• August Wilhelm von Schlegel to Maria Löbel

  • Place of Dispatch: Paris · Place of Destination: Bonn · Date: 22.11.1831
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Maria Löbel
  • Place of Dispatch: Paris
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 22.11.1831
    Printed Text
  • Bibliography: „Meine liebe Marie“ ‒ „Werthester Herr Professor“. Der Briefwechsel zwischen August Wilhelm von Schlegel und seiner Haushälterin Maria Löbel. Hg. v. Ralf Georg Czapla und Franca Victoria Schankweiler. Bonn 2012, S. 82‒83.
  • Incipit: „[1] Paris 22 Nov. 1831.
    Rue de Bourbon 78.
    Meine liebe Marie,
    Gestern habe ich Ihren Brief vom 16ten Nov. empfangen, und bin sehr [...]“
    Manuscript
  • Provider: Strasbourg, Bibliothèque Nationale et Universitaire de Strasbourg
  • Classification Number: MS.2.882,86
  • Number of Pages: 3 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
    Language
  • German
[1] Paris 22 Nov. 1831.
Rue de Bourbon 78.
Meine liebe Marie,
Gestern habe ich Ihren Brief vom 16ten Nov. empfangen, und bin sehr vergnügt darüber. Ich beunruhige mich immer, wenn die Briefe etwas lange ausbleiben: Sie sollten sich mit Hrn. Lassen verabreden, wechselweise zu schreiben, damit ich desto häufiger Nachricht vom Hause bekäme.
Heute habe ich Ihnen eine recht angenehme Neuigkeit mitzutheilen, die Ihnen gewiß Freude machen wird. Ich bin zum Ritter der Ehrenlegion ernannt. Ich war auf vorgestern bei Hofe eingeladen, dießmal aber ohne Förmlichkeit, um mit der Königlichen Familie zu speisen. Die Königin gab mir den Arm, um in den Speisesaal zu gehen, sie ließ mich zur rechten neben sich sitzen, u unterhielt sich die ganze Zeit mit mir. Nach der Tafel ging der König mit der Königin und seiner Schwester in ein anderes Zimmer, ich wurde herbeigerufen, der König übergab mir eigenhändig das Ordenskreuz, u die Königin bestand darauf, das Band selbst anzuheften. Es ist nicht möglich eine Ehrenbezeugung auf eine huldreichere Weise zu ertheilen. Die König[in] ging hierauf mit den Prinzen und Prinzessinnen in die Oper, der König behielt [2] mich aber bei sich, ganz allein ohne einen seiner Adjudanten, u unterhielt sich mit mir noch eine volle Stunde lang mit großer Offenheit, mit tiefer Einsicht und wahrer Beredsamkeit über die wichtigsten Gegenstände. Ich kam erst nach neun Uhr herunter, da ich den Wagen, weil ich wußte daß ein außerordentliches Schauspiel gegeben ward, schon gegen halb acht bestellt hatte.
Theilen Sie dieß alles Hrn. Lassen mit; so bald ich kann, ich denke sobald ich kann, vielleicht morgen schon an mehrere Personen in Bonn zu schreiben. Ihnen hätte ich alles schon gestern gemeldet, wenn ich nicht unpaß gewesen wäre. Heute bin ich wieder ganz frisch u munter. Sie wissen schon, daß das bei mir nichts zu bedeuten hat – ich lege mich zu Bette und faste, dann geht es ohne Arzt u Medicin vorüber. Ich bin bei den herrlichsten Gastmälern, immer sehr mäßig im Essen u Trinken; besonders vermeide ich es, Abends lange in Gesellschaft [zu bleiben], wenigstens thue ich dieß nicht mehrere Tage nacheinander. Die Hauptsache ist, den Einfluß der bösen ungewissen Witterung zu vermeiden; dann gehe ich niemals zu Fuß. Heute Abend ist große Abendgesellschaft bei dem Österreichischen Gesandten. Vorigen Sonnabend war es bei dem Russischen Gesandten zur Feier der Vermählung seines Neffen mit der Tochter eines hiesigen Herzogs. Heinrich wollte sich über die Pracht ganz von Sinnen thun: im Vorsaal [3] standen zwölf Bedienten in Staatslivreien, mit goldenen Tressen auf allen Näthen, in den Säälen die Kammerdiener in Hoftracht, die Damen strahlten von Perlen u Diamanten, u. s. w.
Jetzt habe ich nichts weiter [zu wünschen] als daß dieser Brief Sie in recht guter Gesundheit antreffen möge. – Die Kleidungsstücke erwarte ich, sie können nicht so geschwind ankommen. In ein paar Tagen schreibe ich an Hℓ. Lassen.
Leben Sie recht wohl, das wünscht von Herzen
Ihr treugesinnter
AWvSchl
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[1] Paris 22 Nov. 1831.
Rue de Bourbon 78.
Meine liebe Marie,
Gestern habe ich Ihren Brief vom 16ten Nov. empfangen, und bin sehr vergnügt darüber. Ich beunruhige mich immer, wenn die Briefe etwas lange ausbleiben: Sie sollten sich mit Hrn. Lassen verabreden, wechselweise zu schreiben, damit ich desto häufiger Nachricht vom Hause bekäme.
Heute habe ich Ihnen eine recht angenehme Neuigkeit mitzutheilen, die Ihnen gewiß Freude machen wird. Ich bin zum Ritter der Ehrenlegion ernannt. Ich war auf vorgestern bei Hofe eingeladen, dießmal aber ohne Förmlichkeit, um mit der Königlichen Familie zu speisen. Die Königin gab mir den Arm, um in den Speisesaal zu gehen, sie ließ mich zur rechten neben sich sitzen, u unterhielt sich die ganze Zeit mit mir. Nach der Tafel ging der König mit der Königin und seiner Schwester in ein anderes Zimmer, ich wurde herbeigerufen, der König übergab mir eigenhändig das Ordenskreuz, u die Königin bestand darauf, das Band selbst anzuheften. Es ist nicht möglich eine Ehrenbezeugung auf eine huldreichere Weise zu ertheilen. Die König[in] ging hierauf mit den Prinzen und Prinzessinnen in die Oper, der König behielt [2] mich aber bei sich, ganz allein ohne einen seiner Adjudanten, u unterhielt sich mit mir noch eine volle Stunde lang mit großer Offenheit, mit tiefer Einsicht und wahrer Beredsamkeit über die wichtigsten Gegenstände. Ich kam erst nach neun Uhr herunter, da ich den Wagen, weil ich wußte daß ein außerordentliches Schauspiel gegeben ward, schon gegen halb acht bestellt hatte.
Theilen Sie dieß alles Hrn. Lassen mit; so bald ich kann, ich denke sobald ich kann, vielleicht morgen schon an mehrere Personen in Bonn zu schreiben. Ihnen hätte ich alles schon gestern gemeldet, wenn ich nicht unpaß gewesen wäre. Heute bin ich wieder ganz frisch u munter. Sie wissen schon, daß das bei mir nichts zu bedeuten hat – ich lege mich zu Bette und faste, dann geht es ohne Arzt u Medicin vorüber. Ich bin bei den herrlichsten Gastmälern, immer sehr mäßig im Essen u Trinken; besonders vermeide ich es, Abends lange in Gesellschaft [zu bleiben], wenigstens thue ich dieß nicht mehrere Tage nacheinander. Die Hauptsache ist, den Einfluß der bösen ungewissen Witterung zu vermeiden; dann gehe ich niemals zu Fuß. Heute Abend ist große Abendgesellschaft bei dem Österreichischen Gesandten. Vorigen Sonnabend war es bei dem Russischen Gesandten zur Feier der Vermählung seines Neffen mit der Tochter eines hiesigen Herzogs. Heinrich wollte sich über die Pracht ganz von Sinnen thun: im Vorsaal [3] standen zwölf Bedienten in Staatslivreien, mit goldenen Tressen auf allen Näthen, in den Säälen die Kammerdiener in Hoftracht, die Damen strahlten von Perlen u Diamanten, u. s. w.
Jetzt habe ich nichts weiter [zu wünschen] als daß dieser Brief Sie in recht guter Gesundheit antreffen möge. – Die Kleidungsstücke erwarte ich, sie können nicht so geschwind ankommen. In ein paar Tagen schreibe ich an Hℓ. Lassen.
Leben Sie recht wohl, das wünscht von Herzen
Ihr treugesinnter
AWvSchl
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