Das schlechte Wetter der letzten Wochen hat mir die Besuche aus der Stadt geraubt, so daß ich nichts von Ihrem Befinden erfahren konnte, mein höchst verehrter Freund. Es verlangt mich nun sehr, darüber beruhigt zu werden u. so wende ich mich am liebsten an die rechte Schmiede, und bitte um ein paar Worte darüber. wenn Sie mir den trivialen Ausdruck gestatten wollen.
Die böse Welt dumme Welt scheint Sie mißverstanden und aus Ihrem Schmerz um Ihre vieljährige, treue Pflegerin auf religiöse Sympathien geschlossen zu haben. Kurz, man macht Sie katholisch oder schiebt Ihnen die Absicht unter es zu werden. Ich wehre mich nach Leibeskräften gegen diesen Verdacht; denn es ist unmöglich, daß Sie die Consequenz eines langen, prüfungsvollen Lebens mit der größten aller Inconsequenzen schliessen sollten. Ein Mann von Verstand muß ein Jude sein, wenn [2] ich ihm das Recht einräumen soll, die Religion zu wechseln.
Ich weiß nicht, ob ich so bald in die Stadt kommen werde; denn ich wir erwarten den Besuch meines ältesten Jugendfreundes, des Alt-Bundes-Präsidenten von Tscharner aus Chur mit den Seinigen. Wahrscheinlich werden sie einige Wochen bei uns bleiben.
Mein Colombo naht sich dem Schluß des 3ten Gesangs. Mit den Hexametern geht es immer besser – den Gebrauch des Trochäus abgerechnet, den ich nicht missen kann.
Was man von Berlin hört, klingt schlimm u. es scheint, daß man dort die Volksstimmung nicht kennt. nur nach den Bosheiten Einzelner beurtheilt. Ich fürchte, unsres Königs Gemüth wird dadurch allmählig durch so manche Züge von Bosheit, die man hört, erbittert werden. erbittert werden – und dieß wäre das Schlimmste für Fürsten u. Volk. So sollen sie ihm kürzlich einen Zettel in den Wagen ge[3]worfen haben, der nichts, als die Worte, enthielt:
der König trinkt,
die Königin hinkt,
der Staat sinkt.
Es ist empörend, daß man aAuch die gute Königin nicht schont. verschonen sie nicht; und das ist empörend!
Ich grüsse Sie mit der alten Verehr.
Re.
[4] [leer]