Beim Empfange Ihres Briefes aus Leipzig vom 24sten Januar, mein hochgeehrtester Herr und Freund, nahm ich mir vor, sogleich ausführlich zu antworten. Es kamen mir aber, und kommen noch täglich so viele Geschäfte und Hindernisse in den Weg, daß ich es aufs unbestimmte verschieben mußte. Heute beschränke ich mich darauf, Ihnen zu melden, daß ich in Henry IV, P. 1 mit dem vierten Act beinahe fertig bin. Da Ihnen daran gelegen zu seyn scheint, das corrigirte Exemplar bald in Händen zu haben, so werde ich es nach besten Kräften zu fördern suchen, so fern dieß ohne Übereilung möglich ist. Sie wissen schon, daß ich oft bei einem einzigen Verse lange Überlegungen anstelle. Zugleich sende ich Ihnen den Schluß meiner Erklärung über den Sh.[akspeare] im allgemeinen. An der ins einzelne gehenden Prüfung der Tieckschen Anmerkungen und der von ihm vorgezogenen Lesearten, habe ich noch nicht weiterschreiben können. Im Ganzen [2] beschränke ich mich dabei auf die von mir übersetzten Stücke. Doch fand ich auch in den Anmerkungen zu den übrigen einige so auffallende Fehlgriffe, daß ich die Augen hätte schließen müssen, um sie nicht zu sehen. Dennoch zweifle ich, daß der Verfasser meinen Gründen Gehör geben wird.
Diese Prüfung wird es Ihnen anschaulich machen, wie ein sacherklärender Commentar beschaffen seyn müßte, um einem Deutschen Sh.[akspeare] einen Vorzug vor allen übrigen Ausgaben zu verschaffen.
Wann Sie den Stoff zum ersten Bande in Händen haben werden, dann wollen wir unser Verhältniß als Schriftsteller und Verleger ins klare setzen.
Leben Sie unterdessen recht wohl.
Ganz der Ihrige
A. W. von Schlegel