Liebster Schlegel!
Ich habe deine Schwester einmal gesehn, und ich kann dir so viel mit aller Sicherheit sagen, daß sie jezt völlig ausser aller Gefahr, ja noch mehr, sehr stark auf dem Wege der Besserung ist. Sie hat eine schlimme Nervenkrankheit überstanden, und ist noch sehr schwach. Doch ist sie munter und lebhaft, sie fängt wieder an im Zimmer zu gehn, und will sich austragen lassen, so wie das Wetter wieder besser ist, ich denke sie heut noch zu sehn. Du kannst also darüber ausser Sorgen sein, ob sie gleich sehr gefährlich niedergelegen hat. Ich habe mich über ihre Lebhaftigkeit bei ihrer grossen Schwäche gewundert. – Lieber, dein Bamberger Gesangbuch hat durchaus der vergeßliche und nachlässige Bernhardi, setze ihm nur recht zu, so wird er es wohl hervorsuchen und dir herausgeben: wir haben es ihm vor der Reise überliefert, und noch weitläufig darüber gesprochen, du kannst dich sicher darauf verlassen, meine Frau hat es ihm selber in die Hände übergeben, darum laß dir nur nichts verläugnen. Es ist gut, daß die Romanze wieder da ist. – Du kommst doch noch diesen Sommer herüber? Wir warten alle sehnlich auf dich. Grüsse Fichte recht herzlich von mir, ich will ihm nächstens einen weitläuftigen Brief schreiben, wenn ich nur erst etwas in Ordnung und von meiner Leipziger Reise zurück bin. – Hast du neue Gedichte gemacht? Ich habe noch unterwegs manches ersonnen, oder richtiger, es ist mir beigekommen, was ich noch niederschreiben will. – Die Reise nach Jena habe ich für jezt auf[2]geben müssen, das Wetter ist mir zu unsicher, und ich kann mich jezt auf meine miserable Gesundheit gar nicht verlassen. Übrigens würdest du es mir auf keinen Fall übel nehmen können, wenn ich sonst Friedrichs freundlicher Einladung folgte, mein Versprechen ging nur auf Frommann, weil wir beide glaubten, Friedrich habe keinen Platz: ich habe so manches mit ihm zu sprechen, und da würde mich immer ein anderweitiges Logiren geniren; wenn ich also im Herbst etwa noch nach Jena gehe, so habe ich auf diesen Fall Friedrichs Einladung angenommen. Ich weiß, daß du es nicht übel nimmst, du weist, wie Friedrich mit Carolinen steht, und es ist natürlich, wenn ich einmal (wie soll ich es nennen?) Parthey nehmen müste, daß ich Friedrichʼs ergreife. – Lebe recht wohl, schreibe bald, besuche uns hier, sei munter, und gesund, so findet sich das Dichten von selbst. Ich bin noch immer etwas melankolisch. Es schadet auch nicht, wenn man es bestimmt weiß. Adieu.
Der Deinige.
L. Tieck.