Ich nenne Dir diese beyden Schrift[5]steller, in der Voraussetzung, daß Du sie noch nicht gelesen hast, und in der Hoffnung, daß Du Deine Abhandlung über Euphonie und Eurythmie fortsetzen und zu einem vollständigen Werke vollenden willst. – Dionysius berührt sehr oft Untersuchungen, die in Deinem lezten Briefe an mich enthalten sind: als über den Wohlklang und Werth der Mitlaute. Das Zischen des S findet er wiedrig und thierisch. Vom R urtheilt er günstiger <wie Du>: das L hält er für den wohllautendsten. In Einigem ist er aber sehr verschieden von Dir. Nur ein Beyspiel; nicht nur er, auch alle andre Rhetoriker, die mir bekannt sind, Aristoteles, Demetrius, Aristides u.s.w. machen es zum ausdrücklichen Gesetz, die Collision der Vocale zu vermeiden, welche sie übellautend finden. Sie erlauben sie nur dem erhabenen [6] Vortrage; diesem verleiht sie Größe und Pathos, weil die Stimme bey jedem der zusammenstehenden Selbstlaute von neuem anheben und ganz austönen muß. Dieses hemmt die Flüssigkeit, in welche sie das Wesen des schönen Vortrages setzen. Isocrates, welcher diesen durch Anstrengung und Fleiß zu erreichen suchte, hat in einer ganzen Rede, diese Härte (von welcher wir Deutschen sehr sicher sind) vermieden. Es ist damit gemeynt z. B. Ηϊονες αϊεις u.s.w. βοοωσιν.
Mit Begierde erwarte ich Deine Abhandlung über Eurythmie, und werde sie umständlichst beantworten. Grade iezt triffst Du mit meinen Untersuchungen zusammen. – Den Grundsatz; alles was dem Sprachwerkzeug schwer und mühsam, ist dem Gehör unangenehm, kann ich nicht ganz gelten laßen. – Im Griechischen kommen oft sehr viel Längen und sehr viel Kürzen hinter einander vor; gewiß ist das ro[7]hen Organen schwer, ja unmöglich. Und ich würde mich nicht wundern, wenn ein solches Organ schon deshalb, die Musik der Griechischen Sprache für Uebellaut erklärte. Aber würde ich fragen; ist es leichter zu singen oder zu reden? zu reden oder zu lallen? oder zu schreyen? und ist nicht überall das Weichliche mehr vom Schönen entfernt, wie das Harte? – Wenn ich Dir auch zugestehe, daß die deutsche Sprache hart ist, so mußt Du doch beweisen, daß sie der Schönheit nicht fähig sey, wobey es wohl mehr auf ihren Rythmus ankömmt. Denn Deine Behauptung, daß sinnlicher Reiz das erste Erforderniß einer Sprache sey, daß ohne diesen Schönheit und Rythmus nicht wirken könne, hast Du nicht erwiesen.
Es war zwar zuerst die Neigung, welche mich antrieb, die Kunst da zu erforschen, wo sie einheimisch ist. Daß ich aber in dem Entwurfe meines Lebens mit der Kunst den Anfang mache, daß ist so tief in meiner Natur und in meinen Absichten gegründet, daß vielleicht nur ich selbst den Grund davon einsehen kann. [8] Auch vermag ich Dir dieß und mein ganzes Verhältniß zu derselben nicht mitzutheilen. Sie selbst ist mir nothwendig, und erst dann strebe ich sie mitzutheilen, in so weit die Natur und meine Kräfte es vergönnen. – Vielleicht irre ich nicht wenn ich zur Kunst auch diejenige Philosophie rechne, deren Zweck nicht Wißenschaft, sondern die Mittheilung des Schönen durch den Verstand ist, nehmlich die Philosophie des Socrates. Du erinnerst Dich einiger mitgetheilten Plane in G[öttingen]. Sie sind nicht vergeßen, und enthielten den Keim meiner ietzigen Absicht. – Ich habe diese Periode erst angefangen, und ich kann mich also vielleicht irren, wenn ich den Uebergang zu der nächsten schon deutlich vorauszusehen glaube. Darüber also iezt nicht weiter. –
Ueber meine Geldangelegenheiten hier kannst Du sehr ruhig seyn, und überzeugt, daß ich mit äußerst Wenigem zureichen kann. Zu Ostern muß ich von meiner Mutter noch etwas annehmen, und es wird hinreichen, bis Michaelis [9] zu leben. Bis dahin werde ich so viel zu verdienen wißen, daß ich den Winter leben kann; und für den Winter habe ich auch außerdem noch andre Plane. Weiter denke ich für iezt nicht. – Aber meine Geldangelegenheiten in L.[eipzig] machen mir noch große Sorge. Carol.[ine] hat kein Geld von ihrem Capital bekommen können, und unterdeßen hält man dort meine Reise für eine Flucht, und wenn ich nicht entweder die Hauptsumme gleich mit dem Anfang des März habe, oder doch 100 Thl., so ist es fast unmöglich, dem größten Verdruße zu entgehen; besonders da ich von Charl.[otte] nichts hoffen darf. Das Schlimmste ist meine Wirthin, und mein Bedienter. Ich bin überzeugt, daß Du alles mögliche thun wirst, um mir die Summe so früh zu verschaffen, oder wenn noch eine Möglichkeit dazu da ist, 100 Thl. im voraus, sogleich. Ich wünsche sehnlichst Nachricht darüber; ob Du wieder Briefe von M[astiau]x hast? ob ich ihm schreiben soll? [10] Ich bin äußerst besorgt deshalb. – Noch eins. Das Geld schickst Du mir hieher: und wenn es auch ein Wechsel ist; so mußt Du es doch auf dem Couv.[ert] bemerken; sonst kann es jedermann der den Brief etwa öffnet, herausnehmen. Du hattest dieß bey der Uebermachung der 60 Fl. vergeßen. Meine Addreße hier ist; in der Moritzstraße, bey Post-Secretär Neumanns, drey Treppen hoch. –
Ob Charlotte weiß, daß Du in L.[eipzig] gewesen bist, habe ich nicht von ihr herausbringen können; und es liegt auch wohl eigentlich nicht viel daran. Körners haben sich auf eine sehr unbescheidne Art neugierig bewiesen (es versteht sich, daß er nicht mit gemeynt ist) und ich that sehr unbefangen, und erzählte Ihnen, daß sie dem Gerüchte nach, nach Rußland gereißt sey. Aus ihren Reden schloß ich, daß man hier von Cranz nichts weiß (und dazu gehört Gotha u.s.w. wohl auch) und an der Verbindung mit F.[orster] nicht zwei[11]felt. –
Schreibe doch von Deinem Kommen, von Sophien und von allem.
Dreßden den 10ten Februar 1794.
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