Ew. Hochwohlgeboren geehrtes Schreiben vom 8ten d. M. habe ich empfangen, und beehre mich folgendes zu erwiedern.
Als ich vor viertehalb Jahren bei einem Besuch in Berlin von der Societät für Wissenschaftliche Kritik eingeladen wurde zu den Jahrbüchern Beiträge zu liefern versprach ich in dankbarer Erwiederung eines so schmeichelhaften Antrages, so viel Theil zu nehmen als es mir möglich wäre. Ich besitze nicht mehr die gleiche Rüstigkeit wie ehemals, als ich in der Jenaischen Litteratur-Zeitung ein ganzes Fach beinahe allein besorgte. Bei meinen Amtsgeschäften habe ich auch nicht mehr die völlig freie Muße wie damals als ich für die Heidelberger Jahrbücher unter der Leitung der Herren Wilken und Böckh nicht wenige ausführliche Rezensionen lieferte. Ich bin ein Veteran, der seine Kräfte und seine Gesundheit schonen muß, und dem die Zeit im Fortgange des Lebens immer kürzer zu werden scheint. Überdieß habe ich mich zu einem gelehrten Unternehmen (der kritischen Herausgabe des ältesten Indischen Heldengedichtes) verpflichtet, welches so weitläuftig ist, daß ich schwerlich hoffen darf, dessen Vollendung zu erleben. Endlich habe ich zu mehreren eignen Schriften von bedeutendem Umfange, die Materialien so zu sagen vollständig bereit liegen, konnte aber bis jetzt noch keine Muße finden, um an die Ausarbeitung zu gehen.
Dieses alles habe ich Hrn. Varnhagen von Ense aus einander gesetzt als er zum Besuche in Bonn war, und habe gehofft, er werde durch Darlegung dieser Abhaltungen bei der Societät wenigstens die Überzeugung bewirkt haben, daß es nicht an meinem guten Willen lag, wenn ich bisher noch nichts lieferte.
Bevor ich Ew. Hochwohlgeboren antwortete, wollte ich die Schrift des Hrn. von Bohlen durchlesen. Ich werde freilich dem fleißigen Verfasser in vielen Punkten widersprechen müssen; jedoch übernehme ich es recht gern, öffentlich darüber zu sprechen, weil ich glaube, daß die Erörterung nützlich seyn kann.
Was die beiden früher übernommenen Bücher betrifft, so bleibt es ganz dem Ermessen der Societät überlassen, ob sie die Einrückung von Rezensionen noch für angemessen halten will. Nach der Beschaffenheit der Gegenstände scheint mir die Verspätung um ein paar Jahre nicht in Betracht zu kommen. Bei der Ausgabe der Nibelungen von Hrn. Lachmann tritt noch der besondre Umstand ein, daß ich die Varianten mehrerer Handschriften besitze.
Nun will ich aber Ew. Hochwohlgeboren nicht verschweigen daß ich mich auch meinerseits für berechtigt halte, über das Verfahren der Societät gegen mich Klage zu führen.
Seit der Stiftung der Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik sind folgende Schriften von mir erschienen:
1) Briefe an Heeren, in der Indischen Bibliothek B. II, Heft 4. 1827.
2) Berichtigung einiger Misverständnisse pp 1827.
3) Kritische Schriften. Th. I. II. 1828. Mit vielen neuen Zusätzen.
4) Über die Zunahme und den gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse von Indien. Erste Abtheilung bis auf Vasco de Gama. In dem Berliner Kalender auf 1829 S. 1–86. Die zweite Abtheilung bis auf die neueste Zeit ist nun auch in dem Berliner Kalender auf 1831 erschienen.
5) Ramayana etc. Rec. Schlegel. Vol. I. P. 1. – 1829.
6) Hitôpadêśas etc. Recc. Schlegel et Lassen. P. 1. 1829.
Schwerlich möchte sich außer meinem Mitarbeiter an dem letzten Werke in Deutschland ein Beurtheiler finden, der im Stande wäre gründlich zu prüfen, was hier für die Kritik der Texte geleistet worden ist. Aber dem Berichterstatter habe ich durch die ausführlichen Lateinischen Vorreden vorgearbeitet.
Von allen diesen Schriften ist nun in den Jahrbüchern so wenig die Rede gewesen als ob sie gar nicht in der Welt wären. Ein so beharrliches Stillschweigen über so zahlreiche Arbeiten eines Schriftstellers dessen Name in und außer Europa nicht unbekannt ist muß wohl als absichtlich erscheinen. Wenn nun die Societät urtheilt, alle diese Schriften seyen zu unbedeutend, als daß in Jahrbüchern für Wissenschaftliche Kritik davon die Rede seyn könnte, so hätte sie auch keinen Grund von mir als Beurtheiler etwas tüchtiges zu erwarten. Ist aber die Vernachläßigung nicht absichtlich, so erhellet eben daraus, daß auch die von andern Mitgliedern übernommenen Rezensionen nicht immer eingeliefert werden, ohne daß man eine andre Ursache der Versäumniß als zufällige Verhinderungen voraussetzen dürfte.
Genehmigen Sie pp.