Mit Freuden ergreife ich die Gelegenheit welche Herrn Haydeʼs Abreise mir darbietet, Sie einmal wieder aus Deutschland zu begrüßen. Seit meiner langen Abwesenheit habe ich mit lebhafter Theilnahme alle Nachrichten, die mir von Ihrem Befinden und Ihren Beschäftigungen zukamen, aufgenommen; und so war es mir doppelt willkommen bey meiner Ankunft hier von Hrn. von Seckendorf und Dr. Stoll die Versicherung zu hören, daß Ihre Gesundheit sich wieder sehr befestigt habe, und in dem Anfang Ihres Prometheus einen so überraschenden Beweis der regsten jugendlichen Dichterkraft kennen zu lernen.
Hofrath Eichstädt hat mir den schmeichelhaften Vorschlag gethan, von der neuen Ausgabe Ihrer Werke eine Anzeige in der A. L. Zeitung zu machen. Leider habe ich bis jetzt noch nicht einmal auf seinen Brief antworten können, den ich in der Unruhe vor meiner Abreise aus der Schweiz empfing. Mit dem größten Vergnügen würde ich diesen Auftrag übernehmen, wenn ich die hinzugefügte Bedingung die Arbeit schleunig zu liefern erfüllen könnte. Allein dazu sehe ich mich auch jetzt nicht im Stande: ich bin hier in einem unaufhörlichen Wirbel von Störungen und Zerstreu[2]ungen befangen, und eine solche Arbeit will doch in guter Stimmung gemacht seyn. Ich muß also fürchten, daß mir jemand dabey zuvorkommt.
Im Frühlinge hoffe ich Sie in Weimar zu sprechen, dann wollen wir mehreres verabreden. Gewiß gewinne ich in diesem Sommer Muße, mehr für Ihre Literatur-Zeitung zu arbeiten als bisher. Überdieß giebt mir mein jetziger Besuch in Deutschland Gelegenheit, die neuern Erscheinungen, gelungnen und misglückten Versuche aus der Nähe kennen zu lernen, damit ich doch auch mitreden kann, ohne für altfränkisch zu gelten.
Ich habe von Zeit zu Zeit Ihnen mein Andenken zu erneuern gesucht, durch meinen Brief über die Künstler in Rom, durch die Elegie über Rom, u neuerdings durch meine französische Flugschrift über die Phädra von Racine, welche an Sie zu besorgen ich dem Verleger angelegentlich aufgetragen habe. Diese letzte habe ich vermöge einer an mich ergangenen Ausfoderung und beynahe zum Scherze geschrieben; bey den französischen Kritikern hat sie nur einige seltsame Verzuckungen verursacht, die sich mehr oder weniger die Miene von Gedanken geben oder darauf Verzicht leisten. Nur in Deutschland darf ich erwarten, ein einsichtsvolles Wort darüber zu hören, und Hofrath Eichstädt hat mir dazu von Ihnen Hoffnung gemacht.
[3] Frau von Stael trägt mir auf, Sie angelegentlich von ihr zu grüßen. Sie rechnet darauf, bey ihrer Rückreise, Sie im May in Weimar zu finden, sonst würde sie ihren Zweck bey dem Umwege, den sie alsdann zu machen gedenkt, zur Hälfte verfehlen. Seit Corinna erschienen ist sie wieder lebhaft mit ihrem Plan, etwas über die deutsche Literatur zu schreiben, beschäftigt.
Leben Sie recht wohl auf glückliches Wiedersehen, und gedenken Sie meiner im guten.
AWSchlegel
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