Es ist eine seltsame Empfindung mit der ich an Dich schreibe – es ist heute mein Hochzeitstag, wie viele ungehofte Schmerzen haben mich in diesen beiden Jahren gefoltert und fast mein Herz ermattet. Das Schicksall macht es ewig mit uns besser und schlechter als wir glauben und wir wissen immer nicht sollen wir ihm danken oder fluchen. Ich meinte vor zwei Jahren ich hätte Abschied von allem genommen waß die Erde mir biehten könne und in dieser Ergebung gab ich mit meiner Freiheit das lezte Gut meines Lebens hinweg. Jezt habe ich nur Dich – soll ich sagen gewonnen? – Ich bin so unglücklich Dir in allen meinen Äusserungen zu misfallen daß es mich scheu und blöde macht Dir zu schreiben. Ich kan nicht so vernünftig meine Worte abmessen so wenig als meine Gefühle. Ich habe nie geliebt als jezt und jezt soll ich das höchste Gut meines Herzens einer vernünftigen innerlichen und äusserlichen Diät aufopfern und das ist das Zärtlichste waß ich Dir erweisen kan. Ich halte es für etwas geringes, Leben Ruhe und Gesundheit in der heissen Sehnsucht nach Dir zu verliehren und muß befürchten daß Du mir die[2]ses Gefühls wegen feind wirst.
Du magst es nicht leiden wen[n] man sagt man kan nicht glücklig sein, wen[n] man liebt und geliebt wird soll man es sein wollen wen[n] auch noch viele Schritte bis dahin sind. Wen[n] dieser schöne Ausspruch nicht mich beträfe so könte ich Dich darüber auslachen. Wen[n] man noch Schritte bis zum Glücklichsein zu thun hat kan man ja eben nicht wollen. Daß Du das waß mich quält nicht verstehst hast Du mir bewiesen so wenig als Du meine Liebe verstehst den[n] sonst köntest Du mir den einen und den andern Raht und Verweiß nicht geben. Nein es ist arg wen[n] man nicht Worte finden kan um es zärtlich genug zu sagen wie sehr der Andere in jeden Augenblik des Lebens unser Herz ausfült einen ganzen Brief voll Vorwürfe zu erhalten, ich bin eitel genug daß ich weit eher auf Deinen Dank als auf Deine Verweise gerechnet habe. Freilig bin ich so albern daß ich weit mehr auf Worte als auf Handlungen gebe. Ich läugne es nicht und da es uns einmal nicht möglich ist etwas anders als auß unserm Innern herauß zu betrachten so läßt sich dies sehr leicht erklären da ich mit meinen Handlungen eben weil ich sie als eine Äusserligkeit betrachte weit freige[3]biger bin als mit meinen guten Worten die ich als eine Äusserung meines Gemühts betrachte und nur gegen sehr wenige verbrauche.
Ich bitte Dich dieß nicht übel zu nehmen den[n] Du hast mich doch wohl mit Deinem so seid ihr immer unter die Rubrik von Weibern bringen wollen und ich kan nicht läugnen daß Du mir mit diesem Bemühen recht wie ein Mann vorgekomen bist.
Ich könte mich selbst beweinen wen[n] ich es mir denke wie verlohren und einsam ich auf der Welt bin wie mein Streben so verkant wird wie meine heisseste Liebe doch so vernünftig bleiben soll daß sie Fichte selber billigen müste.
Ach ich bin thöricht daß ich meinen Zorn und meine Liebe noch auszusprechen versuche, entweder bin ich so unglücklig ungeschickt daß ich es gar nicht in meiner Gewalt habe mich zu enthüllen oder ich fühle einmal so wie Du es nicht leiden magst worüber Du mir feind wirst usw.
Um mir nun die vielen schlaflosen Nächte und die unmässigen Tränen zu ersparen [4] welche mir Dein billiger auf eine gelinde liebevolle Art zurechtweisender Brief verursacht hat so habe ich beschlossen keinen besondern mehr an Dich zu schreiben sondern dieß den lezten sein zu lassen und waß ich etwa freundschaftlicher Weise in vernünftigen Geschäften zu berichten habe in Bernhardis Gegenwart zu thun damit ich nicht meine kindische Sehnsucht meine heftige Liebe oder meine unkluge Empfindligkeit meinen strengen Richter verrahten habe. Selbst meine Eitelkeit fände nicht einmal ihre Rechnung wen[n] meine Leidenschaft die nur allein für Dich entbrant ist so übel abgefertigt in mein eigen Herz sich verschliessen muß. Lebe wohl, ich glaube nicht von Dir daß Du alle zärtliche Briefe die jemals an Dich geschrieben sind so wie die meinigen beantwortet hast.
S[ophie] B.[ernhardi]