Ihr wollen wir nichts schreiben und sagen. Warum sollte ich sie ängstlich machen? – Mein lieber Freund, ich kann Dirs nicht verbergen, sie ist traurig und kummervoll, <mehr als sie Dir vielleicht schreibt, wie ihr Anblick und viele kleine Züge es genung verrathen.> Suche sie durch Briefe so gut zu erquicken, wie Du vermagst. Nimm die Zeit, die Du mir bestimmtest, auch für sie.
An diesem bin ich ganz unschuldig. Es war gleich wie ich sie sahe, daß ich sie bat, G.[öschen] zu warnen, daß durch seine Familie nicht bekannt würde, Du seyst hier gewesen. Da glaubte er, man würde durch das Verbieten der Sache nur eine ängstliche Wichtigkeit geben. Wer weiß auch, ob es geholfen hätte, da zu viele darum wußten, die von G.[öschen] nicht abhängen, und gerne was Sonderbares zu schreiben haben. –
[4] Ich dächte Du schriebst nun sogleich äusserst freundschaftlich an Charl.[otte], um sie Dir günstig zu machen, falls sie uns schaden könnte; und da Du doch von C B. [Caroline Böhmer] schreiben mußt, so könntest Du ihr vertrauen, sie sey in Berlin. Sobald ich was weiteres erfahre, schreibe ich Dir sogleich. Im Grunde können sie uns nicht schaden, wenn Du nur entschlossen bist, unser gutes Vernehmen mit der Familie, für B.ʼs [Caroline Böhmers] Ehre aufzuopfern.
Ich schien in meinem letzten Briefe etwas nicht zu wissen, was das geringste aufmerksame Nachdenken über Deinen Auftrag mir sehr deutlich errathen ließ und wovon mich der erste Anblick überzeugte. Leider war es ja so deutlich, daß alle Schwägerinnen, und Schwäger von G.[öschen] es errathen und gesehen haben. – Ich wußte noch nicht ob sie hier in S.[achsen] bleiben würde, und so konnte es Euch vielleicht angenehmer seyn, wenn ich unwissend schien. Da sie nun aber noch so lange hier bleibt, ich <in Verbindung mit ihr bin, und bleiben muß,> Briefe und Kleinigkeiten für sie besorge, und sie zu Zeiten sehen werde, so geht das nicht, und ich gestehe [5] Dirʼs daher offen. – Ich weiß nicht recht, wie ich ihr einen vielleicht unangenehmen Augenblick der Eröffnung sparen werde. Bisher habe ich sorgfältigst den Schein beobachtet, als wisse ich nichts. – Uebrigens fand und finde ichs sehr natürlich, daß sie mir das nicht gern sagte; zudem da ich ihr zu nichts Wesentlichem helfen konnte. – Und auch darüber (anfangs kränkte es mich) bin ich ietzt ganz zufrieden. Zwar werde ich gern das bischen Leben, was etwa noch in mir ist, für ihre Rettung hingeben; aber es ist doch wirklich gut, daß ich ihr entbehrlich bin, sonst hienge es an schwachen Fäden. Du weißt ja, wie <unsicher> es mit meinem Leben von einem Tage zum andern steht.
Aber, lieber Bruder, eins muß ich Dir ans Herz legen. Bedenke, ich bin der einzige Mensch, den sie in dieser leidenvollen Zeit sehen wird. Vielleicht darf ich hoffen, bald dahin zu kommen, sie doch aufheitern, aufrichten zu können, auf Augenblicke und Stunden. Und muß es mir [6] nicht unmöglich gemacht werden, durch kleinliche Rücksichten, und halbe Vertraulichkeiten. Sollte sie auch nicht ein paar Zeilen Urtheil über mich geschrieben haben? – Ich hatte ausdrücklich gebeten, mir das mitzutheilen. –
Du muthest mir an; ich soll glauben, was Du verlangst, und dann auch wieder nicht glauben. Das steht nicht in meiner Macht da die Wahrheit für mich gar zu deutlich am Tage liegt. Stellen will ich mich <aber> gegen sie, so gut ich kann, als sey ich von dem überzeugt, was Du da schreibst. – Sie ist die Deinige, – im vollsten Sinne des Wortes – nehmlich, weil Du es willst. Ich billige das auch, daß Du Dich für sie wagst. Sie ist eine edle Frau, und Du verdankst ihr mehr, als Du ihr je erwiedern kannst. – Doch genung davon; da es Dir vielleicht unlieb ist, mich weiter zu hören.
Ich sollte Dir nun auch mehr darüber schreiben, was ich von ihr denke, und welchen Eindruck sie auf [7] mich gemacht. Aber wie wenig haben wir uns noch gesehn! – Lezte Woche war ich einige Tage draussen. Ihre Gesundheit scheint ziemlich. Nur klagt sie über Schlaflosigkeit. Von ihrer Stimmung habe ich oben etwas erwähnt. – Unsern Umgang möchte ich bezeichnen; Vertraulichkeit ohne Zutrauen, Theilnahme ohne wahre Gemeinschaft. Doch mißverstehe das nicht. Die Ueberlegenheit ihres Verstandes <über den meinigen> habe ich sehr frühe gefühlt. Es ist mir aber noch zu fremd zu unbegreiflich, daß ein Weib so seyn kann, als daß ich an ihre Offenheit, Freiheit von Kunst recht fest glauben dürfte.
Der Brief von Mad. Michaelis, halten wir fürs beste, muß an Dich von Hann.[over] geschickt werden; damit man dort nicht Argwohn schöpft, wie es ohnehin leicht geschehen könnte, weil Carl ihre Hand kennen muß. Du mußt die sechs Louisdʼors hieherschicken. –
Wenn ich etwas für sie hätte thun [8] können, oder auch fürchtete, daß dieß noch geschehen könne, so würde ich recht sehr mit Dir zanken, daß die Zettel, mit denen Du die Briefe an Caroline begleitet hast, immer neue Anforderungen enthalten. Glaubst Du, ein Wort von Dir würde mir nicht hinreichen, ich würde für die Deinige nicht alles thun? – Aber Du kannst auch wissen, daß so weit ich sie kenne, es schon genung ist, um es für sie selbst zu thun. –
Ich dächte Du schriebest mir auch einmal wieder; Du müßtest mir viel zu sagen haben. Ich hätte Dir auch wohl viel zu sagen; an Zeit fehlt es mir nicht; wenn ich nur wüßte, daß Du es hören würdest. Nehmlich nicht von ihr; auch nicht von den kleinen Sorgen; sondern nur von mir selbst. Du scheinst es nicht gewußt zu haben, daß meine Reise nach H.[annover] ein peinliches Opfer war, das ich unsrer Freundschaft brachte, und also muß ich es Dir wohl sagen. Ich für mein Theil war entschlossen, die Meinigen [9] nie eher wieder zu sehen, als bis ich auch nach ihren Begriffen mit Ehre und Freude unter ihnen seyn konnte. – Ich war jeden Augenblick in H.[annover] gedrückt. Doch gereut michs nicht. Wenn es mich kein einzigesmal ganz begeistern konnte, Dich zu sehen, so ist es mir von bleibendem, großem Werthe, Dich gesehen zu haben. – Du hast mich tief verwundet, und vielleicht es nicht einmal ganz gefühlt, wie tief. Ich muß mich noch einmal gegen Dich vertheidigen, und das soll auch <nächstens> geschehn. Du hast zwar seit einiger Zeit meine Handlungen und Angelegenheiten, wie ein Fremder beurtheilt; aber doch halte ichs für meine Pflicht, sie Dir darzulegen. Ich kann nicht glauben, daß Du mich aufgegeben hast; daß Du mich lassen willst. –
Ich wünschte von Dir zu hören, auch von Sophien. –
Der Buchhändler hat mich besucht, und schien sehr empfindlich, daß Du nicht einmal bey ihm gewesen; sehr besorglich, [10] daß gar kein Manuscript käme. Nun könne es zur Michaelis-Messe nicht geliefert werden, und damit sey viel verloren. Wenn Du noch gar nicht angefangen hättest, so schlägt er vor; es ganz dabey bewenden zu lassen. – Hast Du schon etwas fertig, so schick es geschwind, ich werde dem Schlingel schon den Kopf waschen. Wo nicht, so nimmʼs in Ueberlegung. Reichardts Erwin und Moritzens Anthusa liegen für Dich bereit; sobald G.[öschen] mir die Proben von Wieland giebt, gehen sie ab. Ich bitte flehentlichst um den Hemsterhuys. – Zugleich, lieber Bruder, ersuche ich Dich, wenn es Dir möglich ist, mir einige Ducaten zu schicken (wenn Du es kannst, so thue es bald). Wenn ich einmal über meine Finanzen schreibe, will ich Dir auseinandersetzen, warum ich selbst eine so kleine Summe bis Michaelis, nicht borgen kann und darf.
Leipzig, den 21ten August 93.
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