Mein geliebtester Bruder,
Ich habe schon recht lange sehnsuchts voll auf einen Brief von dir geharret, aber vergebens, es war noch lange vor Weihnachten daß ich dir schrieb, es war so manche Familien nachricht darinnen und ich glaubte immer ich würde bald ein paar Zeilen darauf erhalten, Theils kann dir etwas begegnet seyn, du kannst krank geworden seyn, denn wer bringt uns davon hier Kunde da wir niemanden in deiner Gegend kennen, doch fürchte ich dieß am Wenigsten, du lebst thätig, im Genuß aller Bequemlichkeiten sorgenfrey, gewiß auch regelmäßig, wo sollte dir da die Krankheit kommen. Aber bist du über etwas misvergnügt mit uns das ist eine zweyte Frage, ich kann mir zwar nicht denken wo mit, doch beunruhigt mich dieser Gedanke sehr, und lieber Bruder hebe mir diese Sorge bald, denn deine Liebe kann ich wirklich nicht entbehren. Dich noch einmal in diesem Leben zu sehen ist der Wunsch mit dem ich mich beständig herumtrage, aber wie ist er möglich zu machen? Unsere Lage erlaubt mir es nicht solche Eingriffe in unsrem Geldbeutel zu thun, sonst müßte mein Mann einmal auf 4 Wochen Urlaub nehmen, und wir kämen mir nichts dir nichts zu dir. Und ich sehe mit meinen eignen Augen den herrlichen Fleck auf den du lebst, da aber das nicht geht, so komm doch zu uns [2] eine solche Hauptunterbrechung, bey einem so trocknen und ernsthaften Studium, ist gewiß sehr heilsam, und Tiek der alle weile hier auch in einer recht glücklichen Lage lebt würde dich mit offnen Armen empfangen. Ich würde mich ordentlich ansaugen an deiner Unterhaltung, und dir wo ich könnte nachgehen um dich nur sprechen zu hören. Ueberlege es doch einmal recht, Jetzt macht Tiek eigentlich eine Theaterreise mit dem H. von Lüttichau der der chef vom Theater departement ist, er hatte ein großes apetitchen zu dir, doch glaube ich liegt es zu sehr aus dem Wege um es möglich zu machen, da die Reise auf königliche Kosten geht. Jetzt ist er in Wien gewesen was mir wegen meines Gustchens sehr wichtig war. Nun auf meine auseren Verhältniße liebster Bruder, ich habe manche Sorgen und Bekümmerniß, die Eine Wunde ist unheilbar daß wir unser Gustchen mit allen unsern Bestrebungen nicht glücklich machen können, doch bewährt sich dieses Kind in allen Lagen ihres Lebens wie Gold. Was mit Klugheit geschehen kann die Lage zu erleichtern, was sich aber zugleich mit dem moralischen, und Menschenliebenden Gefühl verträgt soll gewiß geschehen, doch aber von diesem letzteren weiche ich nicht denn ich fühle zu sehr, daß mein unverletzter Frieden der Seelen, mich durch alles Bedräng[3]niß glücklich durchführen kann. Daß Buttlar catholisch geworden habe ich dir geschrieben für ihn selbst ist es gut, wenigstens scheint er nun eifrig zu seyn, ein moralisch guter Mensch werden zu wollen. Gustchen bleibt fest bey unsern Glauben, und ich habe Ursache zu glauben daß sie nie Catholisch werden wird welches uns auch ganz niederschmetternd seyn würde. Sie wollten dieß Frühjahr nach Florenz, aber leider hat dieses nicht vor sich gehen können, wegen meines Schwiegersohns, der berühmte Arzt Malfatti hat Buttlarn in großer Gefahr erklärt, und eine Reise im Süden gänzlich verboten, er hat ihn jetzt in der Cur und hoft ihn noch herzustellen, er glaubt nämlich nach medicinischen Wahrnehmungen, daß er in Gefahr einer Verstandes Zerrüttung wahrzunehmen sey, mein Bruder behauptet zwar daß kein äußeres Sympton in seinem Benehmen davon da, daß er vielmehr mit ihm zufrieden und er sich sehr ruhig betrage. Ich glaube aber das Gegentheil, daß nämlich schon früher ein Anfang dazu statt gefunden, und hieraus ist nur allein sein Benehmen zu erklären. Malfatti will eine zurückgeworfne Schärfe die auf die Gehirns nerven ruht, wieder äußerlich treiben, er soll das Schwefelbad gebrauchen. Jetzt hat er Einreibungen, nach seinen letzten Briefen wäre er seitdem in einer [4] gänzlichen Schlaflosigkeit verfallen, Gott möge ihm Geduld geben! – Ach Gott gebe sie uns allen. Die Sache wird äußerst geheim behandelt, aber Gustchen mag genug davon ahnden, sie klagt über nichts, aber man sieht es ihr an daß sie leidet, wenn ihre Gesundheit nur nicht angegriffen wird, sie komt mir schwächlicher vor. Gustchen macht vil Glück in Wien ohne alles fremde Zuthun Eine Fürstinn Esterhazy und eine Fürstinn Auersbach protegiren sey sie, Worüber sich meine Schwiegerinn nicht genug wundern kann da es ihr mit die Veiths bey aller Mühe nicht geglückt, eine kleine composition haben die Fürstinn Aeu vier vornehme Damen haben wollen, um sich zu vereinigen haben sie das Looß drum gezogen und eine Fürstinn Esterhazy hat es gewonnen. Eine Gräfinn Sophie Zichy hat sich darauf in eben der größe wie die kleine Madonna malen laßen, dieß muß abe[r] alles übereilt fertig seyn und ich fürchte sie greift sich zu sehr an, Doch giebt es ihr auf die andere Seite Zuversicht zu sich selbst. Und mir macht es innige Freude daß sie noch aller wegens wo sie gewesen, mit Liebe und Wohlwollen behandelt worden ist, und einen günstigen Eindruck gemacht. Wenn sie [5] dir nicht so oft schreibt, als du glaubst daß sie sollte so schreibe das ihrer beengten Lage zu. Wie ihr in innerm Herzen zu Muthe ist, kann sie uns allen nicht schreiben, und so verschließt sie sich in sich selbst, ich ahnde es aber was in diesem Herzen vorgeht! Der Mann hat es sich von jeher emparirt alle ihre Briefe die sie schreibt zu und bekomt zu lesen, er ist von einer äußerst argwöhnischen Natur, was bleibt ihr da zu schreiben? Wenigstens wenn es von Herzen gehen soll. Was wir für Umwege brauchen müßten um nur ein paar Zeilen an unser einziges Kind gelangen zu laßen, und von ihr zu erhalten ist zum Erbarmen. Und doch haben wir nur auf diese Umwege die Beruhigung erlangen können, daß ihr nicht zugesetzt wird, in einen andern ReligionsBund zu treten, Friedrich und seine Frau halten ihr Wort, und so fällt doch nun wenigstens die Beängstigung weg sie in Wien zu wissen Sie fühlt sich übrigens wohl bey meinem Bruder, seine ud ihre Liebe, ud Sorge für sie, rühret sie sehr. Ich kann nun nicht mehr thun, als die Sache gehen laßen, alle Gewaltsame Eingriffe könnten jetzt sehr üble Folgen haben, und ich würde mir Vorwürfe machen, durch irgend eine unzeitige Anregung, eine unglückliche Catastrophe bey diesen Mann hervor zu bringen. Gustchen hat dir noch etwas dazu malen wollen wenn sie Dir ihren Palma vecchio wieder [6] schickt doch wird sie wohl durch ihre vilen Geschäfte fürs Erste daran verhindert werden. Ich habe eine wahre Sehnsucht sie wieder zu sehen wenn es aber nicht allein geschehen kann, so ist es beßer es bleibt. Buttlars catholisch werden hat uns in eine sehr epineuse Lage gesetzt mit der catholischen Geistlichkeit, verderben dürfen wir es nicht, unsrer Verhältniße wegen und auch könnte wohl einmal die Lage kommen daß wir selbst von ihnen Schutz zu erwarten hätten, in Ansehung Buttlars; eben so wenig kann ich meine Aufrichtigkeit gefährden, daß ich mich mit aller Kraft oponiren würde, wenn sie unsre Enkelchen nehmen wollten um catholisch zu werden, habe ich geäußert glücklicherweise ist der Bruder des Bischoffs der vil Gewalt über den König hat, wenn schon ein Jesuit ein sehr braver Mann der portirt sich für uns, und ich glaube er meynt es aufrichtig gut mit uns. Wir müssen nun mit stiller Ergebung alles abwarten. – – Wenn du nun bald ein paar Worte von dir hören läßt, lieber Bruder so werde ich dir einmal einen expreßen Brief über die Minna schreiben. Die Leiden und Freuden der Minna Büchting doch ist das sehr geheim, sowohl wenn sich die Freuden realisiren sollten, als wenn sie wieder evaporiren hier ist es bis jetzt gut gegangen, jetzt hatte ich nun freylich den Zügel nicht, da ich in Pillnitz bin, und sie in Dresden, doch hat die Rehbergen recht wenn sie sie ein leichtes Seelchen nennt. Dichtest du denn gar nicht mehr? ich lese deine Gedichte jetzt mit innigem Entzücken, noch heute habe ich ein herrliches an Novalis gelesen. Deine dich zärtlich liebende Schwester
Charlotte Ernst.
[7] Nehmen Sie, verehrtester Herr Bruder, auch von meinem, Ihrer Freundschaft und Liebe gewidmeten Herzen, innige Wünsche für Ihr ungestörtes Wohlbefinden an. Ihr ergebenster
L. Emmanuel Ernst.
[8] An
Sr des Herrn Professors
Herrn August Wilh. von Schlegel
Hochwohlgeb.
in
Bonn,
am Rheine.
frei bis Leipzig.