1827.
Mein theuerster Oheim!
ich hätte Dir gewiß schon längst geschrieben wenn ich nicht gleich bey meiner Ankunft in Wien mit so vielen Unangenehmlichkeiten und Geschäften bestürmt worden wär, so daß mir alle Lust zum Schreiben vergieng, um so mehr da ich Dich nicht gern mit Klagen belästigen wollte; da Du mir aber so freundlich zuvorkommst, beeile ich mich meine Nachläßigkeit wieder gut zu machen, und Dir sogleich auf Deinen lieben Brief zu antworten. – Mein Aufenthalt in Rom dauerte leider nur 10 Wochen, da mich die kommende Hitze, und noch mehr, economische Rücksichten wegtrieben. Doch die Tage die ich dort verlebt, sind mir ewig unvergeßlich, und kommen mir jetzt vor wie ein schöner Traum, den man nur einmal träumt im Leben und nicht wieder. Auch glaube ich meinen dortigen Aufenthalt gut benutzt zu haben, denn ich habe widmete fast meine ganze Zeit dem Sehen und Genießen der Herrlichen Kunstwerke, was ich besonders der Gefälligkeit und Güte einiger Deutscher Landsleute zu verdanken habe, die uns über all herum führten. Auf meiner Rückreise blieben wir noch einige Wochen in Florenz wo ich das Portrait der Fürstin Adam Czartoriska malte und reisten dann über Verona, Trient, Inspruck, und Salzburg nach Wien, wo wir Ende Juli ankamen. – Die Kinderchen waren Gott sey Dank immer gesund und wohl, und fingen schon an recht hübsch Italiänisch zu plapern.
Hier hast Du die kurtze Beschreibung meines Thuns und Treibens. – Welcher neuer Beifall und Bewunderung Dir indeßen in Berlin zu theil geworden, ist mir trotz meines herum Wanderns nicht verborgen geblieben, und ich habe lebhaftesten Antheil daran genommen.
Mit großem Intereße habe ich einige Auszüge aus Deinen Vorlesungen gelesen, und sie haben mich ganz in jene Zeit versetzt wo ich das Glück hatte mich mündlich uber solche Gegenstände mit dir zu unterhalten; Ach wie gern mögte ich jetzt einige dieser Tage wieder zurück rufen um noch über andere Gegenstände mit Dir sprechen zu können, die sich schriftlich schwer abhandeln laßen, und leicht [2] nur Misverständniße hervor bringen; denn Du irrst sehr geliebter Oheim wenn Du glaubst daß der Schritt den ich gethan aus Kleinmuth oder Ueberredung geschehen sey. Ich gebe zu daß Leiden und Kummer mancher Art mich nach und nach der Welt ganz entzogen, und zu ernsten Gedanken geführt haben, aber eben diese Leiden haben mein Gemüth deshalb nicht krank, im Gegentheil stärker gemacht, denn wo man immer thätig handeln muß, kann so leicht keine Erschlaffung eintreten. Durch meine Reisen wo ich mich zu Jahren in Catholischen Ländern aufgehalten, habe ich diese Religion kennen und lieben gelernt, und genau und gründlich geprüft, und ich bekenne frey und offen, daß ich nur aus eignem Willen, und klahrer Ueberzeugung dazu übergetreten bin, welcher Schritt mich nie gereuen wird, sollte ich auch alle weltlichen Güter darüber einbüßen. Auf der andern Seite kannst du ruhig sein, daß ich mich weder auf Theologische Polemik, noch auf Casuistik einlaße, denn dies sind Dinge in die ich mich nicht mische, und die ich auch nicht verstehe; aber strenge Erfüllung meiner Pflichten, untadelhaftes Betragen, und Liebe gegen meine Nächsten sollen die stummen Worte sein, durch die ich mich bestreben werde auch nicht gleich gesinnten wenigstens Achtung für meine Religion einzuflößen, und übrigens mögen die Leute sagen und denken von mir was ihnen beliebt. – Was den Punkt betrifft Dir mein Vorhaben zuvor zu melden, so habe ich lange deshalb mit mir in Ueberlegung gestanden, und war schon im Begriff es zu thun, aber Dich erst um rath fragen, und dann doch zu thun was ich will, schien mir als wollte ich nur Comödie spielen, und dazu liebe und verehre ich Dich zu sehr. – Den Brief des Königs habe ich gelesen bald nachdem er erschienen, und ich kann nur so viel sagen daß er bey mir die von Dir erwünschte Wirkung nicht hervor gebracht hat, und ich muß dich auf der andern Seite fragen ob du auch die gegen Antworten zu denen er Anlaß gegeben, gelesen hast? – Meine Kinder von denen Du Nachricht begehrst, erziehe ich so gut wie ich es in meiner jetzigen Beschränkten Lage kann, und noch sind sie Gott sey Dank einfach und bescheiden [3] zwar nicht glänzend wie manche andere Kinder, aber desto schuldloser und anspruchs loser. Daß ich sie in meiner Religion erziehe versteht sich von selbst. – Daß meine gute Cousine in Harburg in einer so beschränkten Lage ist thut mir sehr leid, und es muß ihr um so härter ankommen da sie sehr fein gebildet, und zu Entsagungen nicht erzogen zu sein scheint, dennoch geht es ihr doch beßer wie mir, denn ich habe gar nichts als was ich verdiene, und weiß auch nicht ob ich je etwas erhalten werde, denn man hat die Absicht mir alles zu entziehen, da der Vormund der Kinder das Wort Bestreiten im Testamente in Besorgung der Erziehung der Kinder verdrehen will, um sich alles anzumaßen, und mein Pflichtheil will man mir dadurch entziehen, daß ich alles was ich je von den Eltern geschenkt erhalten, wieder zurük erstatten soll. Da die gerichtlichen Behörden in Dresden alle ungerechter Weise gegen mich entschieden haben, so bleibt mir nicht übrig als die Sache vorʼs Oberlandes gericht zu bringen, wo ich doch noch unpartheiligkeit zu hoffen finde; und im schlimmsten Fall wende ich mich an den König, der aber freilig gegen den Rechtsspruch nichts thuen kann. –
Meine ehemaligen Glaubensgenoßen benehmen sich in dieser Sache nicht sehr freundlich, denn mein Advocat (wiewohl selbst Protestant) beklagt sich, daß sein Stand sehr schwer sey, indem er nicht allein mit Rechtsverdrehungen sondern mit vorgefaßten Meinungen zu kämpfen habe . – Bey diesem Stand der Dinge kannst du wohl denken daß wir uns auf das aller economischte haben einrichten müßen, was mir auch gar nicht schwer fällt. Buttlar giebt den Kindern Unterricht im Schreiben, Rechnen, Sprachen & &. und thut es mit vieler Sorge und Eifer, so daß die Kinder bedeutende Vortschritte machen. Ich male und besorge meine Wirtschaft mit allem was dazu gehört (denn ich habe mir bis jetzt noch kein Dienstmädchen halten können) und so hoffe ich mit Gott uns durch zu bringen. – Was den Schluß deines Briefes anbetrifft, so äußerst du darin etwas, was nicht dein Ernst sein kann, denn wenn ich die Inconsequenz auf den Punkt treiben könnte den gethanen Schritt wieder zurück zu thun, so müßte ich Dir selbst verächtlich werden, und lieben könntest Du mich nicht mehr, höchstens bemitleiden, denn Liebe kann ja ohne Achtung nicht bestehen. – Willst Du mir jetzt deine Liebe entziehen, so muß ich es dulden, so sehr als es mich auch schmerzt die wenigen Bande die mich an diese Welt knüpfen, nach u nach alle zerreißen zu [4] sehen, doch anders Denken u Handeln kann ich nicht. –
Übrigens was meine Liebe und Verehrung betrifft, so bleibt sie nach wie vor dieselbe, ja in dem Grade als alles neben Intereße wegfällt, wirst Du mir nur noch theurer, und es vergeht kein Tag wo ich ich nicht für Dein Wohl zu Gott bethe. Denn glaube mir liebster Oheim, hätte ich eigennützige Absichten gehabt, so würde ich Dir gewiß in allem gefolgt haben um es nicht mit Dir zu verderben, dies wäre aber noch kein Beweis von Liebe gewesen. – Buttlar habe ich Deinen Brief deshalb nicht gewiesen, nur daß Du keinen Zweifel hegen sollst, als sey die Antwort nicht ganz aus mir selbst. – Onkel Friedrich u Tante sind ohnlängst von ihrer Reise nach München zurück gekommen, und Friedrich sprach davon dir nächstens zu schreiben. Durch die Einlage an ihn kannst du mir immer schreiben, wenn du mich ferner so glücklich machen willst manchmal meiner zu gedenken.
Nun geliebter Oheim lebe wohl, Gott nehme Dich in seinen Schutz, und segne Dich mit alle den Gütern die Du verdienst.
Ewig deine treu ergebene Nichte
Augusta Buttlar.