[1] Auf Ihre erneuerte Anfrage, mein hochgeehrtester Herr und Freund, muß ich Ihnen das offne Geständniß wiederholen, daß ich für jetzt keine Möglichkeit sehe, meine Übersetzung der dramatischen Werke Shakspeareʼs zu Ende zu bringen. Die vorhandenen acht Bände sind in den Jahren 1797–1801 ziemlich schnell nacheinander erschienen. Die ersten Stücke hatten mir unsägliche Schwierigkeiten gemacht, aber ich gewann bald eine größere Leichtigkeit, und ich hätte vielleicht das Ganze in wenigen Jahren vollendet, wenn nicht eine zufällige Störung den Fortgang des Unternehmens unterbrochen hätte. Ich wandte mich nun zu andern litterarischen Arbeiten; nachher kamen Reisen und ablenkende Zerstreuungen hinzu, so daß ich, ungeachtet des oft gefaßten Vorsatzes, während so vieler Jahre nur ein einziges Stück, Richard den Dritten, zu Stande gebracht habe, was mir beynahe so viel Zeit gekostet hat als drey andre. Jetzt würde die Fortsetzung fast eben so viel Anstrengung und Entfernung von andern Arbeiten erfodern, als der Anfang; und dieß weiß ich weder mit meinen Berufsgeschäften zu vereinigen, noch mit den gelehrten Entwürfen, durch deren Ausführung ich dem Publicum nützlich zu werden wünsche, so lange mir der Himmel Kraft und Gesundheit verleiht.
[2] Nichts konnte mir daher willkommner seyn als die Nachricht, daß mein vortrefflicher Freund, Ludwig Tieck, bereit ist, die von mir noch nicht übersetzten Stücke zu übernehmen. Die Leser können dabey nur gewinnen: vor allem ist von dem genialischen seit vielen Jahren mit Shakspeare vertrauten Dichter zu erwarten, daß er zwey oft verkannte Eigenschaften des Englischen Meisters, seine Zartheit und seine Anmuth, mit Glück ausdrücken werde. Wenn Sie Tiecks Übersetzung, als eine Ergänzung der meinigen, in derselben Form drucken lassen wollen, so kann ich nicht anders als dieser Nachbarschaft mich herzlich freuen. Ich nehme hiemit gewissermaßen von meinen Lesern Abschied: ich sage ihnen Dank für so manche Bezeugungen ihres bestimmenden Gefühls, die mir zu Theil geworden sind, während ich in unsern öffentlichen Blättern, die sich für kritisch ausgeben, nie auch nur eine einzige Bemerkung gelesen habe, woraus ich für die Kunst etwas hätte lernen können.
Bonn d. 24sten Nov. 1819