Liebe Freundin!
Hoffentlich ist mein Brief, den ich nach Weimar schickte, in Ihre Hände gekommen. Gestern erhielt ich Ihre liebenswürdigen Zeilen vom 13. Ich hätte Ihnen gern die Trauer, die Sie haben empfinden müssen, erleichtert. Ich fürchte aber sehr, daß der Grund Ihrer Trübsal in dem Fehlen und der Abwesenheit anderer liegt, nicht in der meinigen. Wir werden ja sehen, denn jetzt, wo mein Urlaub zu Ende ist, muß auch Ihr Urlaub beendet sein, und ich rechne darauf, daß Sie die Hälfte Ihrer Zeit mit mir zusammen sein werden. Die wenigen Tage, die ich mich hier habe aufhalten können, haben wirksam dazu beigetragen, meine Mutter zufriedenzustellen. Ich bin immer tief gerührt, wenn ich sehe, wie dankbar eine Mutter, die doch soviel für uns getan hat, für die Liebe ist, die man ihr bezeigt, – während man oft seine Liebe und seine Sorgen so unfruchtbar verschwendet.
Jetzt kommt der Augenblick der Abreise; mein Bruder und meine Schwägerin begleiten mich nach Göttingen; das nimmt anderthalb Tage in Anspruch. Für die Rückkehr Ihrer Freunde sind Sie wirklich ›der Mann nach der Uhr‹. So habe ich schreckliche Angst, beim Stelldichein zu spät zu kommen. Ich will versuchen, schon vor Beginn der Theatervorstellung in Frankf[urt] zu sein. Doch das hängt nicht allein von mir ab: ich fürchte, die Regengüsse haben die Wege sehr aufgeweicht.
Leben Sie wohl, meine liebe Herrin! Viele Grüße für Albertine, Herrn Sismondi sende ich meine besten Empfehlungen und küsse Ihre Fußspuren.