• August Wilhelm von Schlegel to Georg Andreas Reimer

  • Place of Dispatch: Bonn · Place of Destination: Leipzig · Date: 15.03.1825
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Georg Andreas Reimer
  • Place of Dispatch: Bonn
  • Place of Destination: Leipzig
  • Date: 15.03.1825
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 415‒419.
  • Incipit: „[1] Bonn d. 15ten März 1825
    Hochgeehrtester Herr
    Ew. Wohlgebohren habe ich um Verzeihung zu bitten, daß ich mit einer Antwort so lange [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-35028
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.18,Nr.31
  • Number of Pages: 6 S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 25,5 x 20,8 cm
    Language
  • German
[1] Bonn d. 15ten März 1825
Hochgeehrtester Herr
Ew. Wohlgebohren habe ich um Verzeihung zu bitten, daß ich mit einer Antwort so lange im Rückstande geblieben bin. Überhäufte Geschäfte waren einzig Schuld daran: so oft ich mir auch von Tage zu Tage vornahm, Ihnen zu schreiben, unterblieb es dennoch. Der Empfang Ihrer beiden Briefe vom 9ten Oct. und 10ten Nov. v. J. fiel gerade in den Antritt meines Rectorats, wo zu meinen gewöhnlichen gelehrten Arbeiten und Amtspflichten unaufhörliche Störungen hinzukamen. Zudem wußte ich Ihnen doch eigentlich nichts befriedigendes zu erwiedern. Denn Sie begehrten eine augenblicklich vorzunehmende Durchsicht der schon früher übersetzten Stücke Shakspeareʼs, dann das Versprechen einer baldigen Fortsetzung, welche mit der von einer andern Seite her dem Publicum angedrohten Übersetzung gleichen Schritt halten könnte. Ich mache mir aber ein Gewissen daraus, Versprechungen zu geben, wobei ich die Unmöglichkeit voraussehe, sie zu erfüllen. Ihren Brief vom 24sten Februar wünschte ich sogleich am Tage des Empfanges beantworten zu können: ich benutze jetzt die ersten freien Stunden dazu.
Ich finde unter meinen Papieren keine früheren Briefe von Ihnen, auch keine Abschriften der meinigen an Sie. Es kann seyn, daß sie irgendwo verborgen liegen, aber ich würde über dem Suchen die Zeit zum Schreiben verlieren. Ich muß mich also in Absicht auf das frühere zwischen uns verhandelte auf mein Gedächtniß verlassen; ich bitte Sie, falls ich über den einen oder den andern Punkt irren sollte, mich zurecht zu weisen.
[2] Wenn ich mich recht entsinne, so erklärte ich Ihnen, daß ich auf eine solidarisch mit Tieck zu unternehmende Fortsetzung, wobei das ganze als ein gemeinsames Werk durch den Titel angekündigt, und bei den einzelnen Stücken nicht mehr unterschieden würde, wer der Übersetzer sei, durchaus nicht eingehen wolle: theils weil ich kein Zutrauen zu seiner Thätigkeit fassen könne, theils weil unsre Grundsätze der Übersetzungskunst in vielen Stücken von einander abweichen möchten.
Ich schrieb Ihnen hierauf, Ihrem Verlangen gemäß, einen für die Bekanntmachung durch den Druck bestimmten Brief, ungefähr des Inhalts: „es sei mir für jetzt unmöglich, an die Fortsetzung meines Shakspeare Hand anzulegen; ich wisse auch nicht, ob ich jemals Muße dazu gewinnen werde; es sei mir daher sehr erfreulich zu erfahren, daß ein so vortrefflicher Dichter und Kenner des Shakspeare als Tieck die von mir noch nicht übersetzten Stücke dem Deutschen Publicum liefern wolle.“ Diesen Brief haben Sie, so viel ich weiß, ungedruckt gelassen.
Die Geschichte meines Shakspeare, und auf welche sonderbare Art ich das materielle Eigenthum desselben eingebüßt habe, ist Ihnen bekannt. Ich hatte bei dem ersten Vertrage mit dem seligen Unger, der überhaupt bona fide und nicht in der strengen Form Rechtens abgeschlossen ward, aus Unkunde des Preußischen Gesetzes, (ich lebte damals in Jena) versäumt, die Zahl der zu druckenden Exemplare festzusetzen. Während meines Aufenthaltes in Berlin in den Jahren 1801–4 erfuhr ich, daß Unger den ersten Band, ohne mir etwas zu sagen, von neuem gedruckt hatte. Ich wurde darüber empfindlich, [3] er ebenfalls; es kam zu einem Prozeß, den ich vermöge des § 1013 im Preußischen Landrecht verlor. Dem seligen Unger, der überhaupt ein sehr gutmüthiger und wohlwollender Mann war, that das Misverhältniß leid, er suchte auf alle Weise seinen Frieden mit mir zu schließen, und gab mir aus eignem Antriebe eine Vergütung für die nachgedruckten Exemplare. Von ihm so wie von seiner Witwe wurde ich sehr um die Fortsetzung gemahnt: ich lieferte denn endlich auch mit Mühe und Noth Richard III, der mir, weil ich aus der Übung gekommen war, vielleicht mehr Zeit gekostet hat, als zuvor drei Stücke. So viel mir erinnerlich ist, versäumte ich auch jetzt die Abschließung eines Vertrags, wodurch der Verleger auf das Wiederdrucken der schon erschienenen Bände Verzicht geleistet, und die Anzahl der Exemplare für die folgenden bestimmt hätte. Wurde ein solcher Vertrag geschlossen, so ist er mir wenigstens abhanden gekommen: es läuft also auf eins hinaus. So ging das unbillige Recht neue Auflagen zu machen, ohne dem Autor die mindeste Entschädigung zu geben, an den Käufer des Vorraths vorhandener Exemplare über. Ich fand es nicht angemessen Reclamationen zu machen: die ganze Sache war mir nicht nur gleichgültig, sondern widerwärtig geworden. Ich vermied es, die neugedruckten Exemplare zu sehen: denn das graue Papier, die stumpfen Lettern, der incorrecte Druck machten mir großen Verdruß. Meine Freunde durften mich nur daran erinnern, daß ich vormals Übersetzer des Shakspeare gewesen sei, um meine heiterste Laune zu verstimmen. Ich sagte mir jedoch, wie übel es mir auch mit dieser Frucht meines jugendlichen Fleißes ergangen war, das geistige Eigenthum bleibe mein; es stehe auch in meiner Gewalt, [4] das materielle Eigenthum wieder an mich zu bringen: ich dürfe nur die schon übersetzten Stücke von neuem durcharbeiten, so würde es mir frei stehn, mit irgend einem Verleger einen Vertrag darüber abzuschließen. Ich glaube nicht, daß mir hierbei Pr.[eußisches] L.[and]R.[echt] Th.[eil] 1 § 1018 im Wege gestanden haben würde, denn sonst wäre das dem Schriftsteller zugesprochene Recht eine neue Ausgabe zu veranstalten in diesem besondern Falle völlig illusorisch, indem jener ersten Auflage, wie der Hydra die Köpfe, die einzelnen Theile nachwuchsen, so daß sie niemals erschöpft werden konnte. Ich wußte ferner, die bloße Ankündigung einer umgearbeiteten und verbesserten Ausgabe würde den Absatz der ersten, welche Sie käuflich an sich gebracht haben, beträchtlich hemmen. Ich habe nichts von allem diesem gethan, und so hatte es bei der bisherigen Lage sein Bewenden.
Nun, nachdem die Voßische Übersetzung etwas ins Stocken gerathen war, wurde eine neue angekündigt, von großen Männern, einem Böttiger, Arthur von Nordstern, Contessa empfohlen. Dieß setzte Sie in Besorgniß; Sie thaten Nothschüsse: ich sollte Ihnen zu Hülfe kommen, da ich mir selbst bisher nicht zu helfen gewußt hatte. Aber, wie ich oben bemerkte, niemals war ich mehr außer Stande, etwas am Shakspeare zu thun als gerade diesen Winter. Schon ehe Ew. Wohlgebohren an mich schrieben, hatten Sie die Ankündigung einer vervollständigten Ausgabe, datirt vom August 1824, ausgehen lassen. Zu der Erwartung, welche dadurch erregt ward, als ob ich selbst das noch fehlende liefern würde, hatte ich keinen Anlaß gegeben; durch meinen früheren ostensiblen Brief an Sie, Tiecks Fortsetzung betreffend, gerade das Gegentheil. Diese, wofern sie zu haben ist, [5] an die von mir gelieferte Hälfte der Werke des Dichters anzufügen, waren Sie jedoch vollkommen berechtigt.
Ich erkenne es gern als einen Beweis Ihrer Billigkeit an, daß Sie mir freiwillig eine Entschädigung für die neue Ausgabe anboten. Jedoch muß ich bemerken, daß das bisher mir, und überhaupt den Schriftstellern so ungünstige Preußische Landrecht mir hierauf einen Anspruch giebt. Freilich, Sie konnten den neuen Abdruck in demselben Format veranstalten, so wäre es wieder nur eine neue Auflage gewesen.
Nun aber ist, wie Sie mir melden, etwas geschehen, wovon Ihre früheren Briefe nichts erwähnten; wogegen ich, wenn das Vorhaben geäußert worden wäre, auf das nachdrücklichste protestirt haben würde; wogegen ich durch meine Erklärung, daß ich mich zu einer solidarisch unternommenen Fortsetzung nicht verstehen könne, der That nach schon protestirt hatte. Mein vortrefflicher Freund Ludwig Tieck hat sich einfallen lassen, meinen Shakspeare zu corrigiren. Ich warte auf den seinigen, um ihm die gleiche Ehre zu erweisen; aber ich werde, fürchte ich, vergeblich warten. Man mag nach dem Tode eines Schriftstellers ein wissenschaftliches Buch mit Anmerkungen, Berichtigungen, Ergänzungen u.s.w. drucken lassen: der Mann liegt im Grabe, und kann sich dessen freilich nicht erwehren. Doch wird immer die Arbeit des Herausgebers sorgfältig von der des Verfassers gesondert werden müssen. Aber den Text durch vermeynte Verbesserungen zu interpoliren, das veränderte Buch unter seinen Namen zu stellen, und diesen solchergestalt bei der Nachwelt zu compromittiren, dazu kann niemand das Recht haben. Und vollends bei Lebzeiten des Autors! Gesetzt auch, [6] Sie hätten mir die Veränderungen zuvor mitgetheilt, und ich hätte sie wirklich für Verbesserungen erkannt, so würde ich dennoch meine Zustimmung verweigert haben, weil ich mir das Recht vorbehalte, noch einmal selbst meine Arbeit der Vollendung näher zu bringen.
Ich bin kein Freund von Processen, hochgeehrtester Herr; ich habe überhaupt in diesem Capitel kein Zutrauen zu dem dort geltenden Gesetzbuch, womit ich schon einmal so übel gefahren bin. Wenn Sie aber mit dieser von Tieck interpolirten Ausgabe (welche eigentlich den Titel führen sollte: Shakspeareʼs Werke, übersetzt von Schlegel, ohne dessen Vorwissen verändert von L. Tieck) vorwärtsschreiten, so werde ich doch nicht umhin können, den wahren Verlauf der Sache dem Publicum vorzulegen.
Empfangen Sie die Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung.
Ew. Wohlgehohren
ergebenster
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[1] Bonn d. 15ten März 1825
Hochgeehrtester Herr
Ew. Wohlgebohren habe ich um Verzeihung zu bitten, daß ich mit einer Antwort so lange im Rückstande geblieben bin. Überhäufte Geschäfte waren einzig Schuld daran: so oft ich mir auch von Tage zu Tage vornahm, Ihnen zu schreiben, unterblieb es dennoch. Der Empfang Ihrer beiden Briefe vom 9ten Oct. und 10ten Nov. v. J. fiel gerade in den Antritt meines Rectorats, wo zu meinen gewöhnlichen gelehrten Arbeiten und Amtspflichten unaufhörliche Störungen hinzukamen. Zudem wußte ich Ihnen doch eigentlich nichts befriedigendes zu erwiedern. Denn Sie begehrten eine augenblicklich vorzunehmende Durchsicht der schon früher übersetzten Stücke Shakspeareʼs, dann das Versprechen einer baldigen Fortsetzung, welche mit der von einer andern Seite her dem Publicum angedrohten Übersetzung gleichen Schritt halten könnte. Ich mache mir aber ein Gewissen daraus, Versprechungen zu geben, wobei ich die Unmöglichkeit voraussehe, sie zu erfüllen. Ihren Brief vom 24sten Februar wünschte ich sogleich am Tage des Empfanges beantworten zu können: ich benutze jetzt die ersten freien Stunden dazu.
Ich finde unter meinen Papieren keine früheren Briefe von Ihnen, auch keine Abschriften der meinigen an Sie. Es kann seyn, daß sie irgendwo verborgen liegen, aber ich würde über dem Suchen die Zeit zum Schreiben verlieren. Ich muß mich also in Absicht auf das frühere zwischen uns verhandelte auf mein Gedächtniß verlassen; ich bitte Sie, falls ich über den einen oder den andern Punkt irren sollte, mich zurecht zu weisen.
[2] Wenn ich mich recht entsinne, so erklärte ich Ihnen, daß ich auf eine solidarisch mit Tieck zu unternehmende Fortsetzung, wobei das ganze als ein gemeinsames Werk durch den Titel angekündigt, und bei den einzelnen Stücken nicht mehr unterschieden würde, wer der Übersetzer sei, durchaus nicht eingehen wolle: theils weil ich kein Zutrauen zu seiner Thätigkeit fassen könne, theils weil unsre Grundsätze der Übersetzungskunst in vielen Stücken von einander abweichen möchten.
Ich schrieb Ihnen hierauf, Ihrem Verlangen gemäß, einen für die Bekanntmachung durch den Druck bestimmten Brief, ungefähr des Inhalts: „es sei mir für jetzt unmöglich, an die Fortsetzung meines Shakspeare Hand anzulegen; ich wisse auch nicht, ob ich jemals Muße dazu gewinnen werde; es sei mir daher sehr erfreulich zu erfahren, daß ein so vortrefflicher Dichter und Kenner des Shakspeare als Tieck die von mir noch nicht übersetzten Stücke dem Deutschen Publicum liefern wolle.“ Diesen Brief haben Sie, so viel ich weiß, ungedruckt gelassen.
Die Geschichte meines Shakspeare, und auf welche sonderbare Art ich das materielle Eigenthum desselben eingebüßt habe, ist Ihnen bekannt. Ich hatte bei dem ersten Vertrage mit dem seligen Unger, der überhaupt bona fide und nicht in der strengen Form Rechtens abgeschlossen ward, aus Unkunde des Preußischen Gesetzes, (ich lebte damals in Jena) versäumt, die Zahl der zu druckenden Exemplare festzusetzen. Während meines Aufenthaltes in Berlin in den Jahren 1801–4 erfuhr ich, daß Unger den ersten Band, ohne mir etwas zu sagen, von neuem gedruckt hatte. Ich wurde darüber empfindlich, [3] er ebenfalls; es kam zu einem Prozeß, den ich vermöge des § 1013 im Preußischen Landrecht verlor. Dem seligen Unger, der überhaupt ein sehr gutmüthiger und wohlwollender Mann war, that das Misverhältniß leid, er suchte auf alle Weise seinen Frieden mit mir zu schließen, und gab mir aus eignem Antriebe eine Vergütung für die nachgedruckten Exemplare. Von ihm so wie von seiner Witwe wurde ich sehr um die Fortsetzung gemahnt: ich lieferte denn endlich auch mit Mühe und Noth Richard III, der mir, weil ich aus der Übung gekommen war, vielleicht mehr Zeit gekostet hat, als zuvor drei Stücke. So viel mir erinnerlich ist, versäumte ich auch jetzt die Abschließung eines Vertrags, wodurch der Verleger auf das Wiederdrucken der schon erschienenen Bände Verzicht geleistet, und die Anzahl der Exemplare für die folgenden bestimmt hätte. Wurde ein solcher Vertrag geschlossen, so ist er mir wenigstens abhanden gekommen: es läuft also auf eins hinaus. So ging das unbillige Recht neue Auflagen zu machen, ohne dem Autor die mindeste Entschädigung zu geben, an den Käufer des Vorraths vorhandener Exemplare über. Ich fand es nicht angemessen Reclamationen zu machen: die ganze Sache war mir nicht nur gleichgültig, sondern widerwärtig geworden. Ich vermied es, die neugedruckten Exemplare zu sehen: denn das graue Papier, die stumpfen Lettern, der incorrecte Druck machten mir großen Verdruß. Meine Freunde durften mich nur daran erinnern, daß ich vormals Übersetzer des Shakspeare gewesen sei, um meine heiterste Laune zu verstimmen. Ich sagte mir jedoch, wie übel es mir auch mit dieser Frucht meines jugendlichen Fleißes ergangen war, das geistige Eigenthum bleibe mein; es stehe auch in meiner Gewalt, [4] das materielle Eigenthum wieder an mich zu bringen: ich dürfe nur die schon übersetzten Stücke von neuem durcharbeiten, so würde es mir frei stehn, mit irgend einem Verleger einen Vertrag darüber abzuschließen. Ich glaube nicht, daß mir hierbei Pr.[eußisches] L.[and]R.[echt] Th.[eil] 1 § 1018 im Wege gestanden haben würde, denn sonst wäre das dem Schriftsteller zugesprochene Recht eine neue Ausgabe zu veranstalten in diesem besondern Falle völlig illusorisch, indem jener ersten Auflage, wie der Hydra die Köpfe, die einzelnen Theile nachwuchsen, so daß sie niemals erschöpft werden konnte. Ich wußte ferner, die bloße Ankündigung einer umgearbeiteten und verbesserten Ausgabe würde den Absatz der ersten, welche Sie käuflich an sich gebracht haben, beträchtlich hemmen. Ich habe nichts von allem diesem gethan, und so hatte es bei der bisherigen Lage sein Bewenden.
Nun, nachdem die Voßische Übersetzung etwas ins Stocken gerathen war, wurde eine neue angekündigt, von großen Männern, einem Böttiger, Arthur von Nordstern, Contessa empfohlen. Dieß setzte Sie in Besorgniß; Sie thaten Nothschüsse: ich sollte Ihnen zu Hülfe kommen, da ich mir selbst bisher nicht zu helfen gewußt hatte. Aber, wie ich oben bemerkte, niemals war ich mehr außer Stande, etwas am Shakspeare zu thun als gerade diesen Winter. Schon ehe Ew. Wohlgebohren an mich schrieben, hatten Sie die Ankündigung einer vervollständigten Ausgabe, datirt vom August 1824, ausgehen lassen. Zu der Erwartung, welche dadurch erregt ward, als ob ich selbst das noch fehlende liefern würde, hatte ich keinen Anlaß gegeben; durch meinen früheren ostensiblen Brief an Sie, Tiecks Fortsetzung betreffend, gerade das Gegentheil. Diese, wofern sie zu haben ist, [5] an die von mir gelieferte Hälfte der Werke des Dichters anzufügen, waren Sie jedoch vollkommen berechtigt.
Ich erkenne es gern als einen Beweis Ihrer Billigkeit an, daß Sie mir freiwillig eine Entschädigung für die neue Ausgabe anboten. Jedoch muß ich bemerken, daß das bisher mir, und überhaupt den Schriftstellern so ungünstige Preußische Landrecht mir hierauf einen Anspruch giebt. Freilich, Sie konnten den neuen Abdruck in demselben Format veranstalten, so wäre es wieder nur eine neue Auflage gewesen.
Nun aber ist, wie Sie mir melden, etwas geschehen, wovon Ihre früheren Briefe nichts erwähnten; wogegen ich, wenn das Vorhaben geäußert worden wäre, auf das nachdrücklichste protestirt haben würde; wogegen ich durch meine Erklärung, daß ich mich zu einer solidarisch unternommenen Fortsetzung nicht verstehen könne, der That nach schon protestirt hatte. Mein vortrefflicher Freund Ludwig Tieck hat sich einfallen lassen, meinen Shakspeare zu corrigiren. Ich warte auf den seinigen, um ihm die gleiche Ehre zu erweisen; aber ich werde, fürchte ich, vergeblich warten. Man mag nach dem Tode eines Schriftstellers ein wissenschaftliches Buch mit Anmerkungen, Berichtigungen, Ergänzungen u.s.w. drucken lassen: der Mann liegt im Grabe, und kann sich dessen freilich nicht erwehren. Doch wird immer die Arbeit des Herausgebers sorgfältig von der des Verfassers gesondert werden müssen. Aber den Text durch vermeynte Verbesserungen zu interpoliren, das veränderte Buch unter seinen Namen zu stellen, und diesen solchergestalt bei der Nachwelt zu compromittiren, dazu kann niemand das Recht haben. Und vollends bei Lebzeiten des Autors! Gesetzt auch, [6] Sie hätten mir die Veränderungen zuvor mitgetheilt, und ich hätte sie wirklich für Verbesserungen erkannt, so würde ich dennoch meine Zustimmung verweigert haben, weil ich mir das Recht vorbehalte, noch einmal selbst meine Arbeit der Vollendung näher zu bringen.
Ich bin kein Freund von Processen, hochgeehrtester Herr; ich habe überhaupt in diesem Capitel kein Zutrauen zu dem dort geltenden Gesetzbuch, womit ich schon einmal so übel gefahren bin. Wenn Sie aber mit dieser von Tieck interpolirten Ausgabe (welche eigentlich den Titel führen sollte: Shakspeareʼs Werke, übersetzt von Schlegel, ohne dessen Vorwissen verändert von L. Tieck) vorwärtsschreiten, so werde ich doch nicht umhin können, den wahren Verlauf der Sache dem Publicum vorzulegen.
Empfangen Sie die Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung.
Ew. Wohlgehohren
ergebenster
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