Ich darf nicht versäumen, mein hochgeehrtester Herr und Freund, Ihnen Hrn. Diezens Antwort auf meine Eröffnung mitzutheilen, damit Sie von dieser Seite nicht zu übertriebene Hoffnungen hegen. Hr. Diez ist gründlich und gewissenhaft, er hat Talent zu dichterischen Nachbildungen; aber er ist etwas ängstlich und nicht sehr unternehmend. Ich werde vor meiner Abreise noch ausführlich mit ihm sprechen.
Seit Jahren hatte ich den Shakspeare weder im Original noch in meiner Übersetzung zur Hand genommen. Auch Tiecks Ausgabe hatte ich, mit Ausnahme der Vorrede, noch gar nicht angesehen. Ihr Brief und die jetzige Lage der Sache gab mir Veranlassung, mich einmal wieder näher damit zu beschäftigen. Ich habe nun in drei Stücken alle veränderten Lesearten angemerkt, sie mit dem Original verglichen und mir solchergestalt ein Urtheil über Tiecks Correcturen gebildet, das ich Ihnen aber nur mündlich und im Vertrauen mittheilen will.
In wenigen Wochen hoffe ich in Berlin einzutreffen, und dann wollen wir bestens berathen, ob dem armen Shakspeare, der so viel Qual von seinen Übersetzern hat ausstehen müssen, gar nicht zu helfen ist.
[2] Sie haben Lust bezeugt, die Sammlung meiner sämtlichen Werke zu verlegen. Damit ist es aber noch im weiten Felde. Eine Auswahl meiner kritischen Schriften könnte aber sogleich, und ohne alle Schwierigkeit veranstaltet werden. Sie würde manches neue oder so gut als neue enthalten. Das nähere darüber mündlich.
Mit der ausgezeichnetsten Hochachtung und den freundschafllichsten Gesinnungen
Ihr ergebenster
A. W. v. Schlegel