der Sinnbilder stimme ich ganz bey und würde auch die Aufstellung in der Kirche unbedingt annehmen, sorgte ich nicht, daß der einfache Stein, der ihr Grab jetzt bezeichnet, leicht auf die Seite kommen und so in Kurzem die theure Stätte vielleicht unkenntlich werden möchte. – Doch läßt sich dem abhelfen. Da ich mich erst mit Ihnen [2] wegen der Idee des Denkmals zu benehmen dachte, so wollte ich mit Fr.[iedrich] Tiek, der auf dem Wege nach Italien in Kurzem hier durchzukommen meynte, alsdann erst die lezte Abrede nehmen. Ich weiß nun nicht, ob er etwa den Sommer noch dort bleibt, wie ich aus Ihrem Briefe schließe. Im Grunde wäre es für die Sache besser. Aus Würzburg habe ich noch die Antwort wegen des dort zu erwählenden Werkmeisters zu erwarten, der zugleich einen Überschlag der Kosten verfertigen soll. Erst dann kann ich mit Tiek förmlich accordiren, was ich doch gut finde; es ist freylich mit seiner Saumseligkeit eine schlimme Sache; indeß er war einmal dazu bestimmt und so möchte ich hieran nichts abändern. Ich bitte Sie nur, das Geld zu meiner Disposition zu stellen, indem ich die Berechnung desselben gegen die Verwandten übernommen habe. In Rücksicht auf diese werden Sie wohl auch die jährlichen Interessen, die wenn ich nicht irre, von 1802. an laufen, dazuschlagen müssen.

Das Schicksal führt Sie nun also auch hinweg – so weit von Ihren Freunden und Bekannten! Doch hoffentlich nur auf kurze Zeit? Es ist traurig zu denken, wie alles auseinandergeht und auseinandergegangen ist. Ich hoffte immer noch, Sie bald wieder, vielleicht diesen [3] Sommer, wenn auch nicht in Coppet doch in der Schweiz zu sehen, denn um einen alten Bekannten zu sprechen wären Sie ja doch wohl eine Strecke weit gekommen? Gott geleite Sie unde bringe Sie wieder glücklich herüber!

Sie fragen nach meiner Stimmung, meinem Befinden. Die Stimmung können Sie sich denken; der Schmerz über das Vergangene löst sich in unaussprechliche Sehnsucht nach dem Zukünftigen auf. – Mein Befinden ist leidlich, seit ich wieder hier bin. Ich mußte nach München zurück, wo alles in dem Zustand zurückgeblieben war, wie beym Antritt einer Reise, von der man in 1½ Monaten zurückzukehren gedenkt. Seit Ende Januar bin ich wieder hier und lebe im Kreise meiner Verwandten und alter Freunde wenigstens besser als dort. Auch bleibe ich hier wenigstens bis in May. – Meine noch übrige Absicht ist, das Eine zu vollenden, von dem Sie wissen, wovon auch das Allgemeine und einiges Einzelne vorbereitet ist und worüber ich gern noch mit Ihnen gesprochen hätte.

Daß Hülsen seitdem auch hingegangen ist, wußte ich nicht und war mir um so rührender, als ich wenige Tage nach Carolinens Hinscheiden einen Brief von ihm erhielt, worinn er mich dringend [4] einlud, in Halle bey Steffens mit ihm zusammenzukommen und auch meine Frau mitzubringen. – Haben Sie von den Umständen ihres Hinscheidens durch andre etwas gehört? Ich weiß nicht, ob ich im Stande seyn würde, sie niederzuschreiben und vieles läßt sich nur mündlich mittheilen. Es war in allen Umständen ein wunderbarer Tod und non sine numine divo, wenn gleich, leyder! die Veranlassung nur zu natürlich war.

Leben Sie wohl, theurer Freund; schreiben Sie mir wenigstens noch Einmal wieder vor Ihrer Abreise: seyn Sie meiner unverbrüchlichen Freundschaft und Theilnahme an Ihrem Wohlergehen versichert.
Sch.[elling]

N. S. Darf ich Sie bitten, Frau von Stael meine Verehrung zu bezeugen?
Sie versprachen mir, glaube ich, Ihre dramat.[urgischen] Vorlesungen. Auf den Fall, daß Sie dem Verleger Ordre dazu gegeben, bemerke ich, daß ich sie nicht von ihm erhalten habe. Er ist in dergleichen überhaupt nachläßig.
Sagen Sie mir doch (ich bitte) mit wenigen Worten Ihre Gesinnung über die Wahlverwandtschaften!
Stuttgardt d. 12. März. 1810.
(im Stadt-Uhr-Macher
Widmannʼschen Hause)
Schelling.
[1] Ihren Brief vom 19ten August v. Jahrs, werthester Freund, erhielt ich in Stuttgardt, kurze Zeit, nachdem ich Caroline verloren hatte. Ich gestehe Ihnen, er weckte keine Empfindung bey mir, die mit den Gefühlen dieses Schmerzens und meiner Wehmuth verträglich war. Es war unmöglich ihn zu beantworten: doch hoffte ich, Sie kennen mich so weit, um mein Stillschweigen nicht als Feindseligkeit auszulegen.
Der Gedanke Ihres Briefs vom 21sten Febr., den ich, weil er hieher zurückgehen mußte, erst heute erhielt, war gleich auch der meinige gewesen; nur mußte ich, weil die Selige keinen lezten Willen zurückgelassen hatte und die Verfügung über Ihr Vermögen den Verwandten anheimfiel, erst diese darüber verständigen. Sie willigten ohne Umstände ein und bevollmächtigten mich, die Errichtung des Denkmals zu besorgen. Ich habe auch gleich mit Fr.[iedrich] Tiek deshalb Abrede genommen. Ihrer Idee über die Wahl der Sinnbilder stimme ich ganz bey und würde auch die Aufstellung in der Kirche unbedingt annehmen, sorgte ich nicht, daß der einfache Stein, der ihr Grab jetzt bezeichnet, leicht auf die Seite kommen und so in Kurzem die theure Stätte vielleicht unkenntlich werden möchte. – Doch läßt sich dem abhelfen. Da ich mich erst mit Ihnen [2] wegen der Idee des Denkmals zu benehmen dachte, so wollte ich mit Fr.[iedrich] Tiek, der auf dem Wege nach Italien in Kurzem hier durchzukommen meynte, alsdann erst die lezte Abrede nehmen. Ich weiß nun nicht, ob er etwa den Sommer noch dort bleibt, wie ich aus Ihrem Briefe schließe. Im Grunde wäre es für die Sache besser. Aus Würzburg habe ich noch die Antwort wegen des dort zu erwählenden Werkmeisters zu erwarten, der zugleich einen Überschlag der Kosten verfertigen soll. Erst dann kann ich mit Tiek förmlich accordiren, was ich doch gut finde; es ist freylich mit seiner Saumseligkeit eine schlimme Sache; indeß er war einmal dazu bestimmt und so möchte ich hieran nichts abändern. Ich bitte Sie nur, das Geld zu meiner Disposition zu stellen, indem ich die Berechnung desselben gegen die Verwandten übernommen habe. In Rücksicht auf diese werden Sie wohl auch die jährlichen Interessen, die wenn ich nicht irre, von 1802. an laufen, dazuschlagen müssen.

Das Schicksal führt Sie nun also auch hinweg – so weit von Ihren Freunden und Bekannten! Doch hoffentlich nur auf kurze Zeit? Es ist traurig zu denken, wie alles auseinandergeht und auseinandergegangen ist. Ich hoffte immer noch, Sie bald wieder, vielleicht diesen [3] Sommer, wenn auch nicht in Coppet doch in der Schweiz zu sehen, denn um einen alten Bekannten zu sprechen wären Sie ja doch wohl eine Strecke weit gekommen? Gott geleite Sie unde bringe Sie wieder glücklich herüber!

Sie fragen nach meiner Stimmung, meinem Befinden. Die Stimmung können Sie sich denken; der Schmerz über das Vergangene löst sich in unaussprechliche Sehnsucht nach dem Zukünftigen auf. – Mein Befinden ist leidlich, seit ich wieder hier bin. Ich mußte nach München zurück, wo alles in dem Zustand zurückgeblieben war, wie beym Antritt einer Reise, von der man in 1½ Monaten zurückzukehren gedenkt. Seit Ende Januar bin ich wieder hier und lebe im Kreise meiner Verwandten und alter Freunde wenigstens besser als dort. Auch bleibe ich hier wenigstens bis in May. – Meine noch übrige Absicht ist, das Eine zu vollenden, von dem Sie wissen, wovon auch das Allgemeine und einiges Einzelne vorbereitet ist und worüber ich gern noch mit Ihnen gesprochen hätte.

Daß Hülsen seitdem auch hingegangen ist, wußte ich nicht und war mir um so rührender, als ich wenige Tage nach Carolinens Hinscheiden einen Brief von ihm erhielt, worinn er mich dringend [4] einlud, in Halle bey Steffens mit ihm zusammenzukommen und auch meine Frau mitzubringen. – Haben Sie von den Umständen ihres Hinscheidens durch andre etwas gehört? Ich weiß nicht, ob ich im Stande seyn würde, sie niederzuschreiben und vieles läßt sich nur mündlich mittheilen. Es war in allen Umständen ein wunderbarer Tod und non sine numine divo, wenn gleich, leyder! die Veranlassung nur zu natürlich war.

Leben Sie wohl, theurer Freund; schreiben Sie mir wenigstens noch Einmal wieder vor Ihrer Abreise: seyn Sie meiner unverbrüchlichen Freundschaft und Theilnahme an Ihrem Wohlergehen versichert.
Sch.[elling]

N. S. Darf ich Sie bitten, Frau von Stael meine Verehrung zu bezeugen?
Sie versprachen mir, glaube ich, Ihre dramat.[urgischen] Vorlesungen. Auf den Fall, daß Sie dem Verleger Ordre dazu gegeben, bemerke ich, daß ich sie nicht von ihm erhalten habe. Er ist in dergleichen überhaupt nachläßig.
Sagen Sie mir doch (ich bitte) mit wenigen Worten Ihre Gesinnung über die Wahlverwandtschaften!
Stuttgardt d. 12. März. 1810.
(im Stadt-Uhr-Macher
Widmannʼschen Hause)
Schelling.
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