• Sophie Bernhardi to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Heidelberg · Place of Destination: Bonn · Date: 03.08.1821
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Sophie Bernhardi
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Heidelberg
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 03.08.1821
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 372‒375.
  • Incipit: „[1] Heidelberg den 3ten August 1821.
    Ihr Brief theuerster Freund, erregte uns allen eine so lebhafte Freude daß ich ihn gern sogleich [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-33958
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.13,Nr.27
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 26,3 x 21,4 cm
    Language
  • German
[1] Heidelberg den 3ten August 1821.
Ihr Brief theuerster Freund, erregte uns allen eine so lebhafte Freude daß ich ihn gern sogleich beantwortet hätte, aber ich bin in der That seit einigen Wochen so unwohl, und leide so abscheulich an Kopfschmerzen, und dem beinahe gänzlichen Erblinden, daß ich alles Schreiben aufgeben mußte. Bei meinem eigenen Übelbefinden, war es mir doppelt erfreulich, Sie in vollkommener Gesundheit, und heiter und zufrieden zu wissen. Sie haben recht alle unangenehmen Erinnerungen weit von sich zu thun, und ich beneide Jedermann um die Kraft der Seele, der es vermag. Doch glaube ich wird in der Regel allen Männern es leichter diese Kraft auszuüben als den Frauen, und Sie besonders haben doppelt recht Ihr Leben nicht dadurch trüben zu lassen, wenn Sie Hoffnungen wieder aufgeben müssen, die Ihnen erregt wurden. Da Sie selbst eine Begebenheit erwähnen die Ihnen kränkend ist, so glaube ich auf die Erwähnung erwiedern zu müssen, daß ich zwar im Allgemeinen davon gehört habe, doch mit allen Details verschont worden bin, weil ich geglaubt habe es Ihnen, theurer Freund, schuldig zu sein, meinen Umgang so einzurichten, daß ich durchaus in keine Berührung mit Personen gekommen hin, die sich vieleicht berufen gefühlt hätten sich über Ihre Angelegenheiten feindseelig zu äußern.
Es freut mich noch aus einem andern Grunde, daß Sie theuerster Freund Begebenheiten die ihnen schmerzlich sind überwinden und vergessen können. Knorring ist so entzückt von der hiesigen Gegend daß es sein liebster Wunsch ist sich in dieser reitzenden Umgebung vollkommen einheimisch zu fühlen, und ich glaube daß wir hier in der Nähe ein Gut kaufen werden, wo wir dan grossentheils leben würden, etwa eine halbe Stunde von Heidelberg. Äusserst schmerzhaft würde es uns nun sein, wenn Sie einen so grossen Abscheu vor der hiesigen Gegend bekommen hätten, daß wir gar nicht darauf rechnen könten, Sie einmal bei uns, in unserm Hause zu sehen, denn ich gestehe daß wir uns darauf so lange und so herzlich gefreut haben, daß wir nur mit der innigsten Betrübniß dieser Hoffnung entsagen [2] würden. Ich bitte Sie mir darüber frei und unverhohlen Ihre Ansicht mitzutheilen. Es war uns sehr kränkend theuerster Freund unsern Plan aufzugeben Sie diesen Herbst in Bonn zu besuchen. Nach einer so langen Trennung wie viel hätten wir einander mitzutheilen, und wie schnel würde die Lüke wieder ausgefüllt sein, die eben dadurch entstanden ist daß wir nicht Schrit vor Schrit gegenseitig unser Leben begleitet haben, die alte brüderliche Treue, die zärtliche reine Freundschaft würde sogleich wieder ihr altes Recht behauptet haben, und wir ständen uns wieder so nahe wie ehedem. Aber leider müssen wir diesen Plan für dies Jahr verschieben, und können unsere herzlichen Wünsche erst im künftigen Sommer befriedigen. Wir haben im vergangenen Jahr durch den lezten Aufenthalt in Petersburg und durch die Reise hieher so abscheulich viel Geld verbraucht daß wir bis zum Winter bedrängt sind. Lassen Sie uns also theurer Freund, während dieser Zeit uns wenigstens öfter schreiben, damit doch das Gefühl lebendig erhalten wird, daß wir einander noch werth sind, und daß diese Freundschaft einen Theil der Glückseeligkeit unseres Lebens ausmacht. Ich brauche dies Wort weil es die Empfindung meiner Seele ausdrückt, und Sie theurer Freund, haben mich dessen ehedem so oft versichert, und es war Ihnen damals so heilig ernst mit dieser Versicherung, daß ich glaube Sie werden sich dabei der vergangenen Zeit, und vieleicht auch der Emp[f]indung erinnern.
Ich bitte Sie sehr nehmen Sie dies mein theurer Freund, für keine Bitterkeit, es ist nur eine wehmühtige Empfindung die mich wieder Willen ergreift, und die durch die traurige Betrachtung erregt wird, daß auch die edelsten die besten Menschen sich nicht ganz frei halten können vom Einfluß der Zeit und Umstände. Auch ich mein theurer Freund habe manche Erfahrungen gemacht und das Leben von mancherlei Seiten zu betrachten Gelegenheit gehabt, diese Betrachtungen haben mich belehrt daß die Menschen in der Regel weit schlimmer und giftiger sind als mann in der Jugend träumt, und darum sucht mein Herz mit ängstlicher Zärtlichkeit die wenigen übrigen Freunde der Jugend zu erhalten, wie mir [3] auch eben diese Erfahrungen eine Scheu geben neue freundschaftliche Verbindungen zu schliessen. Sie werden es diesem Brief anfühlen daß ich noch krank bin. Ich möchte sagen meine Seele ist von den vielen Schmerzen ermüdet die ich seit einiger Zeit erlitten habe.
Ich würde es mit rechter Danckbarkeit erkennen wenn Sie mir die Hefte Ihrer Indischen Bibliothek zukommen li[e]ssen, ich kenne noch nichts davon, wie ich überhaupt manches in Deutschland wieder nachhohlen muß waß ich in Rusland versäumt habe. Ich begreife wohl daß die Forschungen denen Sie jezt Ihr Leben gewidmet haben vom höchsten Interesse sind, aber ich kann es dennoch nicht unterlassen zu beklagen daß Sie sich wie ich glaube dadurch von der vaterländischen Litteratur abwenden. Wie viel Sie für deutsche Sprache und Poesie gethan haben, wird erst in seinem ganzen Umfang die Nachwelt zu würdigen wissen.
Mein Bruder Friedrich hat sich oft selbst gegen mich angeklagt daß er Ihnen in langer Zeit nicht geschrieben hat, ich glaube er arbeitet zu fleissig in Berlin, ich sahe ihn bei meiner Durchreise in Dresden nur einen Tag, und habe das innigste Verlangen mit diesem geliebten Bruder doch wenigstens auf eine kurze Zeit einmal wieder vereinigt zu sein. Er hat mir schon früher geschrieben daß er Ihre Büste in Marmor ausführt, und mir selbst einmal eine Kopie davon versprochen. Ich habe meinem Bruder Friedrich Flore und Blanscheflur nach Berlin geschickt, und warte nun sehnlich auf Antwort ob er einen Verleger dafür gefunden hat. Ich bitte Sie um die Güte mir zu melden ob Sie in dem Fall daß es dort nicht gedruckt würde, sich die Mühe geben wollten an einen Buchhändler deshalb zu schreiben. Ich habe kein Geschick zu dergleichen, und Knorring vollends gar nicht, zugleich bitte ich Sie mir diese Zumuhtung zu verzeihen.
Ich glaube mein Bruder Ludwig arbeitet an Mancherlei, er theilte mir bei meiner Durchreise einiges von seinen Arbeiten mit, und ich glaube Sie würden meiner Meinung sein, daß eine grössere Reife des Geistes, als in seinen früheren Sachen, bemerkbar ist, doch glaube ich vermisst mann dagegen ungern die heitere poetische Frische der [4] älteren Gedichte. Kurz mann fühlt in jedem Sinn, im guten so wohl als in dem gewöhnlichen daß der Poet älter geworden ist.
Ich glaube wenn wir einmal wieder beisammen sind, so werden Sie mir das Zeugnis geben, daß auch ich soviel es möglich ist die Jugend der Seele bewahrt habe, wenn ich auch die körperliche muß scheiden sehen. Ja ich kann es nicht lassen mich selbst zuweilen mit Ironie zu betrachten. Sie erinnern sich vieleicht noch des Abscheus den mir immer dike Gestalten erregten, und zur Strafe für diesen Abscheu muß ich nun an mir selbst erleben daß ich dik werde, und dies beweißt mir am deutlichsten daß jeder Mensch seinem Schicksall erliegen muß, denn nicht kein Abscheu gegen diesen Zustand, nicht Krankheit, nicht Kummer kann mich davor bewahren. Knorring hat sich am besten gehalten er sieht noch beinahe aus wie sonst, und ist noch so gesund wie immer. Über Felix glaube ich werden Sie in mancher Rüksicht Freude haben, er ist gewiß einer von den jungen Leuten, von denen sich viel hoffen läßt, und ich mag nur nicht viel von ihm schreiben um nicht in die Ruhmredigkeit der Mutter zu verfallen, aber ich freue mich unendlich darauf einmal ihr Urtheil über ihn zu hören. Ich habe ihm nicht gerathen Ihnen zu schreiben, es ist für einen jungen Menschen schwer an jemand zu schreiben, mit dem er in der Fantasie immer vertraut geblieben ist, und der ihm persöhnlieh fremd geworden ist, gar zu leicht wird dan ein solcher Brief entweder kalt und steif, oder anmassend, und ich mag Ihnen Felix nicht in einem so nachtheiligen Lichte zeigen. Es ist besser daß Sie ihn erst wiedersehen, und ich grüße Sie nur von ihm mit herzlicher Zärtlichkeit. Knorring wünscht von Herzen Sie mit Brüderlicher Freundschaft bald zu umarmen, und bittet Sie ihn in lebendigen Andenken zu behalten.
Nächstens will ich Ihnen wenn es Sie interessirt manches über meine Arbeiten mittheilen. Antworten Sie mir bald es ist gar zu traurig sich im grunde so nahe zu sein, und so wenig von einander zu hören. Leben Sie wohl und glüklich.
Unveränderlich
die Ihrige
S[ophie] v[on] Knorring.
[1] Heidelberg den 3ten August 1821.
Ihr Brief theuerster Freund, erregte uns allen eine so lebhafte Freude daß ich ihn gern sogleich beantwortet hätte, aber ich bin in der That seit einigen Wochen so unwohl, und leide so abscheulich an Kopfschmerzen, und dem beinahe gänzlichen Erblinden, daß ich alles Schreiben aufgeben mußte. Bei meinem eigenen Übelbefinden, war es mir doppelt erfreulich, Sie in vollkommener Gesundheit, und heiter und zufrieden zu wissen. Sie haben recht alle unangenehmen Erinnerungen weit von sich zu thun, und ich beneide Jedermann um die Kraft der Seele, der es vermag. Doch glaube ich wird in der Regel allen Männern es leichter diese Kraft auszuüben als den Frauen, und Sie besonders haben doppelt recht Ihr Leben nicht dadurch trüben zu lassen, wenn Sie Hoffnungen wieder aufgeben müssen, die Ihnen erregt wurden. Da Sie selbst eine Begebenheit erwähnen die Ihnen kränkend ist, so glaube ich auf die Erwähnung erwiedern zu müssen, daß ich zwar im Allgemeinen davon gehört habe, doch mit allen Details verschont worden bin, weil ich geglaubt habe es Ihnen, theurer Freund, schuldig zu sein, meinen Umgang so einzurichten, daß ich durchaus in keine Berührung mit Personen gekommen hin, die sich vieleicht berufen gefühlt hätten sich über Ihre Angelegenheiten feindseelig zu äußern.
Es freut mich noch aus einem andern Grunde, daß Sie theuerster Freund Begebenheiten die ihnen schmerzlich sind überwinden und vergessen können. Knorring ist so entzückt von der hiesigen Gegend daß es sein liebster Wunsch ist sich in dieser reitzenden Umgebung vollkommen einheimisch zu fühlen, und ich glaube daß wir hier in der Nähe ein Gut kaufen werden, wo wir dan grossentheils leben würden, etwa eine halbe Stunde von Heidelberg. Äusserst schmerzhaft würde es uns nun sein, wenn Sie einen so grossen Abscheu vor der hiesigen Gegend bekommen hätten, daß wir gar nicht darauf rechnen könten, Sie einmal bei uns, in unserm Hause zu sehen, denn ich gestehe daß wir uns darauf so lange und so herzlich gefreut haben, daß wir nur mit der innigsten Betrübniß dieser Hoffnung entsagen [2] würden. Ich bitte Sie mir darüber frei und unverhohlen Ihre Ansicht mitzutheilen. Es war uns sehr kränkend theuerster Freund unsern Plan aufzugeben Sie diesen Herbst in Bonn zu besuchen. Nach einer so langen Trennung wie viel hätten wir einander mitzutheilen, und wie schnel würde die Lüke wieder ausgefüllt sein, die eben dadurch entstanden ist daß wir nicht Schrit vor Schrit gegenseitig unser Leben begleitet haben, die alte brüderliche Treue, die zärtliche reine Freundschaft würde sogleich wieder ihr altes Recht behauptet haben, und wir ständen uns wieder so nahe wie ehedem. Aber leider müssen wir diesen Plan für dies Jahr verschieben, und können unsere herzlichen Wünsche erst im künftigen Sommer befriedigen. Wir haben im vergangenen Jahr durch den lezten Aufenthalt in Petersburg und durch die Reise hieher so abscheulich viel Geld verbraucht daß wir bis zum Winter bedrängt sind. Lassen Sie uns also theurer Freund, während dieser Zeit uns wenigstens öfter schreiben, damit doch das Gefühl lebendig erhalten wird, daß wir einander noch werth sind, und daß diese Freundschaft einen Theil der Glückseeligkeit unseres Lebens ausmacht. Ich brauche dies Wort weil es die Empfindung meiner Seele ausdrückt, und Sie theurer Freund, haben mich dessen ehedem so oft versichert, und es war Ihnen damals so heilig ernst mit dieser Versicherung, daß ich glaube Sie werden sich dabei der vergangenen Zeit, und vieleicht auch der Emp[f]indung erinnern.
Ich bitte Sie sehr nehmen Sie dies mein theurer Freund, für keine Bitterkeit, es ist nur eine wehmühtige Empfindung die mich wieder Willen ergreift, und die durch die traurige Betrachtung erregt wird, daß auch die edelsten die besten Menschen sich nicht ganz frei halten können vom Einfluß der Zeit und Umstände. Auch ich mein theurer Freund habe manche Erfahrungen gemacht und das Leben von mancherlei Seiten zu betrachten Gelegenheit gehabt, diese Betrachtungen haben mich belehrt daß die Menschen in der Regel weit schlimmer und giftiger sind als mann in der Jugend träumt, und darum sucht mein Herz mit ängstlicher Zärtlichkeit die wenigen übrigen Freunde der Jugend zu erhalten, wie mir [3] auch eben diese Erfahrungen eine Scheu geben neue freundschaftliche Verbindungen zu schliessen. Sie werden es diesem Brief anfühlen daß ich noch krank bin. Ich möchte sagen meine Seele ist von den vielen Schmerzen ermüdet die ich seit einiger Zeit erlitten habe.
Ich würde es mit rechter Danckbarkeit erkennen wenn Sie mir die Hefte Ihrer Indischen Bibliothek zukommen li[e]ssen, ich kenne noch nichts davon, wie ich überhaupt manches in Deutschland wieder nachhohlen muß waß ich in Rusland versäumt habe. Ich begreife wohl daß die Forschungen denen Sie jezt Ihr Leben gewidmet haben vom höchsten Interesse sind, aber ich kann es dennoch nicht unterlassen zu beklagen daß Sie sich wie ich glaube dadurch von der vaterländischen Litteratur abwenden. Wie viel Sie für deutsche Sprache und Poesie gethan haben, wird erst in seinem ganzen Umfang die Nachwelt zu würdigen wissen.
Mein Bruder Friedrich hat sich oft selbst gegen mich angeklagt daß er Ihnen in langer Zeit nicht geschrieben hat, ich glaube er arbeitet zu fleissig in Berlin, ich sahe ihn bei meiner Durchreise in Dresden nur einen Tag, und habe das innigste Verlangen mit diesem geliebten Bruder doch wenigstens auf eine kurze Zeit einmal wieder vereinigt zu sein. Er hat mir schon früher geschrieben daß er Ihre Büste in Marmor ausführt, und mir selbst einmal eine Kopie davon versprochen. Ich habe meinem Bruder Friedrich Flore und Blanscheflur nach Berlin geschickt, und warte nun sehnlich auf Antwort ob er einen Verleger dafür gefunden hat. Ich bitte Sie um die Güte mir zu melden ob Sie in dem Fall daß es dort nicht gedruckt würde, sich die Mühe geben wollten an einen Buchhändler deshalb zu schreiben. Ich habe kein Geschick zu dergleichen, und Knorring vollends gar nicht, zugleich bitte ich Sie mir diese Zumuhtung zu verzeihen.
Ich glaube mein Bruder Ludwig arbeitet an Mancherlei, er theilte mir bei meiner Durchreise einiges von seinen Arbeiten mit, und ich glaube Sie würden meiner Meinung sein, daß eine grössere Reife des Geistes, als in seinen früheren Sachen, bemerkbar ist, doch glaube ich vermisst mann dagegen ungern die heitere poetische Frische der [4] älteren Gedichte. Kurz mann fühlt in jedem Sinn, im guten so wohl als in dem gewöhnlichen daß der Poet älter geworden ist.
Ich glaube wenn wir einmal wieder beisammen sind, so werden Sie mir das Zeugnis geben, daß auch ich soviel es möglich ist die Jugend der Seele bewahrt habe, wenn ich auch die körperliche muß scheiden sehen. Ja ich kann es nicht lassen mich selbst zuweilen mit Ironie zu betrachten. Sie erinnern sich vieleicht noch des Abscheus den mir immer dike Gestalten erregten, und zur Strafe für diesen Abscheu muß ich nun an mir selbst erleben daß ich dik werde, und dies beweißt mir am deutlichsten daß jeder Mensch seinem Schicksall erliegen muß, denn nicht kein Abscheu gegen diesen Zustand, nicht Krankheit, nicht Kummer kann mich davor bewahren. Knorring hat sich am besten gehalten er sieht noch beinahe aus wie sonst, und ist noch so gesund wie immer. Über Felix glaube ich werden Sie in mancher Rüksicht Freude haben, er ist gewiß einer von den jungen Leuten, von denen sich viel hoffen läßt, und ich mag nur nicht viel von ihm schreiben um nicht in die Ruhmredigkeit der Mutter zu verfallen, aber ich freue mich unendlich darauf einmal ihr Urtheil über ihn zu hören. Ich habe ihm nicht gerathen Ihnen zu schreiben, es ist für einen jungen Menschen schwer an jemand zu schreiben, mit dem er in der Fantasie immer vertraut geblieben ist, und der ihm persöhnlieh fremd geworden ist, gar zu leicht wird dan ein solcher Brief entweder kalt und steif, oder anmassend, und ich mag Ihnen Felix nicht in einem so nachtheiligen Lichte zeigen. Es ist besser daß Sie ihn erst wiedersehen, und ich grüße Sie nur von ihm mit herzlicher Zärtlichkeit. Knorring wünscht von Herzen Sie mit Brüderlicher Freundschaft bald zu umarmen, und bittet Sie ihn in lebendigen Andenken zu behalten.
Nächstens will ich Ihnen wenn es Sie interessirt manches über meine Arbeiten mittheilen. Antworten Sie mir bald es ist gar zu traurig sich im grunde so nahe zu sein, und so wenig von einander zu hören. Leben Sie wohl und glüklich.
Unveränderlich
die Ihrige
S[ophie] v[on] Knorring.
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