• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Leipzig · Place of Destination: Unknown · Date: 05.10.1792
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Leipzig
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 05.10.1792
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 23. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bis zur Begründung der romantischen Schule (15. September 1788 ‒ 15. Juli 1797). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Ernst Behler u.a. Paderborn u.a. 1987, S. 65‒67.
  • Incipit: „[1] Sehr würdig ist der Gegenstand wohl nicht. Zwar ist sie schön, sie hat sehr viel weiblichen Verstand, sie will auch [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-34186
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.a,Nr.15
  • Number of Pages: 7S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,6 x 11,7 cm
    Language
  • German
[1] Sehr würdig ist der Gegenstand wohl nicht. Zwar ist sie schön, sie hat sehr viel weiblichen Verstand, sie will auch männlichen haben, aber ich zweifle: ihre Liebe ist mir noch ein Räthsel, feurig mag sie wohl seyn, wenn sie nur nicht allein im Blute tobt.
Ich habe mein Spiel sehr schlecht gespielt; jeder Zug fast ein Fehler. Ich habe mich noch nicht der kleinsten Gunst zu rühmen. Und doch, wenn ich alle Umstände zusammen nehme, die mir günstig sind, so glaube ich mein Ziel noch zu erreichen. – Dein Rath ist falsch; zu früh waren meine Erklärungen nicht – zu spät. Wäre ich schneller gewesen, so hätte ich wohl schon itzt alles was ich wünsche. Sie ist darüber äusserst empfindlich, <auch darüber, daß sie glaubte, ich hätte einige günstige Zeichen nicht verstanden; dieß ist entscheidend,> sie äußert mit Mißvergnügen Furcht über Mangel an Vorsicht, sie fürchtet daß ich nur Ihre Schönheit liebe, ich soll Achtung für ihren Verstand haben, sie zeigt gern daß [2] sie auch die Eigenheiten meines Geistes faßt, nemlich die, auf die ich einen Werth lege – es entfuhr ihr einmal eine flüchtige Röthe der Eifersucht, im Anfange unsrer Bekanntschaft. – Dazu nimm sehr bedeutende Blicke. Zwar gab sie mir schon vor langer Zeit das erste Billet, welches ich ihr beym Handkuß in die Hand drückte zurück: ich weiß aber noch nicht, ob nicht vielleicht meine Ungeschicklichkeit daran schuld war – in dem Augenblick verlor ich so ganz alle Fassung, daß ich nichts unterschied. Es ist beynahe wahrscheinlich, weil sie einige Tage darauf mir es abforderte; ihre Worte ließen sich nehmlich sehr gut so auslegen, und wenn ihre Worte einen versteckten Sinn haben können, so haben sie ihn gewiß. Ich hatte das Billet – oder vielmehr ein andres – denn ich habe viele so an sie geschrieben – bey mir und gab es nicht. Ich hätte der Freundin auch wohl ein Billet geben dürfen, hätten [3] nicht unglückliche Zufälle mir die Gelegenheit geraubt; denn ich irre mich gewiß nicht darin, daß eine Freundin da ist, sie machte mir glaube ich, einmal Vorwürfe, daß ich sie an einem Orte wo ich hätte seyn können, nicht aufgesucht. Daraus zusammen läßt sich folgern, daß nicht nur ihre Eitelkeit geschmeichelt ist, sondern ich glaube es hoffen zu dürfen. Wäre es nur Eitelkeit so hätte sie sich ganz anders betragen damals, als ich alle Beleidigungen gegen sie ausstieß, die man einer Frau sagen kann. Sie hätte mich dann ganz entfernt.
Nur einmal sahe ich sie allein und das nur wenige Minuten. Es kam ganz unerwartet, die heftige Bewegung in die ich gerieth machte ihr das größte Vergnügen; – vielleicht irre ich mich doch, wenn ich glaube, daß sie auch nicht ganz ruhig war. – Sie nahm ich weiß nicht wovon Gelegenheit mit vieler Bitterkeit zu sagen ‚und da sie weit mehr Verstand haben als ichʻ. Ich sagte: [4] Ihre Bescheidenheit ist wie ihre Bonhommie (ich hatte ihr einmal halb Scherz halb Ernst medisante Bonhommie vorgeworfen). Sie forderte Erklärung; ich sagte: Sie sind sehr stolz. Sie gerieth in Verwirrung und wußte nichts zu sagen als ‚und Sie sehr offenherzigʻ: aber ich merkte daß ich durch diese zwey Worte unendlich viel bey ihr gewonnen hatte.
Könnte ich nur eine <einzige> Stunde mit ihr allein seyn!
Kurz drauf verreißte sie; seit den 14 Tagen, da sie wieder hier ist, habe ich sie ganz vernachläßigt; meine Verzweiflung hatte so überhand genommen, daß ich doch sicher nur alles verdorben hätte. Gestern sahe ich sie zuerst wieder. Sie zwang sich, so dünkte mirs, eine natürliche Kälte anzunehmen; sie wollte mich glauben machen, sie hätte neue interessante Bekanntschaften gemacht; aber wäre dieß, warum es zeigen? Zwar hat mich das Betragen der Freundin ängstlich gemacht, als wäre es [5] mehr als Verdruß: bin ich aber nicht verdrängt, nur vors erste ganz aufgegeben, so ist die Sache sehr leicht gut zu machen.
Ich hätte diese armseelige Raserey gegen Dich nicht Liebe nennen sollen. Du darfst davon nicht so viel hoffen, als sie für Dich that. Doch würde ich lernen Menschen zu behandeln und lügen, da so viel Zwang dabey ist: und bin ich glücklich, so wird mich das fröhlich und sanft machen, dadurch stark. Ich kann Dir itzt kein Bild von ihr und meiner Liebe geben; es ist zu früh: auch eine vollständigere Erzählung bleibt Dir künftig. – Denn bis itzt ist ja noch so wenig zu erzählen, wenigstens keine Thaten von mir. – Ich wollte also nur meine Hoffnungen und Erwartungen mit Dir theilen. Ich nutzte die einzige heitre Stunde, die ich seit langer Zeit gehabt.
[6] Nun nur noch schnell vor Abgang der Post die Geldangelegenheit. Ich fürchte Deine Großmuth zu mißbrauchen. Aber wäre es Dir nicht möglich Dir, ohne Schulden zu machen, einen Monat vorausgeben zu lassen? – Wenn ich nicht zwanzig aber doch funfzehn Ducaten von Dir erhalten kann, so gerathe ich in die größten Verlegenheiten. Einen Theil davon wenigstens wünschte ich recht bald. – Verzeihe mir den Ausdruck betteln; ich nannte es so, im Verdruß über meine Verschleuderung des Geldes und Trägheit in Erwerbung. Es muß mich kränken Geld von Dir zu fodern, da ich manches davon so ausgegeben. Nicht nur das was Gesellschaft und meine Gesundheit nöthig machte; auch Debauche, der ich mich aus Verzweiflung einige Zeit ergab, hat mich in Schulden gestürtzt. – Ich verspreche Dir aber auf die Zukunft bessere Ordnung und Aufmerksamkeit.
[7] Es ist noch etwas in Deinem Briefe welches itzt so flüchtig nicht beantwortet werden kann; ich sehe aber, daß Du Dich nie von mir wenden wirst. Wenn ich will, so darf ich doch nun nicht heimlich entwischen; ich kann mit Ehren und fröhlich verlassen.
Nächstens mehr. Schreib mir bald. Deine Briefe sind so kurz, und sie sind mir doch so nöthig. Du bist mir das Ende der Geschichte Deines Glücks noch schuldig.
F. S.
Den 5ten October 92.
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[1] Sehr würdig ist der Gegenstand wohl nicht. Zwar ist sie schön, sie hat sehr viel weiblichen Verstand, sie will auch männlichen haben, aber ich zweifle: ihre Liebe ist mir noch ein Räthsel, feurig mag sie wohl seyn, wenn sie nur nicht allein im Blute tobt.
Ich habe mein Spiel sehr schlecht gespielt; jeder Zug fast ein Fehler. Ich habe mich noch nicht der kleinsten Gunst zu rühmen. Und doch, wenn ich alle Umstände zusammen nehme, die mir günstig sind, so glaube ich mein Ziel noch zu erreichen. – Dein Rath ist falsch; zu früh waren meine Erklärungen nicht – zu spät. Wäre ich schneller gewesen, so hätte ich wohl schon itzt alles was ich wünsche. Sie ist darüber äusserst empfindlich, <auch darüber, daß sie glaubte, ich hätte einige günstige Zeichen nicht verstanden; dieß ist entscheidend,> sie äußert mit Mißvergnügen Furcht über Mangel an Vorsicht, sie fürchtet daß ich nur Ihre Schönheit liebe, ich soll Achtung für ihren Verstand haben, sie zeigt gern daß [2] sie auch die Eigenheiten meines Geistes faßt, nemlich die, auf die ich einen Werth lege – es entfuhr ihr einmal eine flüchtige Röthe der Eifersucht, im Anfange unsrer Bekanntschaft. – Dazu nimm sehr bedeutende Blicke. Zwar gab sie mir schon vor langer Zeit das erste Billet, welches ich ihr beym Handkuß in die Hand drückte zurück: ich weiß aber noch nicht, ob nicht vielleicht meine Ungeschicklichkeit daran schuld war – in dem Augenblick verlor ich so ganz alle Fassung, daß ich nichts unterschied. Es ist beynahe wahrscheinlich, weil sie einige Tage darauf mir es abforderte; ihre Worte ließen sich nehmlich sehr gut so auslegen, und wenn ihre Worte einen versteckten Sinn haben können, so haben sie ihn gewiß. Ich hatte das Billet – oder vielmehr ein andres – denn ich habe viele so an sie geschrieben – bey mir und gab es nicht. Ich hätte der Freundin auch wohl ein Billet geben dürfen, hätten [3] nicht unglückliche Zufälle mir die Gelegenheit geraubt; denn ich irre mich gewiß nicht darin, daß eine Freundin da ist, sie machte mir glaube ich, einmal Vorwürfe, daß ich sie an einem Orte wo ich hätte seyn können, nicht aufgesucht. Daraus zusammen läßt sich folgern, daß nicht nur ihre Eitelkeit geschmeichelt ist, sondern ich glaube es hoffen zu dürfen. Wäre es nur Eitelkeit so hätte sie sich ganz anders betragen damals, als ich alle Beleidigungen gegen sie ausstieß, die man einer Frau sagen kann. Sie hätte mich dann ganz entfernt.
Nur einmal sahe ich sie allein und das nur wenige Minuten. Es kam ganz unerwartet, die heftige Bewegung in die ich gerieth machte ihr das größte Vergnügen; – vielleicht irre ich mich doch, wenn ich glaube, daß sie auch nicht ganz ruhig war. – Sie nahm ich weiß nicht wovon Gelegenheit mit vieler Bitterkeit zu sagen ‚und da sie weit mehr Verstand haben als ichʻ. Ich sagte: [4] Ihre Bescheidenheit ist wie ihre Bonhommie (ich hatte ihr einmal halb Scherz halb Ernst medisante Bonhommie vorgeworfen). Sie forderte Erklärung; ich sagte: Sie sind sehr stolz. Sie gerieth in Verwirrung und wußte nichts zu sagen als ‚und Sie sehr offenherzigʻ: aber ich merkte daß ich durch diese zwey Worte unendlich viel bey ihr gewonnen hatte.
Könnte ich nur eine <einzige> Stunde mit ihr allein seyn!
Kurz drauf verreißte sie; seit den 14 Tagen, da sie wieder hier ist, habe ich sie ganz vernachläßigt; meine Verzweiflung hatte so überhand genommen, daß ich doch sicher nur alles verdorben hätte. Gestern sahe ich sie zuerst wieder. Sie zwang sich, so dünkte mirs, eine natürliche Kälte anzunehmen; sie wollte mich glauben machen, sie hätte neue interessante Bekanntschaften gemacht; aber wäre dieß, warum es zeigen? Zwar hat mich das Betragen der Freundin ängstlich gemacht, als wäre es [5] mehr als Verdruß: bin ich aber nicht verdrängt, nur vors erste ganz aufgegeben, so ist die Sache sehr leicht gut zu machen.
Ich hätte diese armseelige Raserey gegen Dich nicht Liebe nennen sollen. Du darfst davon nicht so viel hoffen, als sie für Dich that. Doch würde ich lernen Menschen zu behandeln und lügen, da so viel Zwang dabey ist: und bin ich glücklich, so wird mich das fröhlich und sanft machen, dadurch stark. Ich kann Dir itzt kein Bild von ihr und meiner Liebe geben; es ist zu früh: auch eine vollständigere Erzählung bleibt Dir künftig. – Denn bis itzt ist ja noch so wenig zu erzählen, wenigstens keine Thaten von mir. – Ich wollte also nur meine Hoffnungen und Erwartungen mit Dir theilen. Ich nutzte die einzige heitre Stunde, die ich seit langer Zeit gehabt.
[6] Nun nur noch schnell vor Abgang der Post die Geldangelegenheit. Ich fürchte Deine Großmuth zu mißbrauchen. Aber wäre es Dir nicht möglich Dir, ohne Schulden zu machen, einen Monat vorausgeben zu lassen? – Wenn ich nicht zwanzig aber doch funfzehn Ducaten von Dir erhalten kann, so gerathe ich in die größten Verlegenheiten. Einen Theil davon wenigstens wünschte ich recht bald. – Verzeihe mir den Ausdruck betteln; ich nannte es so, im Verdruß über meine Verschleuderung des Geldes und Trägheit in Erwerbung. Es muß mich kränken Geld von Dir zu fodern, da ich manches davon so ausgegeben. Nicht nur das was Gesellschaft und meine Gesundheit nöthig machte; auch Debauche, der ich mich aus Verzweiflung einige Zeit ergab, hat mich in Schulden gestürtzt. – Ich verspreche Dir aber auf die Zukunft bessere Ordnung und Aufmerksamkeit.
[7] Es ist noch etwas in Deinem Briefe welches itzt so flüchtig nicht beantwortet werden kann; ich sehe aber, daß Du Dich nie von mir wenden wirst. Wenn ich will, so darf ich doch nun nicht heimlich entwischen; ich kann mit Ehren und fröhlich verlassen.
Nächstens mehr. Schreib mir bald. Deine Briefe sind so kurz, und sie sind mir doch so nöthig. Du bist mir das Ende der Geschichte Deines Glücks noch schuldig.
F. S.
Den 5ten October 92.
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